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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

mit Seide abgefütterten Kleides, und in den Eingang der Laube trat eine blonde Frau im blauen Leinenkleid mit seidenen Aermeln derselben Farbe.

„Sie hier, Lieutenant Grellert?“ fragte sie mit gut gespieltem Erstaunen.

„Pardon, wenn ich störe, gnädige Frau,! antwortete er, „ich – befehlen, gnädige Frau, daß ich mich entferne – oder –“

Er durfte bleiben. Und derweil brachte Heinz mit Hilfe des Dienstmädchens den kleinen Kranken zur Ruhe und saß dann, auf seine Frau wartend, im Eßzimmer am Fenster, der Tisch war gedeckt, unter dem Theekessel zuckte die bläuliche Flamme. Tante Gruber kam herauf in einem der schwarzen Damastkleider, die sie von der Herzogin geerbt hatte und jetzt auftrug für täglich. Sie raschelte leise umher im Zimmer, that zuweilen einen Blick auf die Uhr und unterdrückte ein verstohlenes Gähnen. Heinz merkte nicht, wie spät es war, wußte nichts von der Gegenwart, er sah nur eine liebliche schlanke Mädchengestalt und hörte ihre süße Stimme:

„O Sonne, o Liebe, wie kalt ohne euch!“

Was wußte er damals von der Wahrheit dieser Worte! War es ein Ahnen kommenden Unglücks gewesen, das sie ihm eingab?

Dann flog die Thür auf und Toni trat ein. „Feodora hatte noch soviel zu schwätzen“, entschuldigte sie sich atemlos, bevor noch jemand sie anklagte. Dann saß man schweigsamer als je zu Tisch, denn Tante Gruber, die sonst mit der jungen Frau allein sprach, bekam heute kaum eine Antwort von ihr.

(Fortsetzung folgt.)


Ein Festtag in Inner-Indien.

Von Dr. K. Boeck. Mit Illustrationen nach photographischen Aufnahmen des Verfassers und einem Bild von Herm. Linde.

Hoch stand in alten Zeiten die Kultur der Hindus. Aber von stolzester Höhe sanken die Gedankenkreise dieses uns stammverwandten Volkes tiefer und tiefer. Parteileidenschaft, Zersplitterung in zahllose Kleinstaaten machten Indien zur leichten Beute fremder Eroberer. Unter dem Drucke wissensfeindlicher Priesterherrschaft, eisernen Kastenzwanges, unablässiger Ausbeutung erlahmte die Fähigkeit des Volkes, sich zur Vaterlandsliebe, zur Begeisterung aufzuschwingen – die Talente verzagten, das einst so thatkräftige Wollen versumpfte. Redlich erworbener Besitz erfreute nicht, er brachte nur Gefahr, Gleichgültigkeit, öde Genußsucht traten an die Stelle der Schaffensfreudigkeit.

Nunmehr gipfeln die Wünsche der großen Masse der 500 Millionen Hindus in dem Ruf nach „Brot und Spielen“, der sich im alten Rom zur Zeit seines Niederganges erhob, in dem Verlangen nach möglichst mühelosem Erwerb des täglichen Nahrungsbedarfes, nach Betäubung in brausendem Festlärm.

Der Badeplatz der Elefanten.

Wie aber steigert sich diese Sorge um das tägliche Brot, wenn in Indien, wie gegenwärtig, der Monsunregen seine erweckende Schuldigkeit an der lechzenden Mutter Erde verabsäumt hat und verwelkende Reis- und Weizenkeime der Erntesichel spotten! Schleicht dann zugleich, wie eben jetzt, das gräßliche Gespenst der Pest Arm in Arm mit seiner düsteren Schwester, der Cholera, durch die ausgeglühten, verdorrten Felder – wie sinken dann die von Hungersqualen gekrümmten Hindus diesen Furchtbaren zu Füßen, in Hunderten, Tausenden und Abertausenden!

In stumpfer fatalistischer Erschlaffung harrt der Hindu seines Schicksals, es fehlt ihm Kraft und Mut, dem Aberglauben zu trotzen und die von den Behörden empfohlenen Schutzmaßregeln zu befolgen. Etwelche eilen, den herannahenden Landplagen durch Flucht zu entgehen, andere versuchen sich gewaltsam in den Besitz der mangelnden Nahrung zu setzen – weit mehr aber streben, durch außergewöhnliche Inbrunst bei den religiösen Festen die betreffenden Gottheiten zur Abwendung der Heimsuchungen zu bewegen.

Diese geräuschvollen Feste spiegeln die glanzvolle Herrlichkeit des alten Indiens auch heute noch wieder und werden solche sowohl von den Hindus alter brahminischer Religion wie von den indischen Bekennern des Islams abgehalten. Unter dem Einfluß tropischen Lichtes steigert sich dort der äußere Ausdruck religiöser Begeisterung bis zum Phantastischen. Um Zeugen eines solchen Festes zu sein, begeben wir uns in das Innere des Landes, in das „Mosussil“.

Haidarabad, „die Stadt Haidars“ (Löwen), im Herzen der riesigen, vorderindischen Halbinsel, an dem Ufer des Mussi gelegen wollen wir heute besuchen. Von den 400 000 Einwohnern dieser Stadt ist die übergroße Mehrheit mohammedanisch, wie der Fürst selbst, der, „Nisam“, dessen voller Name lautet Asaf Jah Muzassur-ul-Mumulik, Nisam-ul-Mulk, Nisam-ud-daulah Nawab Mir Mahbub Ali Khan Bahadur Feteh Jung. 10 Millionen Bewohner zählt sein Reich, der Vasallenstaat Haidarabad.

Es ist gerade für den Islam die festlichste Zeit des Jahres, der erste Monat des mohammedanischen Mondjahres.

Neun Tage währt das Erinnerungsfest an den Tod Hassans und Husseins, der Söhne Alis, des Schwiegersohnes des Propheten, die im Kampfe gegen mohammedanische Sektierer im Jahre 680 in der Schlacht von Kerbela fielen. Der neunte Festtag ist angebrochen, die prunkvolle große Prozession, in der die Fahne des Propheten durch die Straßen der Stadt geführt wird, soll das fanatische Volk bis zum rasenden Toben entzücken. Bangen Herzens schleichen die brahminischen Hindus umher – wehe ihnen, wenn sie heute ihren aufgeregten muselmännischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_188.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)