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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)


bei ihr bedanken und aufs neue deine Promenaden mit ihr machen,“ rief nun Beatrice mit finsterem Blick und ihr Mund zog sich fest zusammen.

„Nein – ich werde ihr den Esel wiedergeben,“ sprach düster und entschlossen Oreste.

„Nein? Wirklich nein? Du willst ihren Esel nicht? Nun, dann, Oreste – dann wollen wir ihr den Esel zusammen zurückgeben,“ versetzte darauf Beatrice mit seltsamem Lächeln.

„Wir? Zusammen!“ rief Oreste jauchzend.

„Ja,“ erwiderte Beatrice ruhig. „Ich weiß, daß du mich liebst, und ich liebe dich ja auch und wenn du mir zuliebe früher deinem faulen Leben und dem Herausputzen für die Amerikanerinnen hättest entsagen können, wäre es schon längst anders.“

„Ich bin jetzt kuriert, Beatrice – ich bin jetzt kuriert,“ versicherte Oreste. „Ich habe ja einen halben Monat wie in der Hölle leiden müssen!“

„Nun, ich will’s glauben,“ sprach Beatrice. „Du wirst dir eine Werkstatt einrichten – das mußt du mir schwören bei dem heiligen Antonio, der uns so sichtlich in seinen Schutz genommen, und fleißig arbeiten!“

„Das will ich schwören,“ versicherte Oreste eifrig und Beatrice reichte ihm herzlich beide Hände und hatte nun nichts mehr dagegen, daß er sie in seine Arme schloß und küßte.

„Nun wollen wir aber der Amerikanerin ihren Esel bringen, jetzt gleich – ohne Verzug!“ erklärte Beatrice mit einem eigensinnigen Zug um den Mund.

„Ja, laß uns gehen!“ stimmte Oreste willig zu, und die beiden begaben sich wie Verlobte, eines den andern bei der Hand führend, nach der Hauptstraße hinunter und gingen so vereint nach Bogliasco.

Während dies geschah, hatte sich merkwürdigerweise das Gerücht von der sicheren Verlobung Orestes mit Beatrice wie ein Lauffeuer in ganz Nervi verbreitet. Ueberall erzählte man sich die sonderbare Mär, daß Oreste in die Cantina gestürzt sei und das Mädchen vor allen Leuten als seine Verlobte geküßt, Beatrice ihn aber keineswegs von sich gestoßen, sondern dazu fröhlich gelacht habe, ebenso die erstaunliche Nachricht, daß irgend jemand, der nicht bekannt werden wollte, durch den Gärtner vom Albergo Inglese Beatricens Maulesel gekauft und das Tier heimlich bei Nacht in Orestes Stall gebracht hätte.

Das Gerücht kam auch Miß Grantly zu Ohren. Die amerikanische Dame sah darauf einen Augenblick starr hinaus in die Ferne, dann verlangte sie ihre Rechnung, trat an das Plakat der Eisenbahnzüge im Hotelflur und bestellte zur sofortigen Abreise den Hotelwagen. Darauf ging die Miß in ihr Zimmer, packte mit ihrer Zofe schnell die Koffer und saß gerade in dem Schnellzuge nach Rom, als Oreste und Beatrice mit dem Esel vor dem Albergo anlangten. Auf ihre Frage nach der amerikanischen Dame erfuhren sie, daß dieselbe soeben überraschend schnell abgereist sei.

Beatrice sah Oreste an – dann lachte sie und sprach: „Nun denn – so behalten wir den Esel. Es wäre ja eigentlich auch dumm gewesen, der reichen Signora elfhundert Lire zu schenken. Wir können sie besser brauchen. Es sei unsere Mitgift, welche sie uns gegeben!“

Und Oreste beeilte sich, obwohl er noch nicht der Ehemann Beatricens war, auch hierzu „Ja“ zu sagen.




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Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_195.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2023)