Seite:Die Gartenlaube (1897) 210.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

„Kreuzmillion und no a nettliche tausend Teufel, jetzt laß mi mit Ruah,“ fluchte der Förster, ernstlich erzürnt. – – – –

Ein herrlicher Frühmorgen war es. Der Förster zog in bester Laune durch den Wald. Der Hund suchte links und rechts den Weg ab und sein Herr hing gar angenehmen Gedanken nach. Die Geschichte mit dem Schilfer Toni und seinem Lenerl schien sich ganz ernstlich anzulassen. Er war oft zur Försterei gekommen und der alte Schilfer hatte auch einmal beim Wirt die Bemerkung fallen lassen, daß es ihm schon recht wär’, wenn er bald ausrasten könnt’. Und dann, wenn sein Lenerl einmal Großbäurin wär’, dann wollte er jede Woche ein- oder zweimal – – da fiel ein Schuß. Ein Ruck, und das Gewehr war zum Gebrauch in der Hand. Waldele, der Hund, streckte die Rute wagerecht aus und windete. Schritt für Schritt rückte der Förster vor.

Sorgfältig vermied er jedes dürre Holz auf dem Boden, jeden Stein. Endlich sah er zwischen den mächtigen Buchenstämmen hindurch zwei Gestalten. Der eine der Burschen, welcher eben damit beschäftigt war, einen ziemlich starken Hirsch aufzubrechen, konnte niemand anders sein als der Kragler. Ganz deutlich sah er den kahlen Schädel, die schmutzig grauen Haare, den struppigen Bart des Mannes. Aber der andere? Wer konnte der zweite Wilderer sein?

Kurz entschlossen, sprang er hinter dem mächtigen Baumstamm, der ihn bisher gedeckt, hervor.

„Halt! ’s G’wehr nieder, oder i brenn’ euch eins auf’n Leib!“

Mit einem jähen Ruck wandte sich der zweite Wilderer um. Der Schilfer Toni! … Dem alten Förster war es, als risse in seinem Herzen eine Saite entzwei …

„Armes Lenerl!“ Aber Dienst und Pflicht steht über dem menschlichen Glücke.


Pflanzen und Ameisen.

Von Dr. P. Taubert.

In früheren Zeiten war man im allgemeinen zu glauben geneigt, daß Tiere, welche sich in großer Menge auf Pflanzen dauernd ansiedeln oder dieselben von Zeit zu Zeit besuchen, immer nur einen nachteiligen Einfluß auf die Entwicklung derselben auszuüben vermögen. Dies galt namentlich von den Ameisen, die bei den Gelehrten als Einbrecher in die Blüten oder als Honigräuber in schlimmem Verdacht standen. Allmählich gelangte man indes auf Grund unbefangener Beobachtung zu der Ansicht, daß Tiere Pflanzen, auf denen sie wohnen, auch Nutzen bringen können. So wußte der Forstmann längst, daß Ameisen die Waldbäume vor den Angriffen schädlicher Raupen oder Larven schützen, und der chinesische Orangenzüchter besetzte sorgfältig seine Bäume mit jenen emsigen Tierchen, um seine Pfleglinge vor den verderblichen Einwirkungen gefräßiger Kerbtiere zu bewahren.

Schon durch die Reiseberichte älterer Botaniker, welche die Tropen besuchten haben wir erfahren, daß es eine Reihe von Gewächsen giebt, die in Anschwellungen unterer Stammteilen, in hohlen Stämmen oder in eigentümlichen hohlen Verdickungen der Aeste, in schwieligen Austreibungen der Blattfläche oder selbst in außerordentlich vergrößerten Stacheln unzählige, höchst empfindlich beißende Ameisen beherbergen. Lange Zeit war man der Meinung, daß hier Fälle von schädigendem Parasitismus vorlägen, allein neuere Untersuchungen, besonders diejenigen Schimpers und Beccaris, haben ergeben, daß die Ameisen, weit davon entfernt, einen nachteiligen Einfluß auf die Pflanzen auszuüben im Gegenteil ein notwendiger Schutz für dieselben sind. Diese zwischen Gewächsen und Ameisen obwaltenden Beziehungen näher auseinanderzusetzen ist der Zweck der folgenden Betrachtungen.[1]

Der ostasiatische Archipel, besonders Java, birgt eine Reihe von eigentümlichen Pflanzen, die uns schon längere Zeit als „myrmekophile“ oder „Ameisenpflanzen“ bekannt sind. Alle gehören zu den sogenannten epiphytischen Gewächsen, d. h. sie wachsen auf Bäumen, ohne mit ihnen in dem organischen Zusammenhang zu stehen wie die Schmarotzerpflanzen; sie nehmen zwar auf dem Wirte einen Platz ein, entziehen ihm aber keine Nährstoffe. Das äußere Aussehen dieser Gewächse ist höchst merkwürdig. Wir wollen dem Leser eins der sonderbarsten derselben, Hydnophytum formicarum durch Wort und Bild (Fig.4 a und b) vorführen. Der Teil, mit welchem diese Pflanze ihrer Unterlage aufsitzt, ist ein kinderkopfgroßes, knollenförmiges, gelblich grünes Gebilde, das eine Anzahl starker Stengel treibt, die mit fleischigen Blättern besetzt sind und kleine weiße Blüten tragen. Ein Schnitt durch die Knolle zeigt uns, daß dieselbe nicht kompakt, sondern nach allen Richtungen hin mit zahlreichen, galerieartigen Gängen durchsetzt ist, die miteinander in Verbindung stehen und unzählige Ameisen als Wohnung dienen. Welche Beziehungen die Tierchen zu ihrer Herberge haben, erkennt man am klarsten aus einer Schilderung, die der bekannte englische Naturforscher und Reisende Forbes von seinem Zusammentreffen mit solchen Pflanzen giebt. Derselbe war eines Tages im javanischen Urwald beschäftigt, von einem Baume ein Bündel epiphytischer Orchideen herunterzuziehen, wurde aber nach einer kurzen Berührung desselben plötzlich von Myriaden einer kleinen Ameisenart überlaufen, deren Biß wie Feuer brannte. Schleunigst entfernte er sich von dem Platze und entkleidete sich. Nachdem er sich mühsam der Quälgeister entledigt, kehrte er zu den Orchideen zurück und entdeckte nun zwischen ihnen ein Exemplar jener merkwürdigen, oben beschriebene Pflanze, deren Knolle ihm bei einem Einschnitt jenen verwickelten wabenartigen Bau zeigte, der mit Ameisen angefüllt war. Der Versuch, eine Anzahl dieser Gewächse zu sammeln, gelang nur unter den größten Schwierigkeiten und den Verwünschungen der malayischen Diener, denn die Ameisen greifen mit stets erneuter, unwiderstehlicher Gewalt die Störenfriede an und trieben sie wiederholt in die Flucht.

In derselben Weise wie bei Hydnophytum formicarum und einer Anzahl verwandter Arten die Knollen am Stengelgrunde den Ameisen als Wohnung dienen, während die Pflanzen selbst durch ihre kleinen Insassen wirksamen Schutz gegen die Angriffe von Feinden aller Art genießen, sind auch die Wechselbeziehungen zu diesen Kerbtieren bei einigen tropischen Orchideen ausgebildet, die gleich dem Hydnophytum und seinen Verwandten epiphytisch auf Bäumen leben. Fig. 1 stellt einen charakteristischen Vertreter dieser oft mit den herrlichsten und sonderbarsten Blüten ausgestattete Gewächse, das prächtige javanische Grammatophyllum speciosum, dar. Durch Verwachsung der Blätter entstehen an demselben anfangs krautige, dann schwammige und schließlich verholzende Scheinknollen, deren hohles Innere den Ameisen als Aufenthaltsort dient. Die Eingänge zu diesen Ameisenherbergen werden durch zahlreiche lange Haare verdeckt. Bei der geringsten Berührung der Pflanze stürzen Tausende der Tierchen hervor und fallen mit empfindliche Bissen über den nichts ahnenden Friedensstörer her.

Einen andere Typus von Ameisenwohnungen stellen die hohlen Stämme und Zweige einer Reihe brasilianischer Gewächse dar. Gewisse Arten der Gattung Cecropia welche mit den bekannten Brotfruchtbäumen durch den Bau ihrer Blüten nahe verwandt ist, besitzen hohle Stammglieder, die von den Eingeborenen zu Blasinstrumenten benutzt werden. Verschiedene Forschungsreisende haben darum diesen Pflanzen den Namen Trompetenbäume beigelegt. Daß diese Hohlräume fast regelmäßig von einer bestimmten Ameisenart, Azteka instabilis bewohnt werden, wird schon von den ältesten Schriftstellern, welche das tropische Amerika bereisten, erwähnt. So macht Piso, der die Tier- und Pflanzenwelt Brasiliens bildlich und wörtlich für seine Zeit recht gut darstellte, schon im Jahre 1658 eine dahin zielende Angabe, zugleich die erste bekanntgewordene Mitteilung über Ameisenpflanzen.

Wir wollen diesen interessanten Pflanzen eine etwas eingehendere Betrachtung widmen. Auf einem einfachen oder nur oberwärts spärlich verzweigten, knotig-gegliederten Stamme wiegt sich eine wenigblättrige Krone von langgestielten, sehr großen, vielfach tief eingeschnittenen Blättern. Die einzelnen Stengelglieder sind so stark verkürzt, daß selbst die Blattstiele der bereits entfalteten Blätter nahe aneinander gerückt sind. Oberhalb eines jeden der mit stark verdicktem Grunde dem Stamme ansitzenden Blattstiele, also in der Achsel jedes Blattes, bemerkt man eine Rinne

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_210.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)