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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

von Sparta, ist seit 1889 mit einer Schwester des Deutschen Kaisers, Prinzessin Sophie, vermählt. Besondere freundschaftliche Bande bestehen ferner zwischen dem zweitältesten Sohne König Georgs, dem Prinzen Georg, und dem Zaren. Prinz Georg machte im Jahre 1890, als Kaiser Nikolaus noch Thronfolger war, dessen bekannte Orientreise mit. Er war es, der in Japan, als ein Fanatiker auf den Zarewitsch ein Attentat versuchte, diesem das Leben rettete. Prinz Georg hat die Marine zu seinem Beruf erwählt, er ist ein gewandter Seemann und dabei der populärste Prinz in Griechenland. Er steht jetzt im Alter von 27 Jahren und gewinnt die Herzen schon durch seine äußere Erscheinung.

Kloster Gonia.
Nach einer Originalzeichnung von Jos. Winckler.

Auf die Nachsicht der mächtigen Verwandten und Freunde mag wohl König Georg gerechnet haben, als er dem Drängen seines Volkes nachgab und thätig in die Gestaltung der Geschicke Kretas eingriff. Am 8. Februar hatten die Aufständischen in Chaleppa, einer Vorstadt Kaneas, die griechische Flagge gehißt und die Vereinigung mit Griechenland proklamiert. Dieses Vorgehen wurde in Athen gutgeheißen; in der Nacht vom 11. Februar verließ Prinz Georg mit einer Torpedoflottille den Hafen von Piräeus und dampfte nach Kreta, um dort die Landung türkischer Truppen zu verhindern, ihm folgte Oberst Vassos mit einem Kommando griechischer Truppen um im Namen seines Königs Besitz von der Insel zu ergreifen; zugleich rüstete Griechenland zu Lande und zog an der türkischen Grenze Truppen zusammen. Die Admirale der europäischen Kriegsschiffe, die im Hafen von Kanea lagen, ließen indessen Marinesoldaten landen und hißten auf den Wällen der Stadt neben der türkischen die Flaggen der von ihnen vertretenen fünf Großmächte, zu denen sich später, nach erfolgter Ankunft der „Kaiserin Augusta“ auch die deutsche Flagge gesellte.

Retimo.
Nach einer Originalzeichnung von Jos. Winckler.

Groß war der Jubel der kretischen Freischaren, als Oberst Vassos bei Platania in der Nähe von Kanea landete. Nicht weit davon liegt am Meeresufer das Kloster Gonia, das seit jeher jede aufständische Bewegung eifrig gefördert hat. Die Mönche hießen ihn von Herzen willkommen denn die Klosterbrüder auf Kreta sind stets der nationalen Bewegung ergeben gewesen. Viele von ihnen haben im Freiheitskampfe die Flinte geführt, aus ihren Reihen ist auch der angesehenste Führer der gegenwärtigen Erhebung hervorgegangen: Pappa Maleko, dessen Bildnis wir S. 217 bringen. Er ist oft über das Meer nach Athen gefahren, um den Kriegszug gegen die Türken zu predigen, er besorgte Wassereinkäufe und zog in den Kampf, die Flinte in der einen, das Kreuz in der anderen Hand. In das Lager von Platania strömten die Insurgenten herbei, setzten dort das griechische Käppi auf und rückten mit dem Obersten gegen kleinere türkische Festungen vor. Die Stunde der Vergeltung schien gekommen. Von dem Taumel des Uebermuts erfaßt, achteten die Aufständischen nicht auf die Warnungen der Admirale der fremden Kriegsschiffe, die vor Kanea lagen, und schickten sich selbst zum Sturm gegen die Stadt an, die von europäischen Marinesoldaten besetzt war und von deren Wällen die Flaggen der Großmächte neben der türkischen wehten. Da wurde ihnen durch den Mund der Kanonen der Wille Europas verkündet.

Dort aber, wohin die Geschütze der Kriegsschiffe nicht reichten, sah es auf Kreta traurig aus. Zwischen den Mohammedanern und den Christen entbrannte ein wahrer Vernichtungskampf. Vor den Hafenstädten Kandia und Retimo rötete sich der Himmel von der Lohe brennender Dörfer. Die untere Abbildung auf dieser Seite zeigt das dicht am Strande gelegene Retimo. Die Stadt wird von einer Festung, überragt die auf trotzigem Felsen erbaut ist. Als Vorlage zu dieser Abbildung sowie der des Klosters Gonia sind die stimmungsvollen Landschaften Joseph Wincklers in Elpis Melenas Werke „Erlebnisse auf Kreta“ benutzt worden.

Inzwischen wurde erfreulicherweise eine Einigung der Großmächte erzielt. Dieselben forderten Griechenland auf, seine Truppen aus Kreta und seine Kriegsschiffe aus den kretischen Gewässern zurückzuziehen und versprachen zugleich, der vielgeprüften Insel von der Türkei die Selbstverwaltung auszuwirken. Während wir diese Zeilen niederschreiben, dauern die diplomatischen Verhandlungen noch fort. Die Hoffnung ist nicht ausgeschlossen, daß Griechenland mit den Forderungen der Großmächte Europas einen Kompromiß schließen werde, ohne dieselben zu nötigen, Zwangsmaßregeln zu ergreifen. Alle Freunde des Friedens sind in diesem Wunsche einig.

Ob auch die Kreter sich mit der Entscheidung der Mächte zufrieden geben werden? Ihre Insel wird ja keine Provinz des griechischem Königreichs, aber sie wird trotzdem vom türkischen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_218.jpg&oldid=- (Version vom 10.11.2021)