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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Joche befreit. Eine weitgehende Autonomie ist dem Lande gesichert und somit sollte man hoffen dürfen, daß der Grund zu weiteren Aufständen beseitigt sei. Im Besitze der freien Selbstverwaltung, unter dem Schutze Europas, soll die Insel die Wohlthaten des Friedens genießen. Wenn aber eine wirkliche Wendung zum Besseren erzielt werden soll, muß der Kreter freilich auch an sich selber arbeiten. An Stelle des unauslöschlichen Hasses muß Nächstenliebe und Achtung des Nachbarn treten. Vom Türkenjoche wird der Kreter wohl befreit werden, aber wird er nicht auch dann noch unter dem Joche der Barbarei seufzen? In den Bergen herrscht noch die Sitte der Blutrache und fordert schreckliche Opfer, das Volk ist von düsterem Aberglauben befangen, nach seinen Vorstellungen treiben sich dort Menschen als Vampire umher und oft werden die vermeintlichen Zauberer und von bösen Geistern Besessenen unter schreckliche Qualen hingemordet. Das sind die inneren Feinde Kretas, die bezwungen werden müssen, wenn jemals wirklicher Friede auf dem Eilande herrschen soll. Gegen diese müssen jetzt die wahren Freunde der Inselbevölkerung helfen. – Gelingt es ihnen, Bildung zu verbreiten, Duldung in die Herzen zu pflanzen, die Sitten zu bessern, dann wird Kreta aufblühen. Heute erzeugt das Land wenig, Sphakia liefert vorzüglichen Käse, der als „die Blume des Käses weit und breit“ in der Levante bekannt ist, hier und dort wird vortreffliche Seide gebaut, der Hauptartikel ist das Olivenöl, aber es ist so schlecht, daß es zumeist zur Seifenfabrikation verwendet wird, auch der Wein wird so urwüchsig bereitet, daß er außerhalb des Landes kaum Abnehmer findet. Kreta, das früher viermal so viel Menschen ernährte, muß heute Getreide einführen.

Hoffen wir, daß nunmehr ein dauernder Friede hergestellt wird. Wenn dann der Kreter die Flinte beiseite legt, die neugewonnene Freiheit weise ausnutzt und fleißig hinter dem Pfluge einhergeht, so wird auch ihm aus dem verödeten Boden reichlich der Segen des Friedens emporsprießen.


Blätter und Blüten.

Feierabendhaus für Lehrerinnen in Wolfenbüttel. Die unserem Zeitalter zur hohen Ehre gereichende Fürsorge für das Alter der redlich Arbeitenden richtet neuerdings auch ihren Blick auf die Zukunft der Lehrerinnen und Erzieherinnen, die ihre ganze Lebenskraft dem Wohle des heranwachsenden Geschlechtes widmen. So lange diese jung und arbeitsfähig sind, erfreuen sie sich oft einer verhältnismäßig günstigen Lebenslage, aber es wird nur den wenigsten möglich sein, durch Sparen wirksam für ihr Alter zu sorgen. Die meisten sehen einer trüben, einsamen oder abhängigen Zukunft entgegen.

Aus diesen Erwägungen heraus hat man an verschiedenen Orten Lehrerinnen-Feierabendhäuser geplant und da und dort auch bereits ins Leben gerufen. Wir können hier kurz auf den Artikel „Vor der Berufswahl: die Lehrerin in Deutschland.“, der im Jahrgang 1895 der „Gartenlaube“, (Seite 58) erschien, verweisen. Eine vorbildliche Gründung dieser Art ist neuerdings in Wolfenbüttel entstanden, wo die Vorsteherin der Schloß-Anstalten zur Erziehung der weiblichen Jugend, Fräulein Anna Vorwerk, in rastloser Thätigkeit für ihre Lehrerinnen, die ihr in dem Erziehungswerk treu zur Seite stehen, ein Heim gegründet hat, in welchem diese in den Tagen des Alters ein freundliches, sorgenfreies Asyl haben.

Mit vereinten Kräften haben Vorsteherin und Lehrerinnen seit Jahren gearbeitet, um diesen Gedanken zu verwirklichen Durch mancherlei Veranstaltungen, z. B. die eines großartigen Bazars, einer Sommermesse und eines Wandelkonzertes, haben sie allmählich ein ausreichendes Kapital zusammengebracht, den Grund erworben und das Gebäude aufgeführt. Am 29. August 1896 endlich kamen in dem freundlichen, altertümlichen Wolfenbüttel alle Teilnehmenden zur Feier der Bauvollendung, der Einfügung des Schlußsteines zusammen, und vor den Blicken einer zahlreiche Versammlung stand das Feierabendhaus für Lehrerinnen fix und fertig da.

In schöner, gesunder Lage erhebt sich in einer Villenstraße ein hübscher Bau im Schweizerstil, mit großen Fenstern, einer verdeckten und einer offenen Veranda, umgeben von hübsch angelegtem Garten, der von dem kleinen Fluß, der Oker, begrenzt wird. Alle Fenster haben freie Aussicht auf Wiesen und Wald oder auf die Türme des freundlichen Städtchens.

Achtzehn hübsch ausgestattete Zimmer mit hellen, lustigen Schlaf-Kabinetten, die durch eine Schiebthür mit jenen verbunden sind, stehen für die künftigen Insassinnen bereit. Ein gediegen eingerichteter Eßsaal und ein behagliches Wohnzimmer sollen alle Bewohnerinnen zu gemeinsamen Mahlzeiten und nach Wunsch zu geselligem Verkehr vereinen. Die Korridore des Hauses sind breit und schön, hell und freundlich, so daß sie bei schlechtem Wetter zu einer Art Wandelbahn dienen können.

Ein praktisch eingerichtetes Badezimmer, die Einrichtung der Wirtschaftsräume im Kellergeschoß und die Ausnutzung des Bodens zu Gelassen für jede Bewohnerin erhöhen die Annehmlichkeit des Aufenthaltes.

Ein Lieblingsgedanke der Gründerin des Stiftes ist es, solche Lehrerinnen und Erzieherinnen, die während der Ferien eine gründliche Erholung und Ausspannung nötig haben, aber vielleicht nicht genügende Mittel zu einer Badereise oder einer Sommerfrische besitzen, einen vorübergehenden, ruhigen und behaglichen Aufenthalt unter sehr mäßigen Bedingungen zu bieten. Zu diesem Zwecke weist das Haus 5 gemütlich eingerichtete Fremdenzimmer auf.

Da wohl noch eine längere Zeit vergehe dürfte, ehe das Stift seiner Bestimmung gemäß, ganz von den Damen bewohnt sein wird, die von den Mühen ihres Berufslebens ausruhen wollen, so ist das untere Stockwerk vorläufig an die Wolfenbütteler Kochschule vermietet, welche einstweilen für das leibliche Wohl der Insassinnen sorgt.

Der jährliche Pensionspreis für Wohnung, Kost, Licht, Feuerung, Bedienung und Arzt ist auf 360 Mark festgesetzt. Beim Eintritt ins Haus wird die einmalige Zahlung von 300 Mark gefordert, einer Summe, die an das Haus fällt und nicht zurückgezahlt werden kann. Bevorzugt werden bei der Besetzung der Stelle immer solche Damen, die am längsten dem Feierabendverbande angehören und diese Zugehörigkeit sich durch einen jährlichen Beitrag von 3 Mark erworben haben. Die Summe ist so niedrig gestellt, damit auch denen, die mit Not und Sorge kämpfen und zu einer größeren jährliche Zahlung sich nicht verpflichten können, die Möglichkeit haben, durch Eintritt in den Verband sich die Anwartschaft auf ein späteres Unterkommen zu sichern.

Da natürlich eine so junge Gründung, die ausschließlich durch Liebesgaben zustande gekommen ist, nicht ganz ohne die Teilnahme und die Beihilfe von mit Glücksgütern gesegneten Freunden bestehen kann, so ist es sehr wünschenswert, daß die Zahl der außerordentlichen Mitglieder, die auch einen jährliche Beitrag von 3 Mark oder einen einmaligen von 50 Mark zahlen, noch möglichst wächst.

Möchten diese Zeilen dazu beitragen, dem Feierabendhause in Wolfenbüttel Freunde zu verschaffen, und möchte ein Haus, das nur aus warmer Menschlichkeit gegründet wurde, ein wahrer Hort des Friedens und des Behagens werden für diejenigen, die ihre volle Lebenskraft dem schweren Werk der Heranbildung der Jugend gewidmet haben! E. M.

Die Gruppe Markgraf Ottos I. für die Siegesallee in Berlin. (Zu dem Bilde S. 201). Im Berliner Tiergarten erwacht der Frühling, und die Spaziergänger, welche das milde Lenzwetter ins Freie lockt, betrachten neugierig die ersten Arbeiten, welche für die Standbilder der brandenburgischen Fürsten in der Siegesallee schon fertig gestellt sind. In Abständen von je 36 Metern sind längs der Straße einige von den halbkreisförmigen Taxushecken angepflanzt worden, welche den Hintergrund bilden sollen für die 32 Denkmäler, die der Kaiser zu seinem sechsunddreißigsten Geburtstag seiner Haupt- und Residenzstadt zum Geschenk gemacht hat. Die Statuen Albrechts des Bären von Schott und seines Sohnes Otto I. von Unger gehen ihrer Vollendung entgegen, so daß man hofft, sie schon in diesem Herbst ausstellen zu können.

Albrecht der Bär und sein ältester Sohn Otto entstammten dem askanischen Grafengeschlechte, das in Ballenstedt residierte. Albrecht der Bär wußte das Gebiet der Ostmark, das er im Jahre 1125 vom Kaiser Lothar II. als Lehn erhielt, durch Eroberungen zu vergrößern. Andrerseits schloß er Freundschaft mit dem Slavenfürsten Pribislaw, der dem Sohne Albrechts die Landschaft Zauche übergab und ihn zu seinem Erben einsetzte. Markgraf Otto I. regierte vom Jahre 1170 bis 1184 und vergrößerte seine Herrschaft durch die Eroberung der Landschaften Glin und Löwenberg; er gründete auch das berühmte Kloster Lehnin das in der „Gartenlaube“ (vgl. Jahrg. 1882, S.129) in Wort und Bild geschildert wurde.

Unsere heutige Abbildung auf S. 201, die unten links mit dem askanischen und rechts mit dem Wappen von Berlin geschmückt ist, stellt die Hauptpersonen aus dem von Professor Max Unger komponierten Markgraf-Otto-Denkmal dar. In der Mitte sehen wir die Gestalt des Markgrafen, die der Künstler nach seiner Phantasie schaffen mußte, da porträtähnliche Bildnisse des Verherrlichten nicht bekannt sind. Unger hat Otto I. als jugendliche Siegfriedsgestalt aufgefaßt. Das bartlose Gesicht ist von dem langen Gelock des germanischen Edlen, der im 12. Jahrhundert noch kein Schermesser an sein Haupt kommen ließ, umwallt. Die Augen blicken mild und hoheitsvoll zugleich ins Weite. Ueber dem Kettenpanzer, der Oberkörper und Beine bedeckt, trägt der Askanier einen wallenden Mantel, den die Linke an der Hüfte zusammenrafft. Die Rechte stützt sich auf das gewaltige, mit dem ledernen Gehenk umwickelte Schwert. Den Schild, der mit einem alten brandenburgischen Wappen geschmückt ist, hat der Herrscher auf den Rücken geworfen, das Hifthorn an der Seite deutet auf die Neigung des Jägers hin. Unten am Standbild ist der Stumpf einer alten Eiche. Es ist eine Wiedergabe eines Baumstumpfes, der noch heutigentags im Kloster Lehnin gezeigt wird und von dem die Sage berichtet, daß er die Stelle bezeichnet, wo dereinst Otto einen lebensgefährlichen Kampf mit einem Elch glücklich bestanden hat. Aus Dankbarkeit für die Errettung aus der Not soll der Markgraf das Kloster gestiftet haben. Die beide Reliefs, welche den Sockel des Denkmals zieren werden, beziehen sich auf diese Ueberlieferung. Das eine zeigt den Fürsten im Kampf mit dem wütenden Tier, das andere eine Ansicht des Klosters. Die Höhe des ganzen Werkes beträgt 2,53 m. Um das Denkmal innerhalb der Taxushecke zieht sich eine Marmorbank, aus der zwei Hermen hervorragen. Sie stellen zwei bedeutende Männer aus der Regierungszeit Ottos dar, den Abt Sibold

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_219.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)