Seite:Die Gartenlaube (1897) 220.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

von Lehnin (auf unserm Bilde rechts dargestellt) und den Herzog Pribislaw. Diesem hat der Künstler den echten Sarmatentypus verliehen, unter der Pelzmütze quellen die zu Flechten gewundenen Haare hervor, die Brust deckt über dem Panzer ein Fellmantel, aus dem die nackten, muskulösen Arme hervorschauen. Im Gegensatz zu dem kriegerischen Wenden blickt der Prälat mit vollem runden Gesicht behäbig in die Welt. Die Architektur des Denkmals zeigt romanische Formen. Die Hauptstatue wird soeben in ganz weißem carrarischen Marmor zweiter Ordnung, sogen. Ravaccione hergestellt, während für die Bank gestreckter Marmor zur Verwendung gelangt. Man hofft, daß die Güte des gewählten Materials die Unbilden des nordischen Winters gut überstehen wird. Den Fußboden wird ein in schwarz und weiß einfach gehaltenes Mosaik bedecken.

Der Schöpfer des ebenso schönen wie charakteristischen Kunstwerkes ist mit seinen 43 Jahren heute ein Mann von bester Schaffenskraft. Er ging als Schüler aus der Berliner Kunstakademie hervor, 1882/84 machte er eine Studienreise nach Rom, der die Gruppe „Der Fischer“ nach Goethes Gedicht ihre Entstehung verdankt. Dann beteiligte er sich an der Konkurrenz für das Lutherdenkmal in Berlin und an dem Preisausschreiben für ein Friedrich-Karl-Denkmal in Frankfurt a. O. Hier erhielt er nicht nur den Preis und die Ausführung des Werkes, sondern seine Arbeit brachte ihm auch auf der großen Berliner Kunst-Ausstellung des Jahres 1888 die kleine goldene Medaille. Eine Studienarbeit „Europa auf dem Stier,“ die er dann vollendete, steht heute noch als Modell, trübselig verhängt, im Atelier. „Sie teilt das Schicksal fast aller Studienarbeiten“, sagt der Meister nicht ohne Bitterkeit, „sie wurde nie ausgeführt. Eine gewisse Genugthuung für den Künstler war es jedoch, daß ihm in der Konkurrenz die Statue des Markgrafen Waldemar von Brandenburg übertragen wurde, die heute auf der Fischerbrücke in Berlin ihren Platz gefunden hat. Auch das Bismarckdenkmal zu Forst ist von seiner Hand und bei der Ausschmückung des Weißen Saales im königl. Schloß zu Berlin ist er durch eine Statue Friedrich Wilhelms IV. von Preußen beteiligt.

Das Palmstocksuchen im Westfälischen.
Nach einer Originalzeichnung von Fritz Bergen.

Westfälischer Volksbrauch am Palmsonntage. (Mit Abbildung.) In jener äußersten Ecke des westfälischen Münsterlandes, deren Mittelpunkt die industriereiche Stadt Bocholt (Buchholz) ist, hat sich noch eine uralte Sitte in die Gegenwart herübergerettet, welche an die vorchristliche Zeit erinnert: das Palmstocksuchen. Der „Palmstock“ ist die von der Rinde befreite weiß geschälte Krone eines jungen Kieferbaumes. Die Enden der einzelnen Zweige werden mit „Palmvögelchen“, d. h. kleinen, aus Kuchenteig geformten, Vogelgestalten, verziert, während die Spitze von einer großen Brezel, dem „Krekeling“, oder von einem Apfel, einer Orange gekrönt wird. Ketten von gebackenem Obst oder Zuckerzeug vervollständigen die Aufstauung des Palmstockes.

Am Palmsonntagmorgen gilt es nun für die Kinder, den in irgend einem Winkel des Hauses versteckten Palmstock zu suchen. Ist er gefunden, so wird er im Triumphe hinausgetragen auf die Straßen. „Palmsonntag!“ rufen die Kleinen, mit ihrem Schatz prunkend und frohlockend, aus, nicht ohne den Neid anderer mit weniger schönen Palmstöcken versehenen Spielkameraden zu erwecken. Zu Haus wird dann der Schmuck des Palmstockes fröhlich verschmaust.

Man hat es hier offenbar mit einem Stück altgermanischer Frühlingsfeier zu thun. Die Vögel als symbolische Bringer des Lenzes lassen darüber fast keinen Zweifel. R. B.     

Das billigste Licht. Bei der Schnelligkeit, mit der in den letzten zehn Jahren auf dem Felde der Beleuchtung eine Erfindung die andere gejagt hat, ist es wohl wert, einmal zu untersuchen, welche unter den vielen heute gebrauchten Lichtarten die vorteilhafteste ist. Das Gegenteil, die kostspieligste Beleuchtungsmethode, ist schnell gefunden, es ist natürlich die Kerzenbeleuchtung. Sie kostet, in einer Lichtstärke von 100 Kerzen eine Stunde lang unterhalten, mindestens 1 Mark 30 Pf, bei den meisten Kerzensorten noch mehr. Ihr ist als das unbedingt billigste Licht die elektrische Bogenlampe entgegenzuhalten, die für die Stunde und 100 Kerzen Leuchtkraft nur 3 Pfennig kostet. Zwischen diesen Extremen aber stuft sich die Reihe der Beleuchtungsmittel ebenso allmählich wie interessant ab. Sehen wir von der fast ungebräuchlichen Kerzenbeleuchtung ganz ab, so wird sich am teuersten das elektrische Glühlicht stellen, da es durchschnittlich 22 Pfennige für die Stunde und 100 Kerzen kostet. Das in der letzten Zeit soviel umstrittene Acetylenlicht ist bis jetzt beinahe ebenso kostspielig, mit 20 Pfennig für dieselbe Lichtmenge. Das Gaslicht hängt in seiner Helligkeit ganz von den Brennern ob, in denen es verbrannt wird, und kostet bei dem in Berlin üblichen Gaspreise 15 bis 20 Pfennig für die Stunde mit 100 Kerzen, in Auerbrennern ist es, wie wir später sehen werden, unverhältnismäßig billiger. Bedeutend wohlfeiler stellt sich, wie jeder weiß, der beides ausprobiert hat, die Petroleumbeleuchtung, die bei der Anwendung guter Lampen nur 8 bis 9 Pfennig für die vorbezeichnete Lichtmenge kostet. Das neuerdings erfundene Spiritusglühlicht ist noch billiger, es dürfte sich auf 1 Pfennig stellen, und ungefähr ebenso hoch kommt die Anwendung der neuen Benzinlampe mit Glühstrumpf zu stehen. Das Dürrlicht, eine Art der Petroleumbeleuchtung, bei der das Erdöl durch Auftropfen auf eine glühende Platte vergast und alsdann ohne Brenner in einer hohen weißen Stichflamme verbrannt wird, stellt sich nur auf 5 Pfennig in dem gleichen Verhältnis. Es wird bei nächtlichen Arbeiten im Freien oft in Anwendung gebracht. Uebertroffen wird es sowohl an Billigkeit wie sonstigen Vorzügen durch das Gasglühlicht, welches die Kosten der Gasbeleuchtung auf den vierten bis fünften Teil ihrer früheren Höhe reduziert hat. Es kostet nur 4 Pfennig für eine Stunde und 100 Kerzen und ist unbestritten seit der elektrischen Bogenlampe die größte Erfindung der Beleuchtungsbranche. Das billigste aller Leuchtmittel ist endlich, wie schon erwähnt, das elektrische Bogenlicht – wer’s noch wohlfeiler haben will, muß sich schon an die liebe Sonne wenden, die ihr Licht seit Jahrmillionen umsonst scheinen läßt, über Gerechte und Ungerechte. Bw.     

Schlimme Gäste. (Zu dem Bilde S. 204 und 205). Heiliger Franziskus, er trinkt ihn wahrhaftig aus! Auf einen Schluck den ganzen Krug, den der Pater Kellermeister bestimmte, als Schluß des Gelages die saubere Gesellschaft zufrieden zu stellen, damit sie dann um ein Haus weiter zögen und die guten Patres nicht länger molestierten! Und nun solch’ eine Völlerei! Der Junge – es ist leider der Sohn des gräflichen Klosterpatrons – gießt alles allein hinunter, der alte Schnapphahn, sein Meister in allen bösen Streichen, klopft höhnisch das leere Krüglein aus und der dicke Nimmersatt daneben will sich ausschütten vor Lachen über die Entrüstung der armen Mönche. Daß diese einen sehr gerechten Grund hat, zeigt die fragwürdige Haltung des vierten Gesellen, welche in ihrer zitterigen Anlehnung an feste Stützpunkte von einer stark verlängerten Sitzung Zeugnis ablegt. Armer Pater Kellermeister! Er, sowie der empört über die Treppe herablugende Prior wären sehr froh, wenn diese Rotte Korah nur erst von dannen führe, das Kloster und sein Getränke denjenigen überlassen, welche einen guten Tropfen mit der gehörigen Mäßigung zu genießen wissen.

So erzählt uns Meister Grützner, der schalkhafte Maler klösterlicher Kellerfreuden und –leiden, welcher in diesem Bild das bekannte Thema von einer neuen Seite faßt und ergötzlich genug darstellt. Bn.     


☛      Hierzu Kunstbeilage VII: „Die kleine Dame.“ Von E. Scannal.

Inhalt: Trotzige Herzen. Roman von W. Heimburg (12. Fortsetzung). S. 201. – Die Gruppe Markgraf Ottos I. für die Siegesallee in Berlin. Bild. S. 201. – Schlimme Gäste. Bild. S. 204 und 205. – Die Wiederbelebung Händelscher Tonwerke. Von Johannes Kleinpaul. Mit den Bildnissen von Friedrich Chrysander und Hermann Kretzschmar. S. 207. – Ertappt. Skizze aus Tirol von Karl Wolf-Meran. S. 208. (Mit dem Bilde S. 209.) – Pflanzen und Ameisen. Von Dr. P. Taubert. S. 210. (Mit ABbildungen S. 211.) – Der Aktiengarten. Von Isolde Kurz. S. 212. – Die Wirren auf Kreta. Von C. Falkenhorst. S. 216. (Mit Abbildungen S. 213, 216, 217 und 218.) – Blätter und Blüten: Das Feierabendhaus für Lehrerinnen in Wolfenbüttel. S. 219. – Die Gruppe Markgraf Ottos I. für die Siegesallee in Berlin. S. 219. (Zu dem Bilde S. 201.) – Westfälischer Volksbrauch am Palmsonntage. Mit Abbildung. S. 220. – Das billigste Licht. S. 220. – Schlimme Gäste. S. 220. (Zu dem Bilde S. 204 und 205.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_220.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)