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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Gevatterschaften hatten auch kirchenrechtlich bedenkliche Folgen, die Taufzeugen traten mit dem Patenkinde in geistliche Verwandtschaft, die nach dem Gesetz der Kirche das selbe Ehehindernis bildete wie die Blutsverwandtschaft. Und so war dem Täufling, wenn er herangewachsen war und sich eine Gattin suchen wollte, oft fast der ganze Kreis der Freundschaft verschlossen oder aber es mußte ein ausdrücklicher kirchlicher Dispens nachgesucht werden.

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Bei der Taufe in der Kirche.

Das Eifern Bruder Bertholds gegen die vielen Taufzeugen war – wie gewöhnlich, darf man sagen – ohne Erfolg, im 16. Jahrhundert ward der Luxus in dieser Beziehung noch viel weiter getrieben. Fürstliche Herren gingen selbst mit schlechtem Beispiele voran, indem sie sich sogar nicht bloß auf Personen beschränkten, sondern auch Stände und Städte zu Gevattern gewannen. Goldene Geschirre, manchmal mit Goldgulden gefüllt, waren häufig die Patengeschenke reicher und vornehmer Gevattern. Hans von Schweinichen bat zu der Taufe seines Erstgeborenen den Herzog Heinrich von Liegnitz und noch 21 Herren, meist Adelige, sowie 8 Frauen zu Gevatter. An Patengeld erhielt er vom Fürsten einen Ring im Werte von 21 Thalern und sonst 42 Thaler 18 Weißgroschen. Die Taufe währte „bloß“ acht Tage und kostete 103 Thaler. Selbstverständlich wurde dabei gehörig gegessen und noch viel mehr getrunken. „Mit solchen Taufen“, berichtet Hans von Schweinichen selbstbewußt, „machte ich mir einen großen Namen im Lande.“ Die Taufe einer Tochter Schweinichens ein Jahr vorher hatte nur drei Tage gedauert; an Patengeld hatte der Vater 42 Thaler eingenommen, die Unkosten bezifferten sich auf 88 Thaler. Man muß bei diesen Zahlen sich des so ganz andern Wertes von einem Thaler erinnern.

Außer der Geistlichkeit traten auch die weltlichen Obrigkeiten gegen den zu großen Prunk und die Schwelgereien bei den Kindtaufen auf. Eine Nürnberger Taufordnung des 15. Jahrhunderts verbot, die Kinder in einem seidenen oder mit Seide, Gold, Silber und Perlen geschmückten Tuche zur Taufe zu tragen; es waren, wie in München, nur 12 Begleiterinnen gestattet, in Rothenburg o.d.Tauber nur zwei. Die Nürnberger waren in dieser Beziehung überhaupt sehr streng. Sie gestatteten schon im 14. Jahrhundert nur einen einzigen Gevatter, setzten die Zahl der Leute, welche der Kindtaufe beiwohnen durften, auf 8 außer dem Paten fest und bestimmten etwa 100 Jahre später, daß das Patengeschenk den Betrag von 32 Pfennig (nach dem heutigen Gelde ungefähr 12 Mark) nicht überschreiten dürfe. Ursprünglich bestand das Patengeschenk aus einem oder mehreren Geldstücken, einem kostbaren Rosenkranz, einem goldenen Ring, einem silbernen Medaillon mit Heiligenbildchen, die in einem Beutelchen dem Kinde in das Wickelband gesteckt oder, wie man sagte, eingebunden wurden. Von dieser Sitte stammt auch das „Anbinden“ an den Geburtstagen und der heutige Ausdruck „Angebinde“ her. Besonders beliebt waren silberne und vergoldete Medaillen mit einer Darstellung aus der heiligen Geschichte oder mit allegorischen Figuren auf der Vorderseite, während die Rückseite meist eine gravierte Widmung, den Namen des Spenders und des Täuflings, die Wappen der Familien und die Jahreszahl trug. Taufordnungen wurden auch in anderen Städten und Ländern erlassen, aber alle waren nur dazu da, um übertreten zu werden, und zwar manchmal gleich in ganz großartigem Maßstabe. Als z. B. der Frankfurter Prädikant Algesheimer 1527 Kindtaufe hielt, waren in seinem Hause zwölf Tafeln mit Gästen besetzt, und noch viele andere Leute würden teilgenommen haben, wenn noch mehr Platz vorhanden gewesen wäre.

Nicht lange dauert es, so rutscht das Kleine auf dem Boden herum und versucht sich an den Möbeln aufzurichten. Im Gehstühlchen, mit einer Fallkappe versehen, macht es seine ersten Schritte, wird durch Geschenke ermuntert, einige Schritte allein zu wagen, und lernt so das Gehen. Gleichzeitig regen sich die ersten Versuche des Kindes, zu plaudern. Fischart sagt dies ganz reizend in seiner Christlichen Kinderzucht:

„Dann was ist lieblichers zu hören,
Als wenn die Kinder reden leren?
Wanns herauslispeln bald die red
und rufen: Abba, Vater, Ett,
Rufen der Mutter: Mamm und Ammen,
Geben nach irer Notturft Namen,
brauchen den ererbt Adamsgwalt,
der jedem Geschöpf ein nam gab bald.
Wie ist ihm zuzusehen wol
Wanns wanken wie ein Wasserpfol
und so halslemig[1] ungewis tasten,
Und wie ein Engelchen erglasten?
Solch Freundlichkeit und lieblich Sitten,
Sollten die Aeltern und ein ieden
Reizen, daß sie deß lieber mehr
Mit Kinderzucht umgiengen sehr.“

Die Freude an den Kindern teilten mit den Eltern die Großeltern. Hermann Weinsberg von Köln berichtet, daß ihm seine Ahnfrau zum Neujahr 1827, als er noch nicht 3 Jahre alt gewesen, einen blauen Rock gegeben, der vorn mit silbernen Knöpfen geschmückt war. Das hatte ihn wohl gezieret, so daß seine Mutter ihre Freude und Lust an dem Kinde hatte, denn es war „völlig von Leib“ und hatte gelbes Haar, was ihm wohl stand. Herr Michel Behaim in Nürnberg schreibt seinem Sohne Friedrich. „Schreib am negsten der Anfrau auch ein clein Brieflein, wirt ir gar sanft thun, den sie hat dich lieb.“

Natürlich gab es auch böse und wilde Kinder, die den Eltern Sorge machten. Da trat dann die Rute in ihr Recht, mit welcher der hoffnungsvolle Sprößling geziemend gestraft wurde. Schon Berthold von Regensburg spricht sich dafür aus, daß „allezeit ein kleines Rütelein zur Hand sein solle, sobald das Kind ein böses Wort spreche, solle es damit Schläge auf die bloße Haut bekommen, auf den bloßen Kopf aber solle man es auch mit der Hand nicht schlagen, „denn man könnte es zu einem Thoren machen“. Auch andere halten die Rute für ein unentbehrliches Erziehungsmittel. So

  1. mit dem Kopfe wackelnd, als wenn der Hals gelähmt wäre.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_235.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)