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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Schußbereich vorüberziehende Schnepfe heranzulocken – sie werfen den Hut oder einen Handschuh in die Luft, und wenn der getäuschte Langschnabel in heißem Eifer herbeischwenkt, bekommt erstatt süßer Minne eine Ladung Schrot zu kosten. Aber auch der Jäger selbst ist auf dem Schnepfenstrich vor Täuschungen nicht sicher – er sieht im Feuer die „Schnepfe“ fallen, Mylord aber bringt ihm einen Sperber apportiert oder hebt im Dickicht ein greuliches Gewinsel und Heulen an, und wenn der Jäger in Verblüffung hinzuspringt, findet er statt der Schnepfe eine große Fledermaus, die sich Mylord verzeihlicherweise zu apportieren, weigert.

Die beste Strichzeit dauert immer nur wenige Tage. Aber die Jagd auf Einzelne Nachzügler hält den eifrigen Jäger noch bis in die Mitte April auf den Beinen. Ueberhauchen sich aber die Birkenwipfel mit lichtem Grün, singt in den knospenden Buchenbüschen das kleine Schwarzplättchen seine stille, zierliche Weise, blühen auf den smaragdenen Wiesen die goldgelben Butterblumen und zwitschert die nestbauende Schwalbe auf den Dächern des Dorfes, so hat’s ein Ende mit der Schnepfenfreude. Dann heißt es: „Hahn in Ruh’!“ und Schonung für die brütenden Langschnäbel – und der Jäger, der sich nicht den gefürchteten „Heringskopf“ verdiente, mag ohne Kümmernis das alte Liedlein summen:

 „Palmarum,
 Tralarum!“

Ludwig Ganghofer.     

Im goldenen Antipodenlande.

Bearbeitet nach Vorträgen des Oberbergrats Schmeißer.
Mit Illustrationen von Albert Richter nach photographischen Aufnahmen.

Wer als Tourist an den Küsten Australiens landet, der wird nach langer Meerfahrt mit Entzücken die Städte des jüngsten Kontinents in prächtigen Panoramen sich entfalten sehen. Das liebliche Adelaide, dessen Landhäuser an den waldigen Hängen des Mount Lofty emporsteigen bis zum sanft sich rundenden Gipfel, den ein im normannischen Stil erbauter Sommerpalast des Gouverneurs krönt, das reiche Melbourne mit seinen prachtvollen öffentlichen Bauten und dem reizvollen Villenkranz im Grün und Duft exotischer Gewächse, und die Krone aller, das unvergleichliche Sydney mit seinem wundervollen Hafen, besät mit Inseln, zerspalten in Baien und Buchten und überragt von den steil aus dem schmalen Küstensaum emporragenden Blauen Bergen, sie alle bieten in ihren landschaftlichen Schönheiten Bilder, denen sich wenige vergleichen lassen. Wer nicht über diese Metropolen und deren nächstes Hinterland hinausdringt, verläßt den fünften Weltteil wohl in dem Gefühl, eins der lieblichsten Länder unseres Erdballs geschaut zu haben.

Aber wie hinter dem fruchtbaren Nordrande Afrikas die öde Sahara sich breitet, wie in das üppige Nilthal die furchtbare Libysche Wüste hineinstarrt, so treten wir auch in Australien, sobald wir über den schönen Küstensaum hinausgehen, sehr bald in weites, reizloses Präriegebiet, das, je weiter wir westwärts vordringen, desto mehr in trostlose Wüste übergeht. Nahezu die Hälfte dieses Kontinentes gehört dieser traurigen Landgestaltung an. Endlos breiten sich Flächen aus, bedeckt mit widerwärtigem Stachelgras oder mit bald lichtem, bald undurchdringlichem Buschwald, aus dem nackt und öde mächtige Granitkuppen aufragen. Weither schimmern riesige Salzsümpfe und zaubern durch die Fata morgana das Trugbild eines schönen Sees vor, dessen unter den Schwingungen der überhitzten Luft in Wellen sich kräuselnde Fluten dem verschmachtenden Wanderer ersehnte Labung verheißen. Inseln steigen im See empor, an dessen gegenüberliegendem Ufer schwanke Bäume im Wasser sich spiegeln. Aber ach! Das Trugbild weicht, sobald man sich ihm naht. Verbleichende Gebeine mahnen den Irrenden wohl an das Ende, das ein ebenso Getäuschter hier gefunden und das auch ihm erbarmungslos droht.

Doch hat es die Vorsehung so gefügt, daß gerade in solchen Einöden oft die reichsten Schätze schlummern. Welche ungeheuren Werte an Gold und Silber hat nicht das wüste Innere Nordamerikas, welche Reichtümer an Salpeter und Guano nicht die pazifische Küste Südamerikas dem alten Europa zugeführt! Und diese Zufuhr dauert fort bis auf den heutigen Tag. Der Salzvorrat gewisser Punkte der Sahara ist eine seit Jahrhunderten fließende Quelle des Wohlstandes für die dortige Bevölkerung. Mit seinen jüngst erschlossenen Goldschätzen reiht sich das bis vor kurzem bei uns kaum genannte Westaustralien diesen reichen Wüstengebieten würdig an.

Gold wird im fünften Weltteil ja bereits seit nahezu fünfzig Jahren gefunden. Kaum hatte der goldene Strom Kaliforniens begonnen, durch die Felsengebirge in breitem Bett über das erschöpfte Europa sich zu ergießen, da wurden schon bei unseren kaum beachteten Antipoden nicht minder reiche Quellen erschlossen. Ja, so reich und so weit verbreitet waren die Funde, daß eine wahre Völkerwanderung dem gelobten Lande zuströmte. Die Mühsale einer Reise, die unter vielen Fährlichkeiten und Entbehrungen meist vier Monate dauerte, konnte die auf schnellen Reichtum Hoffenden nicht zurückschrecken. Ueberall bekannt war ja die Kunde, von den an das Märchenhafte grenzenden Funden massiger Goldklumpen, deren größter für nahezu 200 000 Mark verkauft wurde – eine Nachbildung dieses sehr passend „Willkommener Fremdling“ getauften „Nuggets“ ist im Verein mit mehreren gleichartigen Genossen im Britischen Museum zu London zu sehen, und auch die im regelmäßigen Betriebe leicht gewonnenen Erträge waren so gewaltig, daß sie in dem ersten Jahre allein in der Kolonie Victoria einen Wert von 252 Millionen Mark erheblich überstiegen! Zu gleicher Zeit wurden bedeutende Funde in dem benachbarten Neusüdwales gemacht, die später von dem nördlicheren Queensland weit überholt wurden. Dann reihten Tasmanien und Neuseeland mit reichen Erträgen sich an, während die Ergebnisse der Nachforschungen in Südaustralien unbedeutend und in dem armen Westaustralien ganz erfolglos blieben.

Ein Wassertransport.

Mit dem Versagen der Goldgräbereien in den weicheren Schichten der oberen Erdkrume, mit der Notwendigkeit, durch hartes Gestein in große Tiefen hinabzusteigen und an die Stelle der primitiven Schüssel und „Wiege“ zum Waschen der goldhaltigen Erde kostspielige Quarzmühlen und Scheideappatate treten zu lassen, begann für die australische Goldgewinnung die Periode

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_248.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)