Seite:Die Gartenlaube (1897) 286.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Einige Arten von kleinen Haifischen balgen sich um ihr Futter, während im hintersten Winkel des Bassins ein mächtiger Zitterrochen (Torpedo) bereit ist, seine elektrischen Schläge auszuteilen. Nebenan sehen wir eine wohlschmeckende Gesellschaft versammelt, den kostbaren Branzin (Labrax lupus, Seebarsch), die Dorade, und mit ihnen die buntesten Prachtfische der umgebenden Meere, den Pfauenfisch und viele andere. Vor allem aber pflegen sich die Besucher der Station vor dem folgenden Becken zu versammeln, in welchem wir ein dichtes Gewimmel von Seepferdchen und Seenadeln erblicken. Diese Lieblinge des Publikums verdienen diese Bevorzugung wohl durch ihre phantastischen und doch so zierlichen Formen, ihre geringe Intelligenz und Trägheit läßt sie aber mit der Zeit höchst uninteressant erscheinen. Gerade von diesen Geschöpfen werden große Mengen gefangen und in den Cementbecken an das Leben in der Gefangenschaft gewöhnt. Viele Exemplare gehen natürlich in kurzer Zeit zu Grunde, aber die Ueberlebenden berechtigen zur Annahme, daß sie recht lange in Berlin das großstädtische Publikum durch die Eleganz ihrer Formen und Bewegungen erfreuen werden.

Wir treten zu dem nächsten Becken; aber erschreckt fahren wir zurück bei dem Aufruhr, den unser Anblick dort hervorruft. Unter lautem Rauschen des Wassers flieht etwa ein Dutzend großer, hellfarbiger Geschöpfe in den hintersten Winkel des Aquariums. Wenn wir uns ruhig verhalten, nähern sich die erschreckten Tiere langsam, und wir erkennen Tintenfische, welche uns mit ihren großen Augen seltsam anstarren; dabei bewegen sie die langen Arme mit den Saugnäpfen langsam hin und her, kurz es sind ganz unheimliche Gestalten. Die Arten der Gattungen Sepia, Sepiola, Loligo, Elydone und Octopus gehören aber zu den interessantesten Bewohnern der Aquarien, soweit sie in denselben fortkommen.

Weiter können wir in einem Becken die großen Krabben oder Seespinnen bewundern; diese Granzi oder Granzevoli, wie sie die Bevölkerung nennt (Maja squinado ist der wissenschaftliche Name), bilden einen wichtigen Bestandteil der Volksnahrung dieser Küsten. Ja, man kann sie die Nationalfastenspeise der Istrianer nennen. Arme wie Reiche genießen mit gleicher Vorliebe diese Geschöpfe in der verschiedenartigsten Zubereitung, am liebsten auf glühenden Kohlen in der Schale geröstet. Das Fleisch besitzt einen ähnlichen Geschmack wie das des Hummers, ist aber zäher und trockener.

Im Inneren des Aquariums.

Wenn wir uns nun weiter im Raume umsehen, so erblicken wir in zahlreichen Glasgefäßen und kleineren Aquarien die zierlichsten und zartesten Geschöpfe des Meeres. Hier sehen wir hauptsächlich das Material vereinigt, welches die in der Station anwesenden Forscher bearbeiten. Zarte Quallen schweben im klaren Wasser, Seerosen und Seeanemonen breiten ihre feinen Tentakelkränze aus, in den unglaublichsten Formen und Farben prangen Ringel- und Schnurwürmer. In anderen Gefäßen harren in buntem Gewimmel die durchsichtigen, formenreichen Bewohner der Oberfläche, das frischgefangene „Plankton“, des Beobachters. Der Leser wird schon ermüden, und noch habe ich nichts gesagt von Seescheiden, Schwämmen, Seeigeln, Holothurien und vielem anderen; alle diese Herrlichkeiten entzücken den Besucher, besonders den Laien und Anfänger. Eines von diesen Rovigneser Meeresprodukten verdient jedoch besondere Hervorhebung hier: die zusammengesetzten Ascidien (Seescheiden). Diese eigenartigen Tiere bilden den auffallendsten Bestandteil der Grundfauna der Bucht von Rovigno. Sie haben als solche auch schon eine besondere Bearbeitung erfahren. In Form von Krusten überziehen dieselben gewöhnlich Steine, Pfähle, Panzer und Schalen toter oder selbst lebender Organismen und bieten dabei die überraschendsten Formen und die strahlendsten Farben, unter welch letzteren Grellrot und Orange die Hauptrolle spielen.

Einen Blick in diesen Aquarienraum gewährt uns die untenstehende Illustration. Im Vordergrunde sehen wir die Gestelle mit den Glasaquarien, dahinter nach rechts zu die Treppe der kleinen Becken. Hinter diesen wiederum ziehen sich die großen Cementbassins an der Wand entlang. Ueberall sehen wir die Röhren der Meerwasserleitung mit ihren zahlreichen Hähnen den Raum durchziehen.

Wenden wir uns jetzt wieder zur Besichtigung des Gebäudes der Station! Herr Kossel, der eifrige Kustos und der Vertreter des Direktors des Berliner Aquariums, des Herrn Dr. Hermes, der uns schon in dem Aquarienraum mit vielen Erklärungen über das Vorkommen und das Leben der Tiere erfreut hat, führt uns jetzt in den zweiten Raum des Erdgeschosses, in sein eigenes Laboratorium. Dies ist der Raum, in welchem er Tiere für zoologische Institute und Sammlungen konservieren kann; hier werden die Chemikalien, welche er und die anwesenden Gelehrten brauchen, aufbewahrt. Hier ist auch eine kleine Sammlung der Rovigneser Fauna aufgestellt, welche zu einer brauchbaren Bestimmungssammlung erweitert werden soll. Hier finden wir den einzigen Amphioxus (Lanzettfischchen), der bisher in dieser Gegend erbeutet wurde – jenes niedrigst organisierte, aber für den Zoologen so interessante Wirbeltier.

Auf einer steinernen Treppe gelangen wir in das erste Stockwerk. In ihm befinden sich die Arbeitsräume für Gelehrte. Die Tische sind nach dem Muster der Neapeler Station ausgestattet. Es sind Plätze für sechs Forscher vorhanden, welche Zahl sich leicht noch erhöhen läßt. Eine gute Ausrüstung an Instrumenten und Chemikalien, sowie eine kleine Dunkelkammer machen die Anstalt zu wissenschaftlichen Arbeiten vorzüglich brauchbar. Die Bibliothek ist noch nicht sehr reichhaltig, wird aber beständig vermehrt.

Die Hauptsache für eine marine Station sind nun aber die Vorrichtungen für den Fang der Seetiere; diese sind hier geradezu vollkommen zu nennen. Daß Schleppnetze, Kratzer, Oberflächennetze vorhanden sind, versteht sich wohl ebensogut von selbst wie der Besitz eines Ruder- und Segelbootes. Ein Kleinod, dessen Wert nicht hoch genug angeschlagen werden kann, ist der kleine Dampfer der Station, der „Rudolf Virchow“. Dieses Schiff ermöglicht nämlich weite Exkursionen; es stellt der Station die ganze Tierwelt von Venedig und Triest im Norden bis tief ins südliche Dalmatien zur Verfügung. Auf der Abbildung (S. 287) können wir am Hinterteil des Schiffes den Krahnenarm wahrnehmen, an welchem die Dredge, das Tiefseeschleppnetz, emporgezogen wird.

Eine sehr schätzbare Einrichtung für alle Forscher, welche die Station benutzen, besteht darin, daß sie im Gebäude selbst wohnen können; denn in einer kleinen Stadt von italienischem Typus sind die Wohnungsverhältnisse, besonders für einen Deutschen, der sich und sein Haus zu reinigen pflegt, geradezu schaurig primitiv. Die Schlafzimmer befinden sich im ersten Stock und im Dachgeschoß. Der zweite Stock ist von der Wohnung des Direktors eingenommen, in welcher derselbe alljährlich mehrere Wochen zuzubringen pflegt.

Dieser zweite Stock besitzt, ebenso wie der erste, Anteil an einer schönen Veranda und damit an einer wunderbar reizvollen Aussicht. Nach Süden blickt man in den Garten der Station, in welchem die südliche Vegetation der Gegend durch einige Oelbäume, Lorbeersträucher und Myrtaceen vertreten und durch einige weitere Gewächse von noch südlicherem Charakter ergänzt ist. Der

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil’s Nachfolger, 1897, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_286.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)