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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Ausläufer des Stadthügels, an dessen Fuß die Station gelegen ist, trägt auf seinem Kamm ein malerisches Kloster; seine Abhänge sind bedeckt mit üppigen Gärten, welche im Frühling, schon im Februar und Anfang März, in dem bestrickenden Schmuck blühender Mandel- und Pfirsischbäume prangen. Ich habe schon oben erwähnt, daß die Station dicht am Meeresufer gelegen ist. Daher bildet das Meer einen sehr hohen Horizont, der mit seinem ganz unglaublich dunklen, strahlenden Blau sich scharf vom lichtblauen Himmel abhebt. Was ist da blauer von den beiden? Und weit draußen in diesem – fast hätte ich gesagt „Meer von Blau“ schwimmt eine kleine Felseninsel, über welcher der schäumende Gischt der Brandung hinfegt. Kann man sich nun einen reizenderen Gegensatz denken als das Silberlaub der Oelbäume, die dunklen Cypressen und die duftig mit weißen und rosenroten Blüten überhauchten Obstbäume auf diesem Hintergrunde? Auf diesem höchst eigenartigen Gegensatze beruht hauptsächlich die malerische Wirkung der istrianischen Frühlingslandschaft, und er findet sich in hundert Abstufungen in der Umgebung von Rovigno.

Der Dampfer „Rudolf Virchow“.

Das Städtchen selbst liegt sehr malerisch auf mehreren Hügeln und an deren Fuße, den Buchten folgend, welche hier das Meer ins Land schneidet. Die Station befindet sich am Nordhafen, dem Val di Bora, ebenso wie der Bahnhof, während Handel und Wandel des Ortes sich am Südhafen zusammendrängt. Damit ist zugleich ausgesprochen, daß der Seeverkehr den Landverkehr überwiegt; der Bahnhof liegt ziemlich still und öd da, und in Ermangelung einer guten Straße benutzt man oft den Bahndamm zum Abendspaziergang.

Beide Häfen sind durch eine schmale Landzunge getrennt, auf welcher der älteste Teil der Stadt liegt; ihre höchste Erhebung krönt die Kirche Santa Eufemia, deren schlanker Glockenturm nach dem Muster des Venezianer Campanile von San Marco gebaut ist. Dem letzteren sind überhaupt fast sämtliche Kirchtürme der istrianischen Küste nachgebildet, wie sich denn hier auch sonst eine Fülle von Spuren der Venezianerzeit findet. In Rovigno selbst sind diese Venezianer Altertümer vor allem durch eine Reihe von Balkonen und Thorbogen mit reicher, schöner Skulptur vertreten; außerdem ist noch ein recht hübscher kleiner Triumphbogen aus dem sechzehnten Jahrhundert fast unbeschädigt erhalten. Die Kirche Santa Eufemia mit ihrem Glockenturm, als Wahrzeichen der Stadt weithin vom Meere sichtbar, zeigt uns die Illustration S. 284.

Am Südhafen erstreckt sich der Corso, der hier, wie in jeder italienischen Stadt, für das Leben der Bevölkerung von hervorragender Bedeutung ist. Wenn abends Geschäfte und Fabriken geschlossen werden, strömt das ganze Volk, alt und jung, hier am Strande zusammen; hier treffen sich die Bekannten, die Liebespaare – hier werden Geschäfte abgeschlossen, Streitigkeiten begonnen und geschlichtet – kurz, es ist eben der „Corso“! Hier bummelt man auf und nieder bis zur Dunkelheit, und wohl auch noch ein wenig länger.

Und in täglich wechselnder Pracht sieht man vom Molo aus die Sonne im Meer versinken; während die weite Flut in blendendem Glanze strahlt, wird die Silhouette der Klosterruine gegenüber auf der Insel Santa Catarina immer schärfer und schärfer, bis schließlich der Mond die Beleuchtung übernimmt und womöglich mit seinem Silberglanz noch magischere Effekte über die stille Landschaft zaubert.

Wenn der Naturforscher auf Tafelgenüsse verzichtet und sich beim feurigen Istrianerwein über den zähen Braten zu trösten vermag, so kann er in diesem idyllischen Erdenwinkel herrliche Wochen verleben. Wenn er müde ist von der Arbeit am Mikroskop, bieten ihm schöne Ausflüge nach Norden und Süden, zum wunderbaren Canal di Leme, einem Fjord des Südens, oder nach Pola, dem österreichischen Kriegshafen mit seinen imposanten Bauten aus Römerzeiten, und viele andere eine reizvolle Erholung und neue Genüsse.

Ich will nicht weiter erzählen von den Fahrten mit Dampfer oder Segelboot, dem Fischen mit dem Oberflächennetz oder dem Dredgen in der Tiefe. Jeder Zoologe, der am Meer gearbeitet hat, weiß den Genuß und die Anregung zu schätzen, welche die Beobachtung der Tiere in ihren heimatlichen Gründen bereitet.

Zwei eigenartige Fangmethoden lernt man hier noch kennen, welche in diesen Meeren allgemein gebräuchlich sind und in hohem Grade unser Interesse verdienen. Das Fischen mit der Schwammharpune und die nächtliche Jagd mit Pechpfannen und einer kleinen Harpune bieten beide Gelegenheit, das Volksleben dieser Gegend in seiner malerischsten Entfaltung zu belauschen.

Ueber die Schwammfischerei ist schon so oft und viel geschrieben worden, daß ich hier nur eine Methode erwähnen will, wie man bei bewegter See sich die Objekte auf dem Meeresgrunde sichtbar macht. Das Wasser ist wunderbar klar, aber ein leichter Wind kräuselt die Oberfläche; unzählige kleine spiegelnde Wellen machen den Meeresboden für das Auge unkenntlich. Da wird nun ganz einfach ein Kasten mit Glasboden neben dem Boot ins Wasser gehalten: man hat nun eine ruhige Fläche, das klare Wasser läßt alle Gegenstände auf dem Grunde erkennen, und man kann mit der Schwammgabel die Badeschwämme, oder was man sonst wünscht, mit Leichtigkeit heraufholen.

Eine sehr originelle Angel wird nach den Tintenfischen ausgeworfen. Zu bestimmten Jahreszeiten wirft man die Nachbildung eines Tintenfisches, ein ganz rohes Holzbild, an einer Stelle aus, die man als Aufenthaltsort der betreffenden Art kennt. Die Sepia (oder wenn ich mich recht erinnere, so handelt es sich dabei hauptsächlich um Octopus) vermutet einen Artgenossen und saugt sich mit den Fangarmen an dem Holzklotz fest. Zieht man nun zurück, so sucht das Tier den fliehenden Gegner immer fester zu halten, immermehr Saugnäpfe haften an dem Köder und man kann schließlich das Opfer aus dem Wasser ziehen. Keine Angel hat das Tier beschädigt, „in eigener Fessel“ fing es sich. Die Methode hat sich vorzüglich bewährt, um unverletzte Tiere für die Zwecke des Aquariums zu fangen. Denn in Netzen gefangen, gebärden sich die Sepien und ihre Verwandten so wild und aufgeregt, daß sie an den Schnüren des Netzes sich vielfach verletzen. Solche Exemplare gehen meist in der Gefangenschaft sehr bald zu Grunde, während die auf die oben geschilderte Weise geangelten sich gewöhnlich sehr schön erhalten.

Zum Schluß will ich noch eine nächtliche Scene schildern, das Bild einer Nacht mir zurückzaubern, welche so viel von Naturpracht und überraschenden Bildern bot, wie ich selten in meinem Leben gesehen habe. Ich ging eines Abends, spät zur Station zurückkehrend, auf dem Hafendamm dem Nordhafen entlang. Die Wogen plätscherten gegen die Steine des Molo, und jeder Anprall war von einem geheimnisvollen Aufglimmen begleitet; bis weit in den Hafen hinein erstreckte sich das phosphorescierende Leuchten der Oberfläche: Meeresleuchten! Der Anblick dieser merkwürdigen Erscheinung, die von Millionen winziger Organismen erzeugt wird, ließ schon das Herz des Zoologen höher schlagen. Und nun gesellten sich noch einige Dinge hinzu, welche das Bild so wundersam malerisch und großartig gestalteten, daß es über den Zoologen hinaus das Herz des ganzen Menschen gefangen nahm. – Der Grund, warum das Meeresleuchten so schwach erschien, lag darin, daß hin und wieder der Mond aus den dünnen Wolken hervorlugte. Und als ich nun meinen Blick

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger, 1897, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_287.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)