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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 19.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.

Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Trotzige Herzen.
Roman von W. Heimburg.

(18. Fortsetzung.)

Als Doktor Lehmann gegen Abend nach Hause zurückkehrte und Frau Rat ihr tiefgekränktes Herz ihm gegenüber auszuschütten gedachte, war bereits der brave Bote vom Schloße da, der den Herrn Doktor hinaufholen sollte.

„Komme gleich! Was ist denn los?“ fragte er. Und dann gab er dem Kutscher, der ihn hergebracht, einen Zettel an Schwester Viktoria. „Sie fahren erst noch ’mal hinaus, Dillge, eine Pflegerin, die ihre Sache versteht, muß hin zu Faktors noch in dieser Nacht, sonst kriege ich die Frau nicht durch, und das hier in der Apotheke besorgen Sie, während sich die Schwester zur Fahrt rüstet. Auf drei Wochen soll sie sich einrichten, ihre Kranken besuche ich schon und schaffe Hilfe, wo es not thut, das sind alles nur Bagatellen. – Na, und Sie sagen Herrn von Kerkow, daß ich in zehn Minuten oben sein werde, wandte er sich an den Diener vom Schlosse.

Frau Rat saß am Fenster, Aenne war im Garten und Tante Emilie lag mit Kopfschmerzen zu Bett, es herrschte eine ungewohnte Stille im ganzen Hause. Die Mutter hatte seit dem Augenblick, wo sie erfuhr, daß ihr Kind den Doktor endgültig abgewiesen, kein Wort mit Aenne geredet, hatte sich vielmehr einige Stunden lang eingeschlossen und war erst vor wenigen Minuten wieder zum Vorschein gekommen. Sie und Aenne waren fertig miteinander, und es würde am besten sein, wenn der Trotzkopf wieder nach Dresden ginge! Morgen, wenn sie, Frau Rat, erst ruhiger geworden, wollte sie es der Tochter vorschlagen.

Das junge Mädchen schritt währenddem langsam im Garten auf und ab. Sie dachte schon nicht mehr an den kleinen dicken Doktor, sie kämpfte noch immer mit ihrem Herzen, dem durch die Worte von Heinz so bitter weh geschehen war. Wie käme denn Fräulein May dazu, sich um ein fremdes Kind zu kümmern?

Von der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Leipzig: Das Thüringer Dorf.
Nach der Natur gezeichnet von A. Liebing.
( gemeinfrei ab 2028)
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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_309.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2024)