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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Morgen des Hochzeitstages, berichtet die Frau, „bis zwei Uhr mittags brachte er in dem Ständehause zu und sogar nach der Trauung, die um drei Uhr statt hatte ging er auf kurze Zeit noch einmal dahin zurück.“ Aber die zwei Worte „Häusliches Glück“, womit Uhland im Tagebuch die wenigen Zeilen über die landständische Thätigkeit in den nächsten 14 Tagen nach der Hochzeit schließt, verraten, welche Wendung sein Leben genommen hatte.

Endlich am 8. Juli, nachdem die Stände vertagt, die Geschäfte der ständischen Ausschüsse erledigt waren, konnte das neue Ehepaar seine Hochzeitsreise in die Schweiz antreten. Die Biographin widmet der schönen Reise, die, beiläufig gesagt, in die Zeit der ersten bundestägigen Ruhe für Deutschland, süditalischer Revolutionen und der Vorzeichen griechischer Volkserhebung fiel, aus der Erinnerung ihres Alters einige Sätze, die doch das ganze Glück der jungen Frau an der Seite des geliebten, verehrten Mannes ahnen lassen. „Der größte Teil der deutschen Schweiz, das Thurgau, Sankt Gallen, dann über Kloster Einsiedeln und den Paß zwischen den Schwyzerhaken nach Schwyz und auf den Rigi, wurde zu Fuß durchzogen. Es machte Uhland Freude, die Schweiz, die er schon als Student 1806 mit einigen Freunden durchwandert hatte, seiner Frau zu zeigen, und ihr gab die Freude mehr Kräfte als sie sich zugetraut, ihm zu Liebe, der am liebsten zu Fuß ging, wurden auch die größeren Touren über die beiden Scheidecken dann durch das Emmenthal und Eutlibuch gerne von ihr zu Fuß zurückgelegt. Die Unterhaltung mit den Landleuten hatte großen Reiz für Uhland. Er mochte sich dann gern mit ihnen lagern und den mitgenommenen Proviant mit ihnen teilen, wenn auch für ihn selbst dann wenig überblieb, weil er den andern zu große Teile gegeben hatte. Seitde m man die Schweizerthäler auf der Eisenbahn durchzieht und auf den schroffsten Höhen ein Hotel steht, fehlt doch auch mancher Reiz der Reise, weil man von dem Kern des Volks wenig mehr kennen lernt. In Sankt Gallen in der reichen Stiftsbibliothek, dann in der Wasserkirche, der Züricher Bibliothek wurde jedoch auch eingekehrt und die Schätze beaugenscheinigt’.

Diesen kurzen Bericht sind wir nun neuestens in stand gesetzt worden aufs ansprechendste zu ergänzen durch des Dichters eigene Aufzeichnungen. Dem durch Württembergs König im Mai 1895 ins Leben gerufenen Schwäbischen Schillerverein ist es vor wenigen Wochen möglich geworden, Ludwig Uhlands handschriftlichen Nachlaß zu erwerben und zwar, dank der Freigebigkeit eines um die Belebung von Schillers Andenken in seiner Heimat hochverdienten Mannes, ohne Aufwendung von Vereinsmitteln. In diesem überaus reichen Schatz, der sozusagen die urkundlichen Zeugnisse der geistigen Entwicklung Uhlands vom Knabenalter an, seiner rastlosen Thätigkeit als Dichter und Forscher, Lehrer und Politiker vor uns ausbreitet, findet sich von Ungedrucktem neben zahlreichen, zum Teil hochschönen Gedichten, die nur ein Mann von Uhlands Selbstbeschränkung und Strenge, fast Härte gegen sich ausscheiden konnte, ein in den Jahren 1810 bis 1820 geführtes Tagebuch. Meist sind nur wenige Zeilen einem Tage gewidmet, aber diese knappen schlichten Angaben gewähren einen tiefen, wohlthuenden Blick in des seltenen Mannes Lebensführung durch entscheidungsvolle Jahre: in seine Bildungsgeschichte, die Werkstatt des Dichters und Gelehrten, das Werden und erste Wirken des Parlamentariers, den Verkehr mit Eltern, Schwester, Verwandten und Freunden, den weiten, rauhen Weg, auf welchem der langgeprüfte brave Mensch, dem äußerlich so wenig gelungen, zu einem der glücklichstem ward. Dabei fällt viel Licht auf die Menschen jenes Zeitalters, ihre Lebensweise, Anschauungen, Gewohnheiten und erhalten zahlreiche Stätten, die der gute Mensch betrat, eine gewiß heute noch vielen willkommene Weihe. So nun auch viele Orte Schwabens und der Schweiz durch die im Nachstehenden erstmals mitgeteilte Beschreibung der Hochzeitsreise. Intime Stimmungsäußerungen schloß das Wesen dieser kurzen Aufzeichnungen freilich aus, aber in der Anschaulichkeit so mancher knappen Bemerkung offenbart sich doch der Poet.

Hochzeitsreise in die Schweiz.

1820. Juli 8. Reise mit Extrapost von Stuttgart über Urach, Münsingen, Ehingen nach Biberach. Fruchtbare angenehme Gegend bei Metzingen. Hohenurach. Seeburger Thal. Besuch bei Plancks in Münsingen. (Der Diakonus P. war mit einer Base des Dichters verheiratet.) Oede Albgegend. Donauthal. Bussen. Rißthal, Schloß Warthausen. Ersteigung des Wachturmes in Biberach. Düsteres Aussehen der Stadt.

Sonntag 9. Extrapost von Biberach, über Waldsee, Baindt, Altdorf und Ravensburg nach Mörsburg. Kloster Weingarten, Erzählung von den Welfen. Angenehmer Eindruck von Ravensburg, bei der Einfahrt die blumenreichen, wohlgeordneten Gärtchen mit Springbrunnen und hübschen Gartenhäusern. Ersteigung des Schloßberges oder der St. Veitsburg; der alte Turm, die roterhaltenen Ziegeldächer, erster Blick auf den Bodensee. Das nahe Thal mit seinen Mühlen, die Weinberge, Kloster Weißenau; lebendige Vorstellung von einer altdeutschem Stadt, die Steinmauern sind rein erhalten und nicht zu sehr mit Häusern ausgefüllt, die Häuser noch in alter Bauart, vielfensterig, bemalt; aber reinlich und unverfallen, Wasser durch die Stadt fließend, die glänzenden Messingbeschläge an den Hausthüren, der freundliche Bierkeller außerhalb der Stadt. Bei Markdorf Duft der Rebenblüthe. Ankunft in Mörsburg um Mittag, Erfrischung im Bären. Aussicht auf den See vom neuen Schlosse, glänzend blaues Kolorit von Himmel, See und Bergen, widriger Abstich der geschmacklosen Zimmerverzierung gegen die herrliche Natur. Gartenterrasse, der Schloßgärtner Rosen spendend. Das alte Schloß, die Brücke über die Felsschlucht, Bach und Weg durch letztere. Fahrt von Mörsburg nach Mainau; das leere Johanniterschloß (vielmehr Deutschordensschloß), Balkon. Gang über den Steg, durch den Wald über Petershausen nach Konstanz. Quartier im Adler. Ersteigung des Domturmes, das Turmstübchen, herrliche Abendbeleuchtung, klarer Ueberblick der ganzen Seegegend, der Säntis, goldner Abendhimmel, Hohenstosseln, Hohentwiel, Hohenhewen. Eigentümliches, den See so zu übersehen daß man im Vordergrunde nur die Kreuzform des Domgebäudes und dann den weiten Wasserspiegel im Auge hat. Heimweg über die Promenade. Bei Tisch Nachricht, daß v. Laßberg nicht in Eppishausen sei (der bekannte Altertums- und Sprachforscher hatte mit Uhland kurz zuvor bei einem Besuch in Stuttgart die fruchtbare Verbindung für Jahrzehnte angeknüpft).

10. Morgens: die Wallfahrt nach Loretto, Leichtsinn und Müßiggang solcher Ceremonien, nachdem der religiöse Sinn derselben sich verloren. Besuch des Doms, Gang an den Hafen, das Wachthäuschen im See, Konziliensaal, Sessel von Kaiser und Papst, alter Helm, Schilde der Kreuzritter, großes Netz. Fahrt über Arbon nach St.Gallen mit einer Retourchaise. Durch das Thurgau, Wohlgeruch der blühenden Weingärten, Durchblicke auf den See. In Arbon Anfahrt am Gasthause zum Kreuz, komische Scene, als wir nicht wußten, ob wir recht wären und uns eins ums andere in die Zügel fielen. Mittagessen in dem neuen durchsichtigen Gartenhäuschen dicht am See, unmittelbares Leben in dieser Natur, die baumreichen St. Gallischen Berge im Wasserspiegel, Musikant. Am Wege nach St. Gallen Feldlager des thurgauischen Militärs. Rückblicke auf den See. Das St. Galler Thal mit den vielen umherzerstreuten Wohnungen von heiterem Aussehen, die Gärten. Quartier im Hecht. Ersteigung des Freudenbergs durch die Schlucht mit den vielen übereinanderstehenden Mühlen und dem Tannenwald, Rückweg über St. Georgen, Verirren in der Stadt. Bei Tisch die reisenden Sänger, Meinung, daß der Rhein von Basel hieherwärts fließe.

11. Vormittags Gelderhebung bei Mayer, vergebliches Aufsuchen des (Benediktiner-Stifts-Archivars) Ildefons v. Arx., der in Baden befindlich. Hr. Fels. Besichtigung der Bibliothek, Inkunabeln, die Nibelungenhandschrift, das goldene Evangelienbuch, Malereien, Tutilos Schnitzwerk auf der Buchdecke, gewaltiges altes Schlachtschwert usw. Die moderne Klosterkirche. Ersteigung des Turmes der Stadtkirche, Uebersicht des Klosterbezirks. Nachmittags Fahrt nach Vögliseck auf der Berghöhe, Begegnung des Oberfinanzrats Jäger und seiner Tochter (Verwandte der Frau Uhland). Spaziergang auf dem Bergrücken. Weitere Fahrt über Speicher, Teufen und Bühler nach Gais. Quartier im Ochsen. Beim Abendessen Landsmann Buri aus St. Gallen.

12. Molken-Promenade. Gang über Appenzell nach Weißbad, wohin die Frauen mit Buri und Jäger zu Wagen nachkamen. Ersteigung des Wildkirchleins, und, durch die Berghöhle, der Ebenalp. Sonderbares Leben auf dem Felsen, Gampe.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_332.jpg&oldid=- (Version vom 30.11.2020)