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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Durch allerlei Volksbelustigungen wurde der Festplatz an der Talfer belebt. Man sah allerlei Spiele des „Gesindes“, den Fünfkampf, das Hahnenstoßen, Gerwerfen und dergleichen.

Das Ringelstechen der Bauern erregte ein allgemeines Hallo, denn die wackeren Ackergäule waren mit dieser Programmnummer durchaus nicht einverstanden – zum Glück für gar manchen Reiter.

Das fröhliche Treiben auf dem Festplatze währte bis zum späten Abend und die Buden, in welchen liebliche Frauen und Mädchen allerlei Leckerbissen verkauften und den Durstigen beisprangen mit Champagner, feurigem Tiroler oder Bier, waren bis in die Nacht hinein förmlich belagert. Die fremden Festteilnehmer verzogen sich mit Einbruch der Dunkelheit, um den Abend so recht nach Bozner Weise zu beschließen – im „Batzenhäusl“ oder im neu erbauten „Torggelhaus“, wo die edlen Tropfen alle in den Gläsern wie Rubine funkeln, oder auf dem weltberühmten Johannisplatz, wo die Leute vor den Restaurationen auf der Straße sitzen und Walther von der Vogelweide auf seinem Postamente sinnend herunterschaut ins welsche Land.

Der Osterdienstag gehörte dem Feste auf der Burg Runkelstein selbst.

Wie der Weg zu den Meraner Volksschauspielen hinaus zum Vintschgauer Thor und dann mitten durch herrliche Obstanger vor sich die prächtige Hochgebirgsgruppe der zackigen „Ziel“ und „Röthel“, den Wanderer in die richtige Stimmung versetzt, so wird der Besucher von Runkelstein – „Runglstuan“ im Volksmunde – in gleicher Weise angeregt, wenn er den Zugang über die sogenannte Wassermauer wählt. Dieser Schutzbann wurde schon vor mehreren hundert Jahren errichtet, und der nach Hochgewittern oder Herbstregentagen im Sarnthale so wilden Talfer den Einbruch ins sogenannte Dorf und in die Stadt zu wehren. Die Talfer baute sich eine mächtige Stein- und Schutthalde auf, welche die Aufhöhung der Mauer mehrfach nötig machte, und so schaut der Wanderer tief hernieder zur Rechten auf die üppigen Wein- und Ziergärten, welche die alten Herrensitze „Stillendorf“, „Gess’lburg“, Schloß „Naretsch“ mit dem großen viereckigen Wehrturm und den originellen Rundtürmen usw. umgeben.

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Gerwerfen der Knappen. 
 Ringelstechen der Bauern.

Auch mancher „Zuacherg’lossner“, wie der fremde Ansässige von den Leuten genannt wird, hat sich hier niedergelassen, darunter auch Meister Defregger.

Hinten am Bergabhang bemerkt man die ausgebauten erzherzoglichen Gärten sowie den Magnolienhain der Gebrüder Streiter. Den Abschluß bildet St. Anton, eigentlich der Ansitz Klebenstein mit den ausgedehnten, daneben stehenden Gebäuden der Aktien-Baumwollspinnerei.

Vom nördlichen Bergabhang herüber grüßt die Ruine Rasenstein, ’s Sarner Gschloß, wie die Bauern sagen, und zur Rechten blickt der Turm des St. Peterskirchleins aus den Rebenranken. Den Wanderer nimmt ein schöner Kastanienhain auf und bald steht man am Aufgange zur wiedererstandenen Burg Runkelstein. Ein schöner kühner Bau auf steilem Felsen, so recht gemahnend an die Zeit, wo der Schloßherr auf der Hut sein mußte vor Fehde führenden Nachbarn. Und mit Recht! Schon der Erbauer Friedrich von Wanga mußte dies (1237) erfahren, denn in dem Streite zwischen dem Bischof von Orient und den Grafen Meinhard von Tirol wurde die Burg zerstört.

Nach mannigfachen Zwischenfällen kam sie endlich an die Vintler von Bozen (1685), welche sie wieder mit Gräben, Türmen und Vorwerken herstellen ließen. Aus dieser Zeit stammen auch die hochberühmten Fresken, welche die Sage von Tristan und Isolde, Scenen aus dem Sagenkreis von König Artus’ Tafelrunde darstellen. Ein großer Teil dieser Fresken ist heute noch gut erhalten. In dieser Glanzzeit des „Geschlosses auf dem Rungelstein pei Botzen“ spielte das heutige Fest, für welches man große Zurüstungen getroffen hatte.

Am äußeren Burgthore standen die ersten gewappneten Posten und nach der Legitimierung zog man den Vorplatz hinauf gegen das zweite Burgthor. Unvergleichlich schön ist von hier aus der Blick in das Etschthal, auf die gewaltigen Massen der Mendel mit den dunkelblauen Hochwaldungen die ausgedehnten Weingärten von Ueberetsch bis herein zu den Boznerböden. Blühende Obstbäume allenthalben, Schlösser, Edelsitze, Bauerngehöfte und Dörfer, und darüber wölbt sich der dunkelblaue Himmel – kurz der Herrlichkeit kein Ende.

Aus meiner Träumerei wecken mich helle Fanfaren der am zweiten Thor aufgestellten Spielleute. Der edle Herr von Vintler steigt mit dem Gefolge hernieder zum Empfang seiner Gäste, des ritterlichen Sängers Oswald von Wolkenstein mit seiner jungen Gemahlin, der schönen Schwangauerin aus Bayerland, und deren Troß. Nach Etschländer Sitte wurde erst ein kräftiger Willkommentrunk genommen von Herr und Knecht, gastfreundliche Red’ und Gegenrede wurde gehalten, und dann zog man ein in die festlich geschmückte Burg, von der Scheffel singt.

„Noch heute freut’s mich, o Rungelstein,
Daß einstmals zur guten Stunden,
In der Talfer felsenges Thal hinein
Zu dir den Weg ich gefunden.“

Von den Fenstern und Söllern schwebten Kränze herab und wehten Wimpel, gastlich waren die Thore zum mächtigen Keller geöffnet und holde Jungfrawlein kredenzten schäumendes Bier, weißen und roten Wein. Auch allerlei „Imbiß“ reichten sie, der freilich nicht der Zeit des Festes entsprach, ebenso wenig wie das moderne Programm der aufgestellten Regimentskapellen von welcher sogar ein Teil in voller Uniform den Sang Walthers von der Vogelweide begleitete, der aus den Gefilden der Seligen mit anderen Minnesängern einer älteren Zeit herbeigekommen war, um den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_349.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)