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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

binnen wenig Tagen entblättert die Blüten, verwelkt die Sträuße und Kränze, verblichen die erst so üppige Pracht! – Der kühne Gedanke, eine Ausstellung zu veranstalten, die vom 1. Mai bis Ende September dauern soll, ist aufgetaucht in den Kreisen des Gartenbauvereins von Hamburg und Umgegend bei der Vorbereitung der Feier seines 60jährigen Bestehens. Den ganzen Gartenbau eines Jahres, vom ersten Erscheinen des Lenzes bis zum Blätterfall im Spätherbst, zur Darstellung zu bringen in der Reihenfolge seiner natürlichen Entwicklung von Blumen, Stauden, Gemüsen, Früchten, daneben die vielen Treibhausgewächse sowie wissenschaftliche Darbietungen, auch Mustersammlungen gewerblicher Erzeugnisse, kurzum: Zusammenfassung alles dessen, was Bezug auf Gartenbau und Pflanzenkunde hat – das ward geplant. Aber die Hamburger allein konnten’s nicht vollbringen, so viele Besitzer von Gärten, groß und klein, auch die reiche Hansestadt zählt. Darum luden sie die ganze Welt zur Beteiligung ein, und aus allen Zonen erfolgten die Anmeldungen in ganz unerwartetem Maße. Die Handelsgärtner, die begüterten Liebhaber, die Regierungen, die Fachgelehrten – alle begeisterten sich für das großartig angelegte Unternehmem. Der ursprünglich in Aussicht genommene Platz mußte bis auf 19 Hektare vergrößert werden (etwa der Umfang der Binnenalster Hamburgs); auch in dem Aussetzen ansehnlicher Preise, wetteiferten Fürsten, Behörden, Vereine wie einzelne Burger. So ist das „noch, nicht Dagewesene“ zustande gekommen, und schon die Eröffnung am 1. Mai bewies, daß das Werk seinen Schöpfern Ehre macht.

An dieser Stelle soll keineswegs versucht werden, auch nur einen Ueberblick dessen zu geben, was die Ausstellung gegenwärtig bietet und was sich ich Laufe der schönen Jahreszeit, namentlich bei den sechs großen Sonderausstellungen, noch bieten wird, ganz abgesehen vom Pomologenkongreß, vom Gärtnertage etc. Nur einige hervorragende Einzelheiten wollen mit in knappen Umrissen skizzieren.

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Der Eingang zur Hamburger Gartenbau-
Ausstellung beim Holstenthor.

Nach der Natur gezeichnet von H. Haase.

Die Haupthalle bedeckt eine Grundfläche von 7600 Geviertmetern. Der stolze Kuppelbau ihres größten Saales überspannt 5600 Geviertmeter. Er nimmt solche Pflanzengruppen auf, die wegen ihrer Größe oder Fülle eine weite Raumwirkung beanspruchen, beispielsweise die stolzesten Palmen, daneben, zunächst bei der Frühjahrsausstellung, getriebene Azaleen-, Rhododendren- und Cinerarienkulturen. Auch „das Auge der Landschaft“, das Wasser, fehlt hier nicht; ein geräumiges Becken wird von dem über Felsblöcke herabplätschernden Wasserfall gespeist. Zur Abendzeit oder bei dunklem Wetter, wenn die elektrische Beleuchtung aufflammt (allein der Kronleuchter im Mittelpunkt zählt 260 Glühlampen), gewährt dieser Prunksaal einen geradezu überwältigenden Eindruck. Und doch umfaßt er nur einen geringen Bruchteil der in der Ausstellung vereinten Schätze; stundenlang dauert die Pilgerfahrt durch die vielen Nebenhallen und Wandelgänge. Unsere untenstehende Abbildung zeigt links vom Beschauer die Haupthalle nebst dem vorliegendem Weinrestaurant „Bella Vista“, rechts das Unionrestaurant.

Unter den weiteren Anlagen im Freien erzielt eine mächtige Wirkung ein Riesenbeet, das zunächst mit rund 40 000 holländischen Tulpen von einem einzigen Züchter in Harlem besetzt ist – und welche Fülle von Duft und Farbenschimmer wird nicht zu Anfang Juli der internationale Rosenwettbewerb bringen, angesichts der gewaltigen Beteiligung aus fast aller Herren Ländern! Rosenbeete wie diese, meist aus den seltensten und kostbarsten Sorten zusammengestellt, wird in der That die Welt noch nie gesehen haben. Doch schon heute finden sich überall Massenwirkungen, teils blendend und bezaubernd durch den Blütenschimmer, teils trotz der Schlichtheit den Kenner entzückend, wie das bei den in unzähligen Spielarten vorhandenen Koniferen der Fall ist. Das alles wurde und wird auch ferner wohlbedacht zusammengefügt nach dem von Landschaftsgärtnern ersten Ranges entworfenen Gesamtplan, sorgfältig abgetönt zu einem einheitlichen, anmutigen

Die Haupthalle mit „Bella Vista“ und Unionrestaurant auf der Gartenbau-Ausstellung in Hamburg.
Nach der Natur gezeichnet von H. Haase.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_380.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)