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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

still wäre und lachte, dann würde er etwas erleben, aber er wischte sich nur die Augen. Nein, Kaffee giebt es nicht! Herr Nottebohm war nicht allein aufgestanden, sondern hatte auch ein Stück Butterbrot, das er gerade zum Munde führen wollte, wieder auf seinen Teller gelegt. „Ich werde einmal nachsehen –“, begann er, da öffnete sich aber die Thür und Krischane trat mit der dampfenden Kaffeekanne ein.

„Hier is er!“ sagte sie feierlich. „Ich hab’ mir besonnen, und wenn ich auch was an Milo von den Deubel sagte, so mein’ ich das nich so slimm. Denn sein Pflicht muß der Mensch thun, auch wenn er verlobt is und die Hochzeit vor die Thür is!“

„Verlobt?“ Es war Herr Nottebohm, der dies Wort wiederholte und Krischane nickte ihm triumphierend zu.

„Ja, ja, Nottebohmen, Sie denken das woll nich, daß ich mir auch noch mal verloben kann, wo andere Leute meinen Brief so slecht gefunden haben, daß sie ihm nich lesen wollten! Und ich bin doch nich so ganzen slecht, wo ich nu was geerbt hab’ und auch gut kochen kann und mit die Wäsche Bescheid weiß! Und die Löchers auf ’n Ellenbogen und untern Arm, die hätt’ ich auch noch stopfen können – ihre Stimme hatte schon lange gezittert, nun schluchzte sie etwas.

„Krischane, weshalb weinst du?“ fragten wir, die wir Speise und Trank über ihrer Mitteilung vergessen hatten.

„Ich wein’, weil ich so vergnügt bin! Wenn man ganzen vergnügt is, denn muß man weinen. Und nu kommt man aus die Stube und gratteliert Fite Bierkraut, der nu mein Bräudgam is. Wenn die Hochzeit gewesen is, denn nenn ich ihm Friedrich!“

Selbstverständlich folgten wir der Aufforderung, Fite Bierkraut zu gratulieren. Er stand mit niedergeschlagenen Augen in der Küche, zupfte verlegen an seinem Bärtchen und sprach kein Wort, während er uns die Hand reichte, seine Mutter aber war auch da und machte desto eifriger die Unterhaltung. Frau Bierkraut sah zum erstenmal in ihrem Leben heiter und gleichzeitig ungemein wichtig aus.

„Ja, was ’n Glück for Krischane, Kinners,“ sagte sie „daß sie nu mein Fite kriegt! Er is wirklich ein guten Jung’ und hat mich ein Berg Geld gekostet, was ich for die Erziehung ausgegeben hab’. Abers Krischane muß mich das Geld natürlich wiedergeben und mir auch in ihren Testament bedenken. Denn wo sie doch zu Jahren is, kann sie leicht vor mich abscheiden!“

Frau Bierkraut sprach noch mehr, denn wenn sie einmal im Zuge war, dann konnte sie kein Ende finden. Wir aber liefen bald wieder zu unserm Kaffee zurück und wunderten uns über Herrn Nottebohm, der erklärte, keinen Durst zu haben, und auf sein Zimmer ging.

(Schluß folgt.)




Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Der neue Themsetunnel in London.
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Durchschnitt des Blackwalltunnels.

Tunnelbauten waren schon in uralten Zeiten den Menschen bekannt. Die Aegypter, Perser und Römer versuchten mit großem Geschick diese Maulwurfsarbeiten auszuführen, und Reste der alten Tunnel erregen noch heute die Bewunderung der Sachverständigen. Alle diese Bauten wurden jedoch in trockenem Grunde ausgeführt, erst unser Jahrhundert vermochte das schwierigere Kunststück zu vollbringen, Tunnel unter Wasser fortzuführen, unter Flüssen und Seen neue Wege für den Verkehr zu schaffen.

Der erste Bau dieser Art wurde in London hergestellt. Aus Rücksicht auf die Schiffahrt konnte man die Themse nicht überall mit Brücken überspannen, und als der Verkehr der Millionenstadt im steten Wachsen begriffen war, entschloß man sich, die beiden Ufer des Stromes durch einen Hohlweg unter der Themse zu verbinden. Der berühmte Ingenieur Brunel übernahm die Ausführung des schwierigen Werkes, das durch Einsickern des Grundwassers von Schritt zu Schritt bedroht wurde. Der erste Themsetunnel zwischen Wapping und Rotherhithe wurde im Jahre 1825 begonnen, und erst im Jahre 1842 konnte er dem Verkehr übergeben werden. Seine Länge beträgt 396 m und seine Baukosten beliefen sich auf 9½ Millionen Mark. – Damit war die Bahn gebrochen und es folgten bald neue Tunnelbauten unter Wasser sowohl in der Alten wie in der Neuen Welt, ja die Technik ist soweit fortgeschritten, daß Sachverständigen selbst der Bau eines Tunnels unter dem Kanal zwischen England und Frankreich durchaus möglich erscheint.

Der Brunelsche Tunnel wurde im Jahre 1865 in den Dienst der Eisenbahn gestellt und für den Wagen- und Fußgängerverkehr baute man bei Tower-Hill einen neuen. London wuchs indessen stetig und der Wunsch nach weiteren Verkehrsmitteln wurde von neuem rege. So beschloß man, die Themse an einer dritten Stelle zu unterwühlen und die Stadtteile Kent und Middlesex durch einen neuen Tunnel zu verbinden. Am 23. Mai d. J. hat unter großer Feierlichkeit die Eröffnung des nach fünfjähriger Arbeit vollendeten Werkes stattgefunden, der neue Weg führt unter dem Teile des Flusses hin, der den Namen Blackwall trägt.

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Querschnitt des fertigen Tunnels. Querschnitt der Arbeitskammer.


Unsere Abbildung „Durchschnitt des Blackwalltunnels“ zeigt den

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_426.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2018)