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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

hinfüro kein Jahrmarkt, Messe oder Niederlage immer fünfzehn Meilen gerings um die obbestimmte Stadt Leipzig soll aufgerichtet und gehalten werden in keinerlei Weise“.

Auf der Leipziger Messe vor 100 Jahren: Tierkreisorakel.

Nach dem Stapelrecht mußten also alle Waren, die innerhalb 15 Meilen rings um die Stadt befördert wurden, nach Leipzig gebracht und mehrere Tage feilgeboten werden. Diese beiden hier zuletzt angeführten kaiserlichen Privilegien von 1497 und 1507 blieben für lange die Grundlage der Rechtsverhältnisse der Leipziger Messen.

Alle diese Verordnungen waren gleichsam die Stufen, welche die wichtige Institution der Leipziger Messen zu ihrer Höhe emporführten. Aber die Geschichte berichtet auch von einer langen Kette ungünstiger Ereignisse, die sich zu recht drückender Fessel gestalteten. Als ein schwer lastendes Glied derselben machte sich die Konkurrenz geltend, und es war den Märkten anderer Städte gegenüber durchaus nicht leicht, die Leipziger Messen zu erhalten und weiter auszubilden. So entsprang das bedeutungsvollste der Privilegien vom Jahre 1497 einer Streitigkeit mit dem benachbarten Halle, bei welcher Leipzig dasselbe durch Vermittlung Albrechts des Beherzten erlangte. Auch das spätere Privileg des Kaisers vom 23. Juni 1507 ist auf Streitigkeiten Leipzigs mit Erfurt zurückzuführen. So hat die alte Meßstadt im Laufe der Zeiten mit nicht weniger denn 45 Orten um die Erhaltung ihrer Messen und des Stapelrechtes im Kampfe gelegen. Dann hinterließ die Fackel des Krieges, die sich immer von neuem entzündete, ihre tiefen Brandmale. Schon die Neujahrs- und Ostermesse 1547 wurde durch den Schmalkaldischen Krieg sehr erschwert. Dann warf der Dreißigjährige Krieg seine düsteren Schatten über die Pleißestadt, die zu öfteren Malen belagert und eingenommen wurde. Eine Denkschrift des Leipziger Rats sagt darüber: „Wie viel mahle haben dergleichen trangselige Zeiten verhindert, daß die Messen nicht haben gebauet werden können … Wie viel Leute haben sich gar von hier gewendet und anderer Orten niedergelassen …“

Zu diesen schweren Schädigungen gesellte sich dann im Gefolge des Kriegs auch noch die Pest, welche im Jahre 1680 die Lindenstadt heimsuchte und die Messen von hier fast zu vertreiben drohte. Aber mit all diesen Fährlichkeiten wußte immer wieder die weise Politik des Rats fertig zu werden, welcher die Abhaltung der Messen, wenn es geboten schien, auf günstigere sicherere Zeiten verschob, den Handelsleuten von den Fürsten neue Vergünstigungen erwirkte und andere Erleichterungen schuf. In den düsteren Gang der Begebenheiten fällt wie ein erfreulicher Lichtblick die Einsetzung des Leipziger Handelsgerichts im Jahre 1683, das zur Hebung des Vertrauens in die Meßgeschäfte sehr viel beigetragen hat. Von demselben wurde eine strenge Handhabung des Wechselrechts durchgeführt, welche sich bei dem regen Meßwechselverkehr als durchaus nötig erwies.

Die Geschichte erzählt noch von anderen schweren Zeiten, welche über die Leipziger Messen gekommen sind. Von diesen müssen wir den Siebenjährigen Krieg noch hervorheben, in dem Leipzig von den Preußen besetzt wurde und viele Millionen Kriegskontribution zu zahlen hatte. Aber auch diese Verluste wurden überwunden. Hatten doch die Leipziger schon Anfang des 18. Jahrhunderts den Vorrang vor allen anderen Reichsmessen erlangt. Auch die Gründung der Breslauer Messen durch Friedrich den Großen, dessen Bestreben es war, den Handel von Leipzig dorthin zu ziehen, scheiterte, und Leipzig verblieb der erste der deutschen Meßplätze. Die Dauer der Messen war nach dem kaiserlichen Privileg vom Jahre 1497 – wie wir sahen – ursprünglich auf je eine Woche festgesetzt. Allmählich aber war die Oster- sowohl wie die Michaelismesse dem Bedürfnis entsprechend auf drei Wochen verlängert worden.

Auf der Leipziger Messe vor 100 Jahren: Griechen und Türken in der Katharinenstraße.

Ein harter Schlag war es für den Leipziger Handel, als Napoleon im Jahre 1806 die Kontinentalsperre anordnete, die jeden Verkehr mit England untersagte. Infolge derselben wurden alle englischen Waren, die sich in Leipzig vorfanden, mit Beschlag belegt. Die Kontinentalsperre hatte jedoch auch ihre guten Folgen. Durch sie wurde die Textilindustrie Sachsens zu hoher Blüte entfaltet und Deutschland von dem Handel mit England in dem so wichtigen Industriezweig unabhängig gemacht.

Durch die uns zur Verfügung stehenden Berichte über die Messen zieht sich wie ein roter Faden die fortgesetzte Klage über die Entwicklung des Zollwesens in Preußen, Oesterreich und Rußland. Die preußische Zollgrenze rückte infolge Zusammenschrumpfung von Sachsens Grenzen im Jahre 1815 bis dicht an Leipzig heran, was naturgemäß den Meßhandel ungemein schädigen mußte. Da gab es eben nur die eine Rettung – den Eintritt Sachsens in den Zollverein. Dieser erfolgte denn auch im Jahre 1833 und mit ihm erweiterte sich der Umfang des Meßgeschäftes so, daß er den aller früheren Blüteperioden überragte.

Aber Gut und Geld waren es nicht allein, bei denen man seine Rechnung zu finden hoffte. Den Messen – so nüchtern sich die hohen Zahlen ihres Umsatzes ausnehmen – fehlte es auch nicht an allerlei Zügen, denen ein poetischer Reiz innewohnte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_437.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2023)