Seite:Die Gartenlaube (1897) 542.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

„Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus,
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast,
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.“

Kurplatz und Badgebäude.
Nach einem Aquarell von G. Loesti.

So klein der Ort war und jahrhundertelang blieb, er hat hernach viel glänzende Tage gesehen. Seine erste Blütezeit fällt ins sechzehnte Jahrhundert. Da kamen sie mit „großem Geleit“, die Herzöge Württembergs, die Pfalzgrafen, die Markgrafen von Baden und von Brandenburg, die Herzöge von Sachsen, die Landgrafen von Hessen usw., so daß ein Chronist schrieb: „Solche Zeiten hat Wildbad vor und nach nicht wieder gesehen. Der Pfalzgraf Friedrich bei Rhein, der 1547 mit seiner Gemahlin zur Badekur kam, hatte allein 352 Pferde in seinem Gefolge. Auch viel berühmte Namen weist die Kurliste jener Zeit auf: Ulrich von Hutten, Franz von Sickingen, den Truchseß von Waldburg und den Georg von Frundsberg, die Gelehrten Crusius und Bergerius und zahllose Fürsten, Grafen, Bischöfe usw. Natürlich fehlten die Landesherren nicht, der durch Hauffs „Lichtenstein“ berühmte Ulrich und sein größerer Sohn Christoph. Als dieser im Jahr 1545 als dreißigjähriger Erbprinz seinen Vater um die Erlaubnis zu einem Besuch in Wildbad anging, verstattete es ihm der Mißgünstige nur mit viel Ermahnungen, „daß du nicht nach solchem Bad deinem Halten und Wesen nach, wie wir bericht, so feyst werdest, wie ein Mastsaw.“ Dieser Herzog Christoph war hernach der erste, der ein Bad für Arme, ein „pfrondheußlin“ samt „Hofstatt“ errichtete.

Noch zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts stand Wildbad in hoher Blüte – der Dreißigjährige Krieg machte jedoch auch hier aller Lust und Freud und aller Kultur ein Ende. Die Gasthäuser verfielen, in den Bädern schwammen Ratten herum, die Straßen nach dem Wildbad waren halsbrecherisch geworden. Trotz der großen Verwahrlosung, in der das Bad dann fast zwei Jahrhunderte verblieb, ist es von den württembergischen Fürsten vielfach gebraucht worden.

Die Trinkhalle.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph Schmidt in Pforzheim.

Seinen neuen Aufschwung nahm Wildbad in diesem Jahrhundert unter Württembergs Königen. Sein eigentlicher Neuschöpfer ist König Wilhelm I., neben welchem sein Finanzminister Herdegen und sein Baumeister Thouret zu nennen sind. Seit dem vierten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts ist in Wildbad fortwährend, wenn auch zu Zeiten in bescheidenen Grenzen, gebaut und modernisiert worden und die Könige Wilhelm I., Karl und Wilhelm II. haben daran stets den persönlichsten Anteil genommen. Seit dieser Zeit gewinnt auch die Gästechronik wieder eine Fülle hochklingender Namen. Die glänzendsten Tage aber erlebte Wildbad von Mitte der fünfziger Jahre ab. Der damalige Kronprinz Karl von Württemberg war verlobt mit Olga, der Tochter des Zaren Nikolaus. 1856 besuchte erstmals die Mutter der Großfürstin Olga und Schwester des nachmaligen Kaisers Wilhelm I., Alexandra Feodorowna, seit 1855 Zarin-Witwe, das Wildbad mit großem Gefolge und wiederholte diesen Besuch mehrere Jahre hintereinander. 1857 waren mit der Zarin-Witwe und dem württembergischen Königshause der Prinz von Preußen und Gemahlin (das erste deutsche Kaiserpaar) und vorübergehend auch Zar Alexander II. und Gemahlin, sowie viele deutsche und außerdeutsche Fürstlichkeiten verewigt. Eine Reihe bedeutender Persönlichkeiten, die damals Wildbad besuchten, sind ihm in der Folge treu geblieben; wir nennen nur zwei, die dem Bild der damaligen Wildbader Badegesellschaft ein besonderes Relief gaben: den Prinzen Peter von Oldenburg und den Fürsten Gortschakoff.

Nach unseren heutigen verfeinerten Begriffen erscheint es fast unglaublich, wie in dem damaligen eisenbahnlosen Städtchen, das nur eine einzige Straße hatte und dessen dörflicher Charakter bis auf den „Kurplatz“ (vgl. die obenstehende Abbildung) herein sich erstreckte, eine so illustre Gesellschaft auf Wochen und Monate Quartier nehmen mochte. Die Sache wird erklärlich, wenn man weiß, daß das Königliche Badgebäude mit dem Königlichen Badhotel, und nicht minder das „Hotel Klumpp“ und einige andere Etablissements schon damals an Eleganz und Komfort und an bequemen Badeeinrichtungen ganz Außerordentliches boten.

Dieses „Königliche Badgebäude“ bildet bis heute den Mittelpunkt und Grundstock der modernen Einrichtungen Wildbads, obwohl inzwischen ein neues prachtvolles König-Karl-Bad (erbaut von Hofbaudirektor Berner in Stuttgart) und das schon

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_542.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)