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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

oben erwähnte imposante Bad für die Unbemittelten, das neue „Katharinenstift“ (erbaut von Baudirektor von Bok), eine große Trinkhalle mit Wandelgang, eine stattliche Zahl eleganter Privatbauten und eine stets fortschreitende Verschönerung der herrlichen Waldanlagen an der Enz hinzugetreten sind. Wir verweisen auf unsere Abbildungen, die dem Leser das König-Karl-Bad (nebenstehend) und die

Das König-Karl-Bad.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph Schmidt in Pforzheim.

Trinkhalle (S. 542) und eine reizende Partie aus den Anlagen mit dem „Rindenhäuschen“ (s. unten) veranschaulichen.

Es würde zu weit führen, wollten wir das alles im einzelnen schildern; wir müssen auch darauf verzichten, den Leser über die speziellen Einrichtungen und Wirkungen der Wildbader Bäder zu unterhalten, welche bekanntlich gegen Gicht, Rheumatismus, Neuralgie und ähnliche Leiden mit bestem Erfolg genommen werden.

Dagegen sei es gestattet, der jüngsten Verschönerung Wildbads, der auch unsere Bilder S. 541 und S. 545 gewidmet sind, einige begleitende Worte mitzugeben.

Es handelt sich dabei gewissermaßen um den Ausbau des mehrerwähnten „Königlichen Badgebäudes“. Dieses, in den vierziger Jahren von dem trefflichen Baumeister König Wilhelms I., Thouret, in den von ihm herausgebildeten Formen eines einfachen maurischen Stils erbaut, ist im Prinzip auf das „Gesellschaftsbad“ eingerichtet, enthielt aber von Anfang an auch Einzelbäder, die sogenannten „Fürstenbäder“, in welchen anfänglich auch nur wirkliche Fürsten badeten, während sie jetzt jedem zugänglich sind, der fürstlich zahlen kann. Die ganze Einrichtung des Baus ist heute noch zweckmäßig, auffallend war aber gerade für Wildbader Verhältnis, wo die Mittagstemperatur auch im August nicht über 22 bis 23°C hinaufgeht und wo man in der Saison vom Mai bis September mit einem Tagesmittel von 12 bis 18°C und recht kühlen und taureichen Morgen und Abenden zu rechnen hat, der Mangel eines geschützten großen Warteraums. Der Baumeister Thouret selbst hat möglicherweise an einen solchen gedacht, der Plan ist aber in den anspruchsloseren vierziger Jahren vielleicht als eine Luxussache zurückgestellt worden. Bis in die letzte Zeit waren daher die Kurgäste, welche die Thermen des Thouretschen Hauptbads benutzten, genötigt, sich an den Außenthüren zu versammeln und hier, den Unbilden der Witterung preisgegeben, ihrer Stunde zu harren. Jetzt hat die Königliche Badeverwaltung der rühmlichst bekannten Stuttgarter Architektenfirma Eisenlohr und Weigle den Auftrag gegeben, den Thouretschen Bau in dieser Richtung zu reformieren, und Baurat Weigle hat diese Aufgabe in ausgezeichneter Weise gelöst. Von der östlichen Gangflur gelangte man früher in einen Hof, der an drei Seiten mit Gängen umgeben war, die von schlanken Säulen getragen waren. Der Hof selbst, mit einem Springbrunnen in der Mitte, befand sich unter freiem Himmel und wurde jahrzehntelang nur zu allerlei Verrichtungen der Dienerschaft benutzt. Diesen für weitere architektonische Ausgestaltung äußerst dankbaren Raum erkor sich der Baumeister für den zu schaffenden Warteraum, und er setzte es auch durch, daß er unter Opferung zweier Fürstenbäder ein groß angelegtes Vestibül zu demselben schaffen konnte (s. die Abbildung S. 545), wofür er durch Anlage von vier neuen Fürstenbädern im Anschluß an den Warteraum doppelten Ersatz bot. Auf diese Weise hat der Thouretsche Bau erst seine volle Ausgestaltung bekommen, indem eine Hauptachse durch das ganze Gebäude gezogen wurde. Im Anschluß an die Thouretschen Formen ist auch der Neubau in maurischem Stil, aber reicher, prachtvoller ausgeführt. Das Vestibül gliedert sich in drei Teile, je mit besonderem Oberlicht: der obere Teil der Seitenwände ist in Arkaden aufgelöst und durch Spiegel der Schein weiter Seitenräume hervorgerufen. Der Warteraum selbst (siehe Abbildung S. 541) ist mit Glas gedeckt, der Säulengang rundum vervollständigt. Das Ganze ist in einem weißlichen Grundton gehalten, die Säulen in der Farbe des gelblichen Sieneser Marmors, die Kapitelle, Bogen und Zwickel in reichem farbig getönten Stil. Die Umgänge haben eine zweieinhalbmeterhohe Verkleidung in farbiger Marmorinkrustation. Der Fußboden in Marmormosaik hat ein schönes Muster in Dunkelgrau, Weiß und Rot. Gleichzeitig konnte mit dem Neubau noch eine andere Verbesserung durchgeführt werden: das ganze Gebäude, in dem bisher eine Treibhausluft herrschte – die Wildbader Therme hat Blutwärme, daher der Volksmund sagt: Gerade recht wie ’s Wildbad –, hat jetzt eine für unser nervöseres Geschlecht unentbehrliche künstliche Ventilation durch Wasserdruckmotoren erhalten.

Das Rindenhäuschen in den Anlagen.
Nach einem Aquarell von G. Loesti.

Unter den heurigen Besuchern Wildbads herrscht nur eine Stimme, daß durch diese Neuschöpfung abermals eine ganz wesentliche Verbesserung und Verschönerung erreicht ist, so daß dem modernen Kultur- und Luxusmenschen hier am Ort kaum etwas Weiteres zu wünschen übrig bleibt. Was aber würde der alte „Greiner“ für Augen machen, wenn er, der Beschwörung Uhlands folgend, „aus seinem Sarge bräche und aus Stuttgarts üppigem Thale durch die luftigen Wälder reitend heute nach seinem Wildbad käme, zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib?“ An seiner Lieblingsstätte,

 „wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollsten der edle Strudel wallt.“

fände er jetzt ein „Nobelbad“, das nicht bloß seinen luxusverfeinerten königlichen Enkeln, sondern auch deren wohlbegüterten Unterthanen gerade nobel genug erscheint.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_543.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)