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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Wie man vor hundert Jahren reiste. Einen klassischen Beitrag zum deutschen Reisewesen am Ende des vorigen Jahrhunderts bildet der folgende, vom kais. Rat Bretschneider in Ofen an den gelehrten Buchhändler Nicolai in Berlin gerichteter Brief. Nicolai war damals im Begriff, eine große Reise durch Deutschland anzutreten, und hatte seinen vielgereisten Freund Bretschneider um Rat gefragt, wie er von Regensburg nach Wien – heute ungefähr 8 Eisenbahnstunden – am besten gelange. Bretschneider antwortete u. a. „Sie werden freilich bei der Reise zu Wasser das Angenehme nicht finden, was Sie sich versprechen, allein es schadet nichts, daß Sie es auf die Probe ankommen lassen. Alle Sonntage geht ein Ordinari-Schiff von Regensburg nach Wien das etwa, wenn der Wind nicht konträr ist, Donnerstag Vormittag in Wien ankommt. Auf diesem zahlt die Person mit Bagage einen Dukaten und wenn Sie einen Wagen haben, etwa zwei Gulden Reichsmünzen für denselben besonders, das sage ich Ihnen aber im Voraus, daß Sie mit dieser Gelegenheit unbequem fahren, keine Kajüte für sich allein haben und sicher Ungeziefer mit nach Wien bringen. Doch weil Sie auch in litterarischer Absicht reisen, so würden Sie auf der anderen Seite viele Volkslieder sammeln können, denn auf diesem ordinären Fahrzeug, auf dem der Handwerksbursch und Tagelöhner bloß für seine Arbeit am Ruder mitgenommen wird, fehlt es niemals an Bettelbuden, ungarischen Krummholzträgern und anderen feinen Herren und Weibern resp. Sängern. Wollen Sie aber ein eigenes Schiff nehmen, das würde Ihnen 12 bis 15 Dukaten kosten. Aber das Beste, was Sie thun können, ist Folgendes. Schicken oder gehen Sie selbst zu dem bayrischen Schiffsmeister Keller, welcher zu Stadt am Hof, jenseit der regensburger Brücke wohnt. Dann zahlen Sie nur 35 Gulden Reichsmünzen, oft, wenn mehrere Personen mitgehen, noch weniger, ja ich bin sogar einmal für 12 Gulden mitgefahren. Dieser Mann nimmt sogleich ein besonderes Schiff und fährt in dritthalb Tagen nach Wien. Das waren etwa die Umstände einer Reise, die man jetzt in weniger als 10 Stunden für 14 bis 22 Mark zurücklegt. Bw.     

Am frühen Morgen. (Zu dem Bilde S. 537) Wie schön ist doch die erste Morgenstunde in Wald und Feld! Die spät aufstehenden Sommerfrischler wissen nichts davon und die Bauern achten nicht darauf, sie haben’s nur eilig mit der Arbeit in der Morgenkühle. Aber manchmal verweilt doch eine, wie hier die hübsche Bauerntochter, die um Fünf schon vom Futterschneiden heimkehrt, mit einem Extrabündelchen schmackhafter Kräuter für die Lieblingskuh im Arm, und vor dem Gang zum Stall noch einmal von der Schwelle den Blick zurückwirft nach der Morgenherrlichkeit im Thal. Drüben die Waidwand mit den noch langen Schatten, das Gefunkel in den tausend Tautropfen der Wiese, der blaue Duft über den Bergschrofen, der eine so erquickliche Kühle ausströmt! Mit Worten vermöchte sie’s nicht zu sagen, was sie so vergnügt macht heute morgen, aber der ganzen Haltung sieht man’s an, wieviel Gesundheit und Heimatsfreude dem jungen Geschöpf innewohnt. Die Welt ist so schön, und es freut sie, daß sie auf der Welt ist. Weitere Gründe hat sie nicht – aber kann man sich eigentlich bessere denken?!

Bn.     

Elefantenschildkröten im Hamburger Zoologischen Garten. (Mit Abbildung.) Reisende, die im sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert den Indischen oder den Stillen Ocean befuhren, melden von riesigen Land-Schildkröten, die sie in zahllosen Scharen auf einigen einsam im Weltmeer liegenden Inselgruppen angetroffen hatten. Die Galapagos-, d. i. Schildkröteninseln, vulkanische Inseln im Stillen Ocean südlich nahe dem Aequator, sind die eine dieser Gruppen; im Indischen Ocean waren es die Maskarenen mit Reunion, Mauritius und Rodriguez, die Seychellen und das einsame Koralleneiland Aldabra, wo man damals Schildkröten in so großen Mengen antraf, daß sie während vieler Jahre erwünschten Proviant für die dort landenden Schiffe lieferten.

Elefantenschildkröten im Hamburger Zoologischen Garten.
Nach einer Skizze gezeichnet von A. Specht.

Damals waren diese Inseln von Menschen noch nicht bewohnt, und an Raubtieren, die unseren Reptilien hätten gefährlich werden können, fehlte es auch gänzlich. So kam es denn bei der Langlebigkeit der Tiere und bei dem Ueberfluß an Nahrung, den sie überall fanden, ganz von selber, daß ihre Zahl von Jahr zu Jahr wuchs und schließlich ins Ungeheure anstieg. Leguat schrieb im Jahre 1691 von der Insel Rodriguez „Es giebt dort so viele Schildkröten, daß man zuweilen zwei- bis dreitausend von ihnen in einer Herde vereinigt sehen und mehr als hundert Schritte weit auf ihren Rücken gehen kann.“ Infolge der Nachstellungen seitens der Schiffer und Ansiedler schmolz jedoch die Zahl der Schildkröten rasch dahin, so daß es heute auf den obengenannten Inseln des Indischen Oceans nur noch wenige mehr giebt. Die Riesenschildkröten der Inseln des Indischen Oceans und die der Galapagosinseln gehören einer eigentümlichen Gruppe von Landschildkröten an, die durch einen lang vorstreckbaren Hals und durch eine gleichförmig dunkelbraune oder schwarze Färbung ohne jede Abzeichen ausgezeichnet ist, der Rückenschild ist wie bei allen Landschildkröten stark gewölbt.

Fast jede größere Inselgruppe und jede bedeutendere Insel beherbergt oder beherbergte eine besondere, durch wenig auffallende Merkmale ausgezeichnete Art. So kommt es, daß man etwa zehn noch heute lebende und fünf bis sechs ausgestorbene Arten Riesenschildkröten zählt. – Von den beiden Elefantenschildkröten, Testudo elephantina Gthr. in deren Besitz der Hamburger Zoologische Garten durch die Güte des Herrn Dr. Aug. Brauer in Marburg gekommen ist und die aus der Gefangenschaft von den Seychellen herstammen, gehört die größere zu den allergrößten ihrer Art; ihr Rückenschild mißt in gerader Linie 1 m 24,5 cm, über die Wölbung aber 1 m 55,5 cm in der Ruhe, d. h. wenn sie nicht auf den Beinen steht, ist sie 60 cm hoch. Sie stimmt demnach mit den beiden größten Schildkröten, die in Museumssammlungen aufbewahrt werden, in den Maßen fast genau überein, das Britische Museum besitzt ein Stück von 49 Zoll engl. = 1 m 24,5 cm, das Tring Museum des Baron Walter Rothschild ein anderes von 49½ Zoll = 1 m 25,7 cm Länge. Bei ihrer Ankunft in Hamburg wog die größere der beiden auf unserer Zeichnung dargestellten Aldabraschildkröten 431 Pfund. Das kleinere Tier ist geradlinig 93,5 cm, über die Wölbung 128,5 cm lang, es wog bei seiner Ankunft gerade 300 Pfund.

Die Schildkröten kamen nach der Seereise in Hamburg sehr ausgehungert an und zeigten darum eine erstaunliche Freßlust. Sie haben nämlich in den ersten 32 Tagen zusammen 1225 Pfund Weißkohl, d. h. täglich durchschnittlich 38¼ Pfund gefressen. Dementsprechend war auch ihre Gewichtszunahme, die bei der größeren Schildkröte etwa 1 Pfund für den Tag betrug.

In ihrer Heimat nähren sich die Aldabra- und anderen Riesenlandschildkröten von Gras und Kräutern verschiedenster Art, in der Gefangenschaft erhält man sie mit Weißkohl, Mohrrüben, Salat und Gras. Dr. Heinrich Bolau.     


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 32/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_548.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)