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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Teuerungsdenkmünze von 1846/47. (Mit Abbildung.) Das große vor wenigen Wochen über Deutschland hereingebrochene Wetterunglück mit seinem Gefolge von Elend und Jammer ruft unwillkürlich die Erinnerung an frühere schwere Zeiten hervor. So brachte vor 50 Jahren der Sommer 1846 für Mitteldeutschland eine völlige Mißernte und als Folge derselben eine drückende, für die ärmere Bevölkerung mit bitterster Not verknüpfte Teuerung aller Lebensmittel, welche erst durch die reiche Ernte des Jahres 1847 gehoben wurde. Zur Linderung des Notstandes geschah damals von allen Seiten sehr viel, u. a. wurde nach der Ernte von 1847 auf Veranlassung und auf Kosten einiger opferwilliger Bürger von Halle a. d. Saale die Denkmünze geprägt und zum Besten der Notleidenden verkauft, welche die beigefügte Abbildung wiedergiebt; sie versinnbildlicht auf der ersten Seite durch die hungernde Familie die Not von 1846/47, welche ungefähr Ende Mai 1847 ihren Höhepunkt erreichte, auf der zweiten Seite durch das Erntefeld mit dem „Erntekranzfuder“ und der im Vordergrunde ein Dankgebet zum Himmel emporsendenden Familie die glückliche Abwendung der Not. Bezüglich der Einzelheiten der Prägung kann auf die Abbildung verwiesen werden; nachzutragen bleibt nur, daß an der Leiste unterhalb der hungernden Familie links der Name des Medailleurs steht: H. LORENZ F.(ecit.).

Teuerungsdenkmünze von 1846/47.

Die Denkmünze selbst, deren Ausführung ganz vorzüglich ist, wurde stark abgesetzt; sie findet sich noch heute in Zinn häufig (in Familienbesitz, in Sammlungen und im Münzhandel, in Bronze nicht häufig, in Silber sehr selten.) Ein Teil der Stücke zeigt übrigens eine kleine Abweichung in der Prägung, welche jedoch nur für Sammler und Münzkenner Bedeutung hat; es ist z. B. rechts hinter dem Erntefelde eine untergehende Sonne angebracht, und neben dem Namen des Medailleurs liest man noch: L. HAASE FUNDATOR („L. Haase, Stifter“). Der Genannte, ein Färbereibesitzer in Halle a. d. Saale, hatte sich nämlich durch Aufbringung der Kosten etc. das Hauptverdienst um die Herstellung dieser Teuerungsdenkmünze erworben. R. Schmidt.


 In’t Vörbigahn.
 (Zu dem Bilde S. 589)

Blue Heben[1], blue See;
Bülgen[2] witt, as niegen[3] Snee.
Gau[4] in’t Boot to goode Stünn[5],
In’t Vörbigahn schient de Sünn!

5
Süh’, wer steiht doar in de Sand,

Neeg[6] jüst bi de Waterkant?
As dat Gras weiht Rock und Hoar;
Dunner, steiht mien Trina doar?

Söben Johr bün ick ehr good

10
Blot to friegen[7] fehl’ de Mood[8];

Wenn ick mi dat rech’ bewenn,
Bring ick mal uns’ Saak to Enn!

„Dag ook, Trina!“ „Dag ook, Klaas!“
Na, hüt makt dat Seilen[9] Spaas?“

15
„Ja – – – un, wat ick seggen wull, –

Deern, wat löppt de Tied doch dull!“

Trina wiest de Tän[10] un lacht.
„Wull, mien Klaas un du geihst sacht’.“
„Ja – – un wi kriegt griese[11] Hoar;

20
Kumm, wi makt den Putt hüt kloar[12]!“


Blue Heben, blue See;
Bülgen witt, as niegen Snee.
In’t Vörbigahn kümmt de Mood
Un wat lang woart, dat ward good.
 Johannes Wilda.


  1. Himmel.
  2. Wolken.
  3. neu.
  4. rasch.
  5. Stunde.
  6. nahe.
  7. heiraten.
  8. Mut.
  9. Segeln.
  10. Zähne.
  11. graue.
  12. Den Tag klar machen = eine Sache fest abmachen.

Kunstkritiker. (Zu dem Bilde S. 581) Nur auf kurze Zeit, um die Frühstückspause zu machen, hat der Maler seine an der Gartenmauer aufgeschlagene Werkshütte verlassen, und da hat sein bis auf wenige Striche vollendetes Bild ein überaus zahlreiches Publikum angezogen. Was mag es wohl sein, was dem Gemälde eine so große Anziehungskraft verleiht? Die Hauptsache auf ihm bildet zweifelsohne ein Mitbürger des Städtchens. Die Person ist wohl schon an und für sich eine originelle Gestalt – und im Bilde sind ihre Züge so meisterhaft festgehalten worden, daß das Staunen und die Freude der Beschauer kein Ende nehmen will und der Andrang der Neugierigen über die Mauer wächst. – „Wie er leibt und lebt!“ lautet das einstimmige Urteil, mit dem der Maler zufrieden sein kann. Mag auch die hohe Kunstkritik später an seiner jüngsten Schöpfung dies und jenes aussetzen, sie wird nicht leugnen können, daß das Bild lebenswahr ist. Das bestätigen ja die berufensten Kritiker auf und jenseit der Gartenmauer. *      

Erwartung. (Zu dem Bilde S. 585.) Kommt er, kommt er nicht? … Ganz sicher scheint sie ihrer Sache nicht zu sein, die niedliche Kleine, die hier klopfenden Herzens und verstohlen im letzten Parkende sich einfand, obgleich sie gestern, als Er beim allgemeinen Aufbruch und Abschied ihr das hastig bittende Wort zuflüsterte, im ersten Schrecken „Nein, nein!“ hervorgestoßen hatte. Wenn er das nun für Ernst genommen hat und wegbleibt? Wenn sie, unter steter Gefahr der Entdeckung, sich umsonst so zierlich für ihn herausputzte, umsonst alle Listen brauchte, rechtzeitig zu entwischen und nun ach! umsonst mit den großen braunen Augen unverwandt den Weg entlang sucht, den er kommen muß! … Unbesorgt, kleine Unschuld! Er weiß ganz genau, was von solchem „Nein“ zu halten ist, und läßt sich nicht dadurch schrecken. Aber den offenkundigen Weg vom Schloß her wird er wohl nicht wählen, um seinen aller – allerletzten Abschied zu nehmen. – Der kleine Spitz ist bereits auf der richtigen Spur, er dreht sich um und hebt das Köpfchen nach der andern Seite. Wie lange wohl unter solchen Umständen die einsame „Erwartung“ noch dauern mag? Bn.     

Hochgewitter im Wettersteingebirge. (Zu unserer Kunstbeilage.) Hoch und gewaltig in seiner Ausdehnung erhebt sich auf der Grenze von Bayern und Tirol, zwischen Scharnitz- und Fernpaß, das Wettersteingebirge, dessen höchste Erhebung, die Zugspitz, mit ihren 2968 m zugleich die höchste Bergspitze des Deutschen Reichs ist. Ob man bei klarer Witterung aus der Umgebung von Partenkirchen und Garmisch oder vom Barmsee bei Mittenwald aus das Auge an der alpinen Prachtentfaltung des Massivs mit seinen Fernern und der von ihnen umpanzerten Zugspitz weidet, ob man am Eibsee im tiroler Leutaschthal oder in Lermoos und Ehrwald den Blick über seine schroffen Felsabstürze gleiten läßt, überall ist der Eindruck, den man von ihm empfängt, ein gleich starker, und alle Alpenherrlichkeit findet sich in ihm vereinigt. Weithin grüßen seine Schneefelder und Gratspitzen ins Bayerland hinein und in einer Eisenbahnfahrt von wenigen Stunden sind von München aus die so schön ihm zu Füßen gelegenen Ortschaften Partenkirchen und Garmisch zu erreichen. Kein Wunder daher, daß das Wettersteingebirge zu den besuchtesten gehört und daß in jedem Sommer eine große Zahl rüstiger Söhne und auch Töchter des Vaterlands es unternimmt, durch die Besteigung der Zugspitz auf Deutschlands höchstgelegenen Punkt zu gelangen. So gut aber auch der Deutsche und Oesterreichische Alpenverein dafür gesorgt hat, dieses Unternehmen möglichst bequem und gefahrlos zu gestalten, so wackere und sichere Führer die Ortschaften am Fuße des Wettersteingebirgs den Touristen zur Verfügung stellen – fast in jedem Jahr fordert der Wetteifer unserer Bergsteiger auch in diesen Revieren seine Opfer. Denn gerade dies so bestechende Alpenmassiv wird auch besonders stark von allen Unbilden der Witterung heimgesucht, welche den Aufenthalt in der Welt des ewigen Schnees zu einem so gefahrvollen machen. Kann der Ausbruch eines Gewitters schon in der Ebene genug des Unheils anrichten und seine verheerende Wirkung furchtlose Männerherzen erbeben machen, so steht im Hochgebirge der Mensch den entfesselten Elementen geradezu hilflos gegenüber. Schon die Wolkenmassen, wenn sie sich in den Schründen und Klüften festhalten oder von oben her die Felsen und Ferner umhüllen, machen das Vorwärtsdringen schier unmöglich, und der jähe Temperaturwechsel, welcher zumeist eine Folgeerscheinung der Gewitter ist, und seine Wirkung auf Firn und Eis bereitet dem Alpenbesteiger aber noch weit verhängnisvollere Gefahren; diejenigen jedoch, welche ein solches Hochgewitter in den Alpen glücklich, überstanden, schildern es als ein Schauspiel von ergreifender Großartigkeit. Lange währt oft der Kampf zwischen Licht und Finsternis, bis alle Gipfel von den heranfegenden Wolken umhüllt sind, und der Anblick dieses Kampfes der Himmelsmächte unter Donner und Blitz ist von dämonischem Zauber. Zeno Diemers fesselndes Bild veranschaulicht uns dieses Schauspiel, die noch freiliegenden Felsenschrofen vorn auf dem Bild sind die beiden Plattspitzen, die 2678 und 2681 m hoch sind und an denen der Weg von Ehrwald zur Zugspitz vorbeiführt.


manicula      Hierzu Kunstbeilage XIX: „Hochgewitter im Wettersteingebirge.“ Von M. Zeno Diemer.

Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 35/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_596.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)