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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

hinter sich herschleppend, das Gesicht vor Zorn und Aufregung gerötet. Bei dem Anblicke des Liebespaares, das ihm mit der Erklärung entgegentrat, sie wollten gemeinschaftlich in den Tod gehen, sich aber nicht wieder trennen, brach er in ein grimmiges Hohngelächter aus. Dann erleichterte er sein Herz durch einige derbe Flüche und Verwünschungen auf alle verrückten Liebesleute. „Meinethalben,“ sagte er zuletzt. „Ob sie diese letzte Stunde noch zusammen sitzen oder jedes für sich, kann mir einerlei sein. Aendern thut es nun nichts mehr, es geht doch zu Ende. Er gab der Wache einen Wink und ging hinweg.

Stumm hielten sich die beiden Unglücklichen umfangen, denen die letzten Worte des Kommandanten jede Hoffnung genommen … War ihr Verbrechen in der That so groß, sollte es wirklich zu Ende mit ihnen sein? In Armgart erwachte noch einmal die Liebe zum Leben. Ihr junges Herz wollte an die furchtbare Wendung

nicht glauben. Doch ein Blick auf Barringtens Antlitz erstickte den Zweifel; er hatte keine Hoffnung mehr, das sah sie.

Schon oftmals war ihm der Gedanke gekommen, man werde ihn eines Tages einfach verschwinden lassen, um Armgart gefügig zu machen. Und war er mit seiner Liebe nicht ihr Unglück geworden? Er empfand jetzt sein Unrecht, sie zu der Flucht beredet zu haben, und meinte, nur durch seinen Tod es sühnen und die Geliebte dem Leben zurückgeben zu können. Er wollte leiden, doch sie mußte noch glücklich werden! Er warf sich ihr zu Füßen, preßte ihre Hände an seine Lippen und beschwor sie, sich nach seinem Tode dem Willen ihrer Mutter zu fügen. „Ich sterbe ruhig, so ich Euch geborgen und glücklich weiß!“

„Ich soll glücklich sein – ohne dich, nachdem ich dich in den Tod getrieben?“ rief sie mit einem Entsetzen aus, das ihn ebenso hoch beglückte wie tief betrübte.

Immer wieder bat er sie, ihm das Scheiden nicht so zu erschweren, und währenddem verstrich die Stunde mit unbegreiflicher Schnelle. War es wirklich schon so spät? Dort erschien der Kommandant wieder, in großer Uniform, mit frisch gepuderten Locken, alles so neu, als gelte es eine Parade vor Sr. Majestät! Und es galt ja auch einer ernsten, ach, der ernstesten Stunde des Lebens! Das zeigte seine feierliche, trübe Miene, mit der er auf das junge Paar zuschritt.

Noch einmal hielt er der Komtesse Armgart ihr Unrecht vor und fragte sie, ob sie sich nicht dem Willen ihrer Mutter fügen wolle. „Ueberleg sich die Demoiselle, wie viel Schönes und Angenehmes Ihr das Leben noch bieten könnte!“ Barringten vereinte seine Bitten mit den Vorstellungen des alten Offiziers, der ihn dafür mit einem sehr wohlwollenden Blick belohnte. „Die Demoiselle hört, daß der Herr Junker selbst dafür wäre. Ich meine, seine Gründe sind sehr beachtenswert.“

In den Augen des jungen Fräuleins funkelte es, wie wenn die Sonne auf Tautropfen scheint. Sie legte ihre Hände gefaltet auf ihre Brust und neigte sich etwas vor dem Kommandanten. „In der Todesstunde darf man ungescheut die Wahrheit sagen und bekennen, wie es einem ums Herz ist, nicht wahr? Seht, auch meine Todesstunde ist gekommen und deshalb kann ich es Euch sagen! Ich habe meine Frau Mutter hintergangen und mein Vaterhaus heimlich verlassen, um meinem Herzallerliebsten zu folgen, weil er mir teurer als alles andere war. Könnte ich nun ihn wieder verlassen, so wäre ich mit Fug und Recht Eurer Obhut übergeben und müßte mich zu denen zählen, welche das Sonnenlicht zu scheuen haben! Ich meinte, ihm folgen und anhangen zu sollen so lange uns Gott beisammen ließe – soll ich nun anders denken, weil uns die Menschen auseinander reißen? Er soll um meinetwillen sein Leben lassen und ich ihm nicht einmal die Treue halten, auf die er doch gewiß ein Recht hat? Das Leben hat keine Rosen mehr für mich, so ich allein wandeln müßte, und ich will tausendmal lieber mit meinem herzigen Schatz in den Tod gehen, als an eines andern Seite leben! So es Euch gefällt, bitte ich nur, uns bis zuletzt nicht trennen zu wollen. Auch sage ich Euch noch meinen Dank für Eurer Frauen Güte und Erbarmen! Vielleicht wird es Euch einst freuen, zu wissen, daß ich ohne Groll gegen Euch aus dem Leben scheide!“ Damit reichte die Komtesse dem Kommandanten ihre Hand.

„Aus diesem Leben!“ versetzte er mit einer Rührung, der er vergeblich durch verschiedene Prisen Herr zu werden versuchte. „Die Demoiselle ist ein gutes, tapferes Kind, Seine Majestät selbst müßte seine Freude daran haben. Es wäre Ihr ein besseres Los zu gönnen gewesen, aber es geschieht nichts ohne Absicht. Er fuhr sich mit dem Aermelaufschlag über die Augen. „Sind die Demoiselle und der Junker auf alles vorbereitet?“ fragte er dann mit ernstem forschendem Blick. Blaß, aber ruhig versicherten die Liebenden, auf alles gefaßt zu sein. Barringten ließ sich auf ein Knie nieder, bat Armgart, ihm zu verzeihen, daß seine heiße Liebe, die er dennoch nicht bereuen könne, ihr zum Unglück geworden sei, doch sie hob ihn schnell empor. Mit einem Aufblick zum Himmel erklärte sie nochmals laut und feierlich, sie sterbe gern mit ihm, da das Leben sie nicht vereinigen wolle. Schwere Thränen rannen über ihre bleichen Wangen, aber ihre Stimme klang fest, ihre Worte deutlich, ihre Lippen zuckten nicht, indes Barringten aufschluchzte.

„Das halte der Teufel länger aus!“ rief der Kommandant, trat zwischen sie und ergriff Armgarts Hand, die er durch seinen Arm zog.

„Machen Sie es kurz,“ bat sie beklommen, winkte noch einmal ihrem Geliebten zu und wendete den Blick entschlossen ab.

„So kurz wie möglich,“ versetzte der alte Haudegen mit heiserem Ton, machte dem jungen Mann ein Zeichen, ihnen zu folgen, und ging mit starken Schritten in das Innere der Festung zurück. Erst vor der Kapelle blieb er stehen und ließ Barringten mit den beiden Grenadieren herankommen. Dann räusperte er sich laut

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 658. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_658.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)