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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Ein guter Tropfen.
(Zu dem nebenstehenden Bilde)

Wohl manch Examen schafft uns Pein,
Doch weiß ich eins zu loben.
Wenn echte Zecher echten Wein
Im kühlen Keller proben;
Wenn’s aus dem Heber goldig rinnt
Und froh die Pulse klopfen:
Das ist er, der den Preis gewinnt,
Das ist ein guter Tropfen!

Zur Prüfung fand ich heut’ vorm Faß
versammelt sieben Männer;
Ein dicker in der Mitte saß
Der Weiseste der Kenner;
Der drückt’ die Augen ein und wollt’
Die Ohren schier verstopfen
Daß Zung’ und Nase prüfen sollt’
In Ruh den guten Tropfen.

Just von der Reise kam heran
Mit Hut und Stock der eine;
Der prüft’ und hob den Becher dann:
Gottlob, ich bin am Rheine!
Das Volk war treu, die Lande schön
Man pries’ mir Malz und Hopfen;
Uns aber wächst an Felsenhöh’n
Des Rheingaus guter Tropfen!

Den Küfer sah ich unterweil
Am Fasse schweigsam lehnen;
Er sagt nichts, doch er denkt sein Teil:
Gelt, der stillt euer Sehnen!
Und solltet ihr am frohen Tag
Ein wenig euch bezopfen:
Das Räuschlein schafft euch keine Plag’,
Das kommt – vom guten Tropfen!

Ernst Muellenbach.



Marthas Briefe an Maria.
Ein Beitrag zur Frauenfrage, mitgeteilt von Paul Heyse.[1]

Die nachfolgenden Briefe wurden mir vor einiger Zeit aus England zugeschickt, mit der Anfrage der Dame, an die sie gerichtet waren, ob ich nicht auch der Meinung wäre, durch ihre Veröffentlichung möchte denen, die in Wort und Schrift für die Berechtigung des Frauenstudiums eintreten, ein Dienst geleistet werden. Sollte ich diese Ansicht teilen, so sei sie zu der Erklärung ermächtigt, daß auch die Frau, die diese Briefe geschrieben, nichts dagegen hätte, sie gedruckt zu sehen, wenn sie auch bei ihren Mitteilungen an die Jugendfreundin nicht von fern an etwas anderes gedacht habe, als sich das Herz zu erleichtern. Sie müsse es daher zur Bedingung machen, daß der Herausgeber ihren Stil sorgfältig von allen Unklarheiten und Flüchtigkeitsfehlern reinige, und zweitens, daß Name und Wohnort der Schreiberin nicht kenntlich gemacht würden.

Daß sie – die Empfängerin – mit diesem Anliegen sich an mich wende, hätte ich dem lebhaften Interesse für diese brennende Frage zu verdanken, das ich schon zu einer Zeit, da nur erst schüchterne Funken des heutigen Brandes herumschwärmten, durch meine „Fastenpredigt“ über Frauenemancipation an den Tag gelegt hätte. Sie hoffe, dies Interesse sei inzwischen nicht erkaltet und ich würde gern das Meinige dazu beitragen, ihren Wunsch zu erfüllen.

In dieser Hoffnung soll die werte Frau sich nicht betrogen haben. Zwar ist die Frage, die das Thema dieser Briefe bildet, in einer schier unübersehbaren Litteratur verhandelt worden, eine Aufzählung der wichtigsten Bücher, Broschüren, Zeitschriften und Aufsätze, die sich mit ihr beschäftigen, findet man in dem ausgezeichneten Buche des Göttinger Professors Dr. Gustav Cohn „Die deutsche Frauenbewegung“ (Berlin, 1896). Immerhin ist für solche, die durch das Für und Wider einer theoretischen Debatte leicht ermüdet werden, die Betrachtung eines Lebensbildes von überzeugenderer Kraft, wie denn jeder Prediger weiß, daß er seiner Gemeinde durch Beispiele tiefer ans Herz greift als durch die bloße Lehre. So habe ich es mir zur Ehre gerechnet, die Herausgabe dieser Briefe – an deren klarem und die Person und die äußeren Verhältnisse der Schreiberin ihrem Wunsche gemäß einen Schleier gebreitet, dessen sie, wie ich meine, trotz ihrer Bescheidenheit wohl hätte entraten können.

Martha an Maria.
Erster Brief.
W.... 15. September 189 .     

Ist es denn wahr? Geschehen wirklich noch Wunder am Ende dieses ungläubigen neunzehnten Jahrhunderts? Wunder, die sich mit Händen greifen und ans Herz drücken lassen, wie eine vor acht Jahren begrabene und jetzt von den Toten wieder auferstandene Jugendfreundschaft?

Aber nein, meine liebste, einzigste Mary, sie war ja gar nicht richtig gestorben, diese unsre alte junge Liebe! Sie war uns nur abhanden gekommen, aber nicht abherzen (kann man das sagen?[2]), hatte Verstecken mit uns gespielt und sich so gut versteckt, daß sie sich am Ende selbst nicht mehr zu uns zurückfand.

Gewiß, mein alter Schatz, es war keine Herzenshärtigkeit Deiner Martha, daß sie selbst die große Neuigkeit ihrer Verheiratung Dir verschwieg. Wußte ich denn, wie ich Dir das fröhliche Blatt mit den kurzen und guten acht Worten:

Dr. Hellmuth Born
Martha Born, geb. Körting
Vermählte

zukommen lassen sollte, da ich Deine Spur so gänzlich verloren hatte. Erst, wenn ich mein Ziel erreicht habe, lass’ ich von mir hören! hattest Du gesagt, als wir uns am Bahnhof zum letzten mal umarmten, to sever for years,[3] und ich wenigstens half broken–hearted[4], denn ich verlor ja mit Dir mein halbes Herz, und die Hälfte, die zurückblieb, lag schwer wie Blei in meiner achtzehnjährigen Brust. Du gingst einer Zukunft voll Müh’ und Arbeit entgegen, einem harten aber erfrischenden Kampf mit dem Leben, der alle Deine Kräfte beflügelte, und ich blieb in einem bequemen müßigen Scheinleben zurück, ohne andere Pflichten, als die einer guten Tochter gegen liebe Eltern, die aber von dem, was ihr Kind bedurfte und ersehnte, keine Vorstellung hatten.

Wie oft habe ich dann an meine Herzensfreundin gedacht, von ihr geträumt, sie gescholten, daß sie ihr Wort so streng und stolz halten und mich nach einem Lebenszeichen verschmachten lassen konnte. Sie muß doch längst „ihr Ziel erreicht“ haben, sagte ich mir. Aber freilich, sie hat nun Wichtigeres zu thun,


  1. Vor 31 Jahren ist Paul Heyse mit der viel besprochenen Dichtung „Frauenemancipation. Eine Fastenpredigt“ (vgl. Jahrg. 1866, S. 720) in die Reihe der Mitarbeiter der „Gartenlaube“ getreten. Heute, da die Frauenbewegung bereits so große Fortschritte gemacht hat, ergreift der berühmte Dichter gern die Gelegenheit, die sich ihm in der Veröffentlichung dieser Briefe bietet, auf seine vor 31 Jahren nur angedeuteten Ansichten über die Notwendigkeit einer gründlicheren und höheren Ausbildung des weiblichen Geschlechts jetzt ausführlicher zurückzukommen. Dieselben werden durch das Lebensbild, das sich in diesen Briefen darstellt, nach seiner Ansicht durchaus bestätigt. Wir können zwar nicht in allen Punkten den Ausführungen der Schreiberin unbedingt beipflichten, finden aber in den Briefen Marthas an Maria eine solche Fülle wichtiger Anregungen, daß wir unseren Lesern und Leserinnen diesen eigenartigen „Beitrag zur Frauenfrage“ nicht vorenthalten möchten.
    D. Red.
  2. Warum nicht? Anm. d. Herausgebers.
  3. um uns für Jahre zu trennen. D. Red.
  4. halb gebrochenen Herzens. D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil's Nachfolger, 1897, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_748.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2017)