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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

schalten. Ich rede ihr nicht hinein bei dieser ‚Feier‘. Sie handelt in seinem Sinn. Im Sinne des Hauses Thomas. Sie leitet das Ganze besser, als ich es könnte. Wenn es vorbei ist, morgen, dann gehen wir jeder unsre eigene Straße. Begegnen werden wir uns schwerlich wieder. Herzenssache wird es Ihnen ja nicht sein, an diesem Grabe zu singen. Oder? Er hat Sie nicht danach behandelt.“

„Wenn Ihnen nichts daran liegt, Hannichen –“

„Mir! Da ich es nicht haben kann, wie ich es möchte: ganz, ganz still und leise, so ist mir alles einerlei, so wünsche ich mir nichts, als daß alles überstanden wäre und ich allein. Es ist ja auch nicht einmal Pastor Erdmann, der sprechen wird, sondern der Domprediger.“

„Erdmann? Der könnte gar nicht, selbst wenn er gebeten worden wäre. Er ist ja krank.“

„Was fehlt ihm?“ fragte Hanna erschrocken.

„Ich weiß nicht recht. So eine langwierige Sache. Ein bißchen kümmerlich und hinfällig war er wohl schon seit einem Jahr. Liegen thut er seit knapp vierzehn Tagen.“

„Ich werde zu ihm gehen, morgen – vielmehr übermorgen,“ sagte Hanna mit einem plötzlichen nervösen Zittern. „Ich war ganz ohne Ahnung davon. Woher sollte ich es auch wissen, da ich ihn so lange gemieden habe! Ist es schlimm? Wird er mir sterben, ehe ich ihn noch einmal wiedergesehen habe?“

„Ach, wo denken Sie hin. Seine Haushälterin sagte mir, es ist mehr, um ihn zu schonen, daß man ihn ins Bett gesteckt hat, weil er nur auf diese Weise von seinen Amtsgeschäften zurückzuhalten ist.“

„Haben Sie ihn gesehen?“

„Nein. Er schlief gerade. Beide Male. – Na also, Hannichen, dann gehe ich jetzt. Darf ich ’mal wieder herankommen?“

„Wann Sie wollen.“

Ein jähes Erröten übergoß ihr Gesicht, als sie aus seinem freundlichen Nicken herauslas: „Du bist ja jetzt frei, Gott sei Dank.“

„Richtig,“ sagte Günther rasch, „von Rettenbacher soll ich grüßen.“

Sie runzelte die Stirn und wandte langsam den Blick von ihm ab. War das eine Fortsetzung? Sollte noch mehr kommen?

„Danke,“ entgegnete sie ruhig, weder kalt noch warm. „Wie geht es ihm?“

„Recht gut soweit. Ich schlug ihm vor, heute mit mir herzukommen. Er wollte aber nicht.“

Hanna atmete unmerklich auf. „Lassen Sie ihn gehen. Er weiß, was er thut.“

„Wenn er aber nun überhaupt nicht kommt? Gar nicht mehr? Er sagte sowas, heute früh in der Schule. Seine Karte würde er schicken mit p. c. und damit Punktum. Zu suchen hätte er hier nichts. Förmlich grob wurde er, als ich ihm zuredete. Ich wundre mich nur, daß er nicht Nein sagte, als ich fragte, ob ich Sie wenigstens von ihm grüßen sollte.“

„Ich sage Ihnen ja: er weiß, was er thut. Reden Sie ihm nicht hinein. Von mir bestellen Sie ihm, ich ließe seinen Gruß erwidern, und seine Karte solle er nicht erst schicken.“

Günther sah sie forschend an. In ihrem blassen Gesicht rührte sich aber nichts.

So ging er seufzend fort.

(Fortsetzung folgt.)


Auf Lederstrumpfs Spuren.

In Wort und Bild geschildert von Rudolf Cronau.
II.0 Die Stätten der Lederstrumpfromane.

Der Otsegosee.

Selbstverständlich hätte die Figur des weißen Jägers allein nicht ausreichen können, um den Lederstrumpfromanen Coopers das Interesse der ganzen gebildeten Welt zuzuwenden. Dazu trug noch anderes bei: die Romane schilderten ein bedeutsames, vom Glanz wilder Romantik umleuchtetes Stück der amerikanischen Kulturgeschichte, sie malten den Kampf der weißen Ansiedler gegen die blutdürstigen Indianerstämme und eine schier übermächtige Natur. Dies mußte nicht bloß in Amerika, sondern auch in Europa interessieren, da sich unter den Ansiedlern, die den Kampf zu führen hatten, Tausende von Abkömmlingen fast jedes europäischen Volkes befanden. Von dem rührend einfachen und dabei gefahrvolle Dasein der Ansiedler, von ihren bescheidenen Vergnügungen und Festlichkeiten, von ihren Freuden und Leiden gaben die Lederstrumpfromane getreue Schilderungen die um so mehr fesseln mußten, als sie in der reizendsten und ungezwungensten Form dargeboten wurden.

Verstand es Cooper, das Leben und Treiben der Menschen zu schildern, so war er aber ein fast noch bedeutenderer Landschaftsmaler. Kein Geringerer als Balzac sagte einst: „Seine Naturschilderungen sind unübertrefflich. Niemals ist die Kunst, in Worten zu malen, der Malerei mit dem Pinsel so nahegekommen. Die Lederstrumpfgeschichten sind eine Schule für litterarische Landschafter.“

In der That kann man die Natur in ihrer jungfräulichen Wildnis, die Prairien in ihrer überwältigenden Majestät, die Jahreszeiten in ihrem Wechsel kaum schöner und ergreifender schildern, als Cooper es gethan.

Das Geheimnis dieses Erfolges liegt darin, daß der Dichter, wie er sich bestrebte, seine Figuren dem wirklichen Leben nachzubilden, so auch jeden Strich seiner Landschaften streng nach der Natur zeichnete. Darüber äußert er sich selbst in der Vorrede zum „Wildtöter“: „Wenig braucht der Verfasser über die Charaktere und die Scenerie dieser Erzählung zu sagen. Jene sind natürlich Werke der Dichtung, diese aber ist so naturtreu, als nur immer die vertraute Bekanntschaft mit dem gegenwärtigen Aussehen der betreffenden Gegend und Vermutungen über ihren früheren Charakter den Verfasser in stand setzten, sie zu schildern. See, Berge, Thal und Wald sind insgesamt, wie er glaubt, genau genug dargestellt, während Fluß, Fels und Küste treue Abzeichnungen der Natur sind. Selbst die einzelnen vorspringenden Punkte existieren, etwas verändert durch die Civilisation, aber so entsprechend den Schilderungen, daß jeder, der mit der Scenerie der fraglichen Gegend vertraut ist, sie leicht erkennt.“ In der That, der im „Wildtöter“ und in den „Ansiedlern“ verherrlichte See „Glimmerglas“, der rauschende Oswego und die tausend

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_810.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)