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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Ufern desselben gleich weit entfernt, ist eine vom Wasser bedeckte Sandbank. Daß dieser unscheinbare Fleck in einem Romane Verwendung finden könne, würde gewiß nur wenigen Menschen in den Sinn kommen. Cooper aber ließ den alten Tom Hutter hier das „Castell“, eine auf Pallisaden stehende Wasserburg, errichten, in der er mit seinen beiden Töchtern, der sanftmütigen Hetty und der berückend schönen, aber etwas leichtsinnig veranlagten Judith, hauste und wo er, wie im „Wildtöter“ zu lesen ist, unter dem Skalpiermesser eines Huronen seine Kopfhaut einbüßte.

Am südlichen Ende des Sees, wo der Susquehannah unter einem förmlichen Dom von überhängenden Bäumen als Abfluß des Sees seinen Ursprung nimmt, ragt ein gewaltiger Steinblock, kaum einen Schritt vom Ufer entfernt, aus dem Wasser. Die seit Jahrtausenden den Stein umspülenden Wellen verliehen ihm eine bienenkorb- oder heuschoberähnliche Form. Er ist der Fels, wo Wildtöter mit der Arche seinen indianischen Freund Chingachgook erwartete und in die „Arche“ aufnahm. Eine am Westufer in den See vorspringende Landzunge ist der Platz, wo Wildtöter am Marterpfahl stand und wo die Schlußscene, der Untergang der Huronen unter den Bajonetten der englischen Soldaten, sich ereignete. In den Bergen am Ostufer errettete Natty Bumppo die beiden Freundinnen Elisabeth Temple und Luise Grant von der Wut des seiner Jungen beraubten Panthers.

Der Chingachgookfelsen am Südende des Otsegosees.

Ebendaselbst ist der Schauplatz des furchtbaren, in den „Ansiedlern“ geschilderten Waldbrandes sowie die Höhle, in welcher der getreue Delawarenhäuptling Chingachgook während eines heftigen Donnerschlags von Manitu in die Jagdgründe seiner Väter abberufen wurde.

Wie lieb dem von aller Welt gefeierten Dichter des „Lederstrumpfs“ der Otsegosee und seine Umgebung waren, zeigt der Umstand, daß er nach Beendigung seiner Reisen durch Europa sich im Jahre 1833 dauernd auf dem vom Vater ererbten Besitztum „Otsego Hall“ niederließ.

„Otsego Hall“ galt lange Zeit hindurch unter den Gebäuden des idyllisch schönen, heute etwa 2500 Bewohner zählenden Ortes Cooperstown als das schönste. Es war von uralten Bäumen umgeben und enthielt außer vielen von Cooper während seiner Reisen gesammelten Merkwürdigkeiten eine vorzügliche Bibliothek. Hier schrieb Cooper während der 17 Jahre seines Verweilens 24 von seinen insgesamt 39 Bände umfassenden Werken, Er legte die nimmer müde Feder erst aus der Hand, als am 14. September 1851 der Tod ihn abrief.

Seine treue Gattin folgte ihm nur wenige Monate später ins Jenseits nach. Die letzten beiden seiner Kinder starben im Dezember 1894 und im Frühling 1895. Seine Tochter Susan Fenimore Cooper, die im Jahre 1813 geboren wurde, hatte vom Vater die schriftstellerische Begabung geerbt. Sie hat einige Werke geschrieben, die sich durch feine Empfindung und einen eleganten Stil auszeichnen. Mehr aber war sie noch angesehen durch ihre gemeinnützige Thätigkeit. Sie erwählte namentlich ihren Heimatsort Cooperstown zur Stätte ihres menschenfreundlichen Wirkens und gründete daselbst ein Waisenhaus, sowie eine Friendly Society, einen Hilfsverein. Heute ist das ganze Coopersche Geschlecht erloschen Auch „Otsego Hall“ steht nicht mehr. Eine im Jahre 1853 ausgebrochen Feuersbrunst legte es in Asche. Der Standort des denkwürdigen Gebäudes ist aber durch eine hübsche Parkanlage und eine Gedenktafel bezeichnet.

Das von alten Fichten überschattete Coopersche Erbbegräbnis umschließt gegen 36 Grabstellen, darunter diejenige des freigelassenen Negers Joseph Stewart, der nach zwanzigjährigem, der Familie Cooper geleistetem treuen Dienste im Jahre 1823 starb und in den „Ansiedlern an den Quellen des Susquehannah“ von Cooper gleichfalls verewigt worden ist.

Die Grabstätten des berühmten Romanschreibers sowie seiner Gemahlin sind nur mit einfachen Marmorplatten bedeckt, die keine weiteren Inschriften als die Namen, Geburts- und Sterbetage der unter ihnen Ruhenden tragen. Dagegen erhebt sich auf dem am Ostufer des Sees angelegten, entzückend schönen neuen Friedhof ein von Freunden und Verehrern des Dichters dem Andenken desselben gewidmetes Monument, ein mächtiger Schaft aus carrarischem Marmor, dessen Spitze die Figur des seine Flinte ladenden, nachdenklich auf den blauen See hinabblickenden Lederstrumpfs trägt. Sein treuer Hektor ist ihm zur Seite.

Auf der Vorderseite des das Denkmal tragenden Unterbaues prangt der Name Coopers in einem Kranz von Eichen- und Lorbeerzweigen. Auf der rechten Seite des Unterbaus deuten Studierlampe, Tintenfaß und eine von einem Adler emporgetragene Schreibfeder den Beruf des Schriftstellers an. Ein Anker hinter gekreuzten Rudern, sowie Degen und Fernglas erinnern an den von Cooper ursprünglich ins Auge gefaßten Seemannsberuf sowie an seine Seeromane. Die Südseite des Monuments hingegen zeigt eine aus Bogen, Köcher, Lanze, Tomahawk, Scalplocke und einem Halsband aus Bärenklauen gebildete Waffentrophäe.

Es bedürfte dieses stolzen Denkmales nicht, um den Namen Coopers auf die Nachwelt zu bringen. Der Zauber, der seine Lederstrumpfgeschichten umweht, die Romantik, mit der er den lieblichen Otsego umkleidete, werden leben, so lange es eine amerikanische Litteratur giebt, so lange der „Glimmerglas“ die ihn umschließenden Wälder und Höhen widerspiegelt.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_812.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)