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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)


 Ruprecht

Wenn die Flocken fliegen,
Kommt der Weihnachtsmann,
Rührt die kleinen Herzen,
Rührt die großen an.

5
Ueber tausend Jahre

Macht er nun die Fahrt
Ueber tausend Jahre
Weht sein weißer Bart.

Durch die Dämmerstunde

10
Geht er oft herfür,

Lauscht an jedem Laden,
Horcht an jeder Thür.
Kennt sie all’ bei Namen,
Weiß um jedes Kind,

15
Ob sie gerne beten,

Ob sie artig sind.

Niemals war dem Guten
Noch zu fern ein Haus,
Läßt sich nicht verdrießen

20
Winternacht und Braus.

Nickten all’ die Kleinen
Schläfrig ein am Herd,
Kramt er aus dem Sacke
Buch und Schaukelpferd.

25
Geht dann heimlich wieder,

Daß ihn niemand sah,
Läßt uns Großen lächelnd
Liebe Träume da.
Und er thut ein Wunder

30
Jede heil’ge Nacht:

Hat die Herzen wieder
Voll und warm gemacht.
 Paul Härtel.


Tierisches Leben unter Eis.

Von Professor Dr. Kurt Lampert.

Durch den winterlichen Hochwald führt uns der Weg zu dem einsam gelegenen Bergsee. In tausend Lichtern spielen die frostigen Strahlen der Dezembersonne auf der glitzernden Eisfläche. Die Natur ist eingegangen in die große Winterruhe, in der sie frische Kräfte sammelt zu baldigem, neuem Sprossen und Keimen. Tiefe Stille umgiebt uns, heute raschelt keine Eidechse im Gras, kein fröhlicher Vogelchor ertönt in den Zweigen, lautlos klettern gewandte Meisen an den kahlen Aesten und trägen Fluges zieht ein Rabe zu unseren Häupten.

Das vollendete Bild des Todes scheint uns der See zu geben. Das flüssige leichtbewegliche Element ist erstarrt unter dem Frosthauch des Winters und jedes Leben ist verschwunden. Da hüpft kein Frosch bei unserem Nahen mit plumpem Sprung ins Wasser, kein zierlicher Salamander taucht zwischen den Blättern am Ufer auf, kein Fisch springt draußen auf leicht gekräuselter Wasserfläche empor.

Ist wirklich alles Leben erstorben? Weit draußen im See zeigen Warnungspfähle den Schlittschuhläufern eine gefährliche Stelle an. Ein Loch ist dort in das Eis geschlagen. Es soll wohl ein „Luftloch“ sein, welches ein besorgter Fischbesitzer gemacht hat, um dem Wasser atmosphärische Luft zuzuführen; vielleicht hat es auch zu winterlichen Fischereizwecken gedient.

Hiernach zu schließen pulsiert also doch auch unter dem Eis noch thätiges Leben?

Eine Reihe von Fragen tritt sofort uns entgegen: Herrscht in den gefrorenen Wasserbecken überhaupt keine Winterruhe? Oder sind nur einzelne Bewohner in der glücklichen Lage, die Winternacht zu verträumen, während anderen auch im Winter das harte Ringen um die Existenz beschieden ist?

Die Natur liebt keine Monotonie; auf den verschiedensten Wegen verfolgt sie das gleiche Ziel, die Erhaltung ihrer Geschöpfe. Dem einen ist nur die Lebensdauer eines kurzen Sommers beschieden, aber widerstandsfähige Keime sorgen für das Erstehen einer neuen Generation im kommenden Frühjahr; andere Lebewesen versinken in einen schützenden Winterschlaf, der ihnen die Nahrungsaufnahme unnötig macht und bei herabgesetzter Lebensthätigkeit über alle Fährlichkeiten hinüberhilft. wiederum anderen Organismen ist die glückliche Gabe mit auf den Lebensweg gegeben, in geringer Abhängigkeit von Temperatur und sonstigen äußeren Einflüssen, sich ihres Daseins auch im Winter freuen zu dürfen und endlich begegnen wir auch in Deutschland manchen Organismen, denen die Winterszeit sogar als die angenehmste des Jahres erscheint.

Erst in neuerer Zeit hat sich die biologische Wissenschaft eingehender auch mit der Frage beschäftigt, wie die Bewohner unserer Wasserbecken den Winter verbringen, und fragen wir heute bei ihr hierüber an, so bekommen wir oft noch recht ungenügende Antwort. Wir dürfen freilich hieraus keinen Vorwurf erheben, denn kaum zehn Jahre sind es her, seit überhaupt der Tierwelt unserer Binnengewässer in Fach- und Laienkreisen in erhöhtem Maß Aufmerksamkeit geschenkt wird. Auch der bescheidenste Tümpel zeigt im Sommer ein reiches Leben an tierischen und niederen pflanzlichen Organismen. In Weihern und vollends erst in großen Seebecken umfaßt das Inventar an Lebewesen leicht viele Dutzend Arten. Frösche, Salamander und Fische vertreten die Wirbeltiere, zwischen den Pflanzen des Ufers kriechen Schnecken umher, während im schlammigen Boden große Muscheln stecken; auf Steinen und an Schilfstengeln sitzen korallenartig verzweigt oder in dicken Knollen die Kolonien der Schwämme und Moostierchen. Schon mit den bloßen Augen erkennen wir zahlreiche Wasserinsekten und Insektenlarven, und nehmen wir das Netz zur Hand und fahren zwischen Uferpflanzen hin oder fischen draußen auf freiem See, so füllen sich unsere Gläser mit einem Gewimmel halbmikroskopischer Tiere, welche die Zoologie meist zu den kleinen Krebstierchen zählt. Forschen wir noch weiter und nehmen das Mikroskop zu Hilfe, so enthüllt es uns noch Lebewesen, die dem menschlichen Auge verborgen geblieben waren: Rädertierchen verschiedenster Art, Infusorien winzige pflanzliche Gebilde mit einem eleganten Kieselpanzer, die bekannten Diatomeen, und auch Bakterien.

Dieses Bild sommerlichen Lebens eines kleinen Wasserbeckens von geringer Tiefe ändert sich im Winter. Schon im Frühsommer haben die Wassersalamander nach dem Laichgeschäft das Wasser verlassen und sich ans Land begeben, wo sie unter Steinen und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 836. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_836.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)