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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

eines dick gefrorenen Sees eine Temperatur von etwa +4°C, und für viele Tiere ist diese Temperatur völlig zureichend, besonders für solche, die an und für sich in größeren Tiefen leben, wo auch im Sommer die Temperatur nicht viel höher steigt.

In ausgedehntestem Maße hat zum erstenmal Imhof über diese interessante Frage systematisch durchgeführte Untersuchungen gemacht. In den Wintermonaten Dezember und Januar untersuchte er schon vor mehreren Jahren hochgelegene Wasserbecken im Ober-Engadin und Kanton Graubünden, z. B. den St. Moritzsee, den Silvaplanasee u.v.a., darunter auch den Lej Sgrischus in 2640 m Höhe, welchen neun Monate lang eine Eisdecke abschließt. Wo sich auch nur eine Tiefe von einigen Metern ergab, fand sich organisches Leben. ja sogar solche Tiere, die wir bei unserer winterlichen Exkursion nach dem seichten Weiher vermißt haben, lebten in der Tiefe der gefrorenen Seen. Hier fanden sich, wie z. B. im Campfèrsee, üppig gewachsene Stöckchen von Moostierchen, auf deren Aestchen wohlgenährte Hydren saßen. Ferner kleine Kruster der verschiedenen Ordnungen, nicht nur Hüpferlinge, sondern auch Wasserflöhe, Fadenwürmer und Strudelwürmer, Wassermilben, Insekten und Insektenlarven. Es ist kein Wunder, daß bei solch reich gedecktem Tisch mitten im Winter es auch den Fischen nicht schlecht geht und die Forellen, die Imhof in diesen hochgelegenen Seen fischte, sich wohlgenährt zeigten. Wir wissen ja auch, daß für die trefflichen Bodensee-Felchen, welche zu den besten unserer Tafelfische zählen, die Laichzeit mitten in den Winter fällt.

Nur scheinbar und trügerisch ist die Todesruhe, in welcher uns das winterliche Wasserbecken erscheint. In weitaus den meisten Fällen herrscht reges Leben unter dem Eis, meist klein zwar und dem gewöhnlichen Blick sich entziehend, nicht unwert der näheren Beachtung und nicht bedeutungslos im vielverzweigten Haushalt der Natur.



BLÄTTER UND BLÜTEN.

Christabend. (Zu unserer Kunstbeilage und dem Bilde S. 837) In verschiedener, aber gleich ansprechender Weise verherrlichen unsere Bilder den Zauber des Christabends. J. R. Wehle führt uns auf seinem Gemälde „Der große Augenblick“ in den engen Kreis einer glücklichen Familie. Für die Kinder ist gerade der große Augenblick gekommen, sie dürfen in das Zimmer eintreten, in welchem der duftende Tannenbaum im Lichterglanz erstrahlt und allerlei Gaben, die das Kinderherz erfreuen, ausgebreitet sind. Freudige Ueberraschung strahlt aus den hellen Kinderaugen und Freude verklärt die Gesichter der Eltern. Alljährlich wiederholt sich dieser große Augenblick im deutschen Hause, aber sein Glanz blaßt niemals ab. Unwiderstehlich werden die Herzen von dem Zauber ergriffen, der von dem Christbaume ausgeht.

In die hehre Pracht des winterlichen Waldes, versetzt uns dagegen das Bild von G. Mühlberg. Tausend Sterne funkeln am dunklen Firmament und tief im Thale glühen die Fenster in den Häusern des Dorfes. Im Lichterglanz erstrahlt auch die kleine Kirche, und von ihrem Turme tönt das Glockengeläute, das die Gemeinde zur Christmette ruft. Wie ergreifen die heiligen Töne die Wanderer, welche auf dem Heimweg begriffen sind. Das Sternenzelt wird ihnen zu einem gewaltigen Kirchendom, der düstere Wald verliert seine Schrecken, und zwischen den schneebehängten Tannen erscheint ihnen das gabenspendende Christkind. Ein tiefer und wahrer Sinn liegt in diesem allegorischen Bilde. Ueberall kann das herrlichste Weihnachtsfest gefeiert werden, überall erscheint das Christkind, wo es Menschen giebt, die an Liebe glauben.

O. Verbecks Erzählungen. Der Roman „Einsam“, der gegenwärtig in der „Gartenlaube“ veröffentlicht wird, erfreut sich, wie wir aus zahlreichen Zuschriften ersehen, eines außerordentlichen Beifalls. In diesen Zuschriften spricht eine Anzahl unserer Leser und Leserinnen auch den Wunsch aus, Näheres über die bisherige schriftstellerische Thätigkeit des Autors zu erfahren. Zugleich wird die Frage an uns gerichtet, ob dieser Autor, der so packend schildert und so warm zu Herzen spricht, ein Mann oder eine Frau sei.

Wir können darauf erwidern, daß der Name O. Verbeck das Pseudonym einer reichbegabten Schriftstellerin ist, die bereits vor ihrem Roman „Einsam“ eine Reihe kleinerer, aber eigenartiger und fesselnder Novellen geschrieben hat. Dieselben sind als ein hübsch ausgestattetes Buch unter dem Titel „Drei Erzählungen“: Der erste Beste, Die Neuenhofer Stücke, Maria Neander im Verlage von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erschienen.

Von diesen drei Erzählungen ist die „Neuenhofer Stücke“ nur eine kurze „Ferienerinnerung“, eine originelle Charakterstudie, während die beiden anderen mit feiner Empfindung und großer Sorgfalt ausgearbeitete Novellen sind, in welchen die Vorzüge des Verbeck’schen Talentes voll zur Geltung kommen.

Die Hauptgestalt der Novelle „Der erste Beste“ ist Margarete, ein junges Mädchen, das aus Gram über ihre erste unglückliche Liebe den „ersten Besten“ heiratet, der mit Zustimmung ihrer guten und klugen Mutter um ihre Hand anhält. Die junge Ehe nimmt keinen guten Anfang. Es kommt zu einer Entfremdung der Gatten. Sich selbst überlassen, gelangt indessen Margarete Schritt für Schritt zu der Einsicht, wie unrecht, undankbar sie gehandelt hat. Beschämt, empfindet sie tiefe Reue, heiße Liebe erwacht in ihrem Herzen und schließlich erfolgt eine glückliche Versöhnung.

In dieser Novelle sind die Herzenskämpfe der jungen Frau mit warmem Empfinden geschildert. O. Verbeck zeigt sich dabei als eine überaus feine Kennerin der geheimsten Regungen des Frauengemüts. Eine scharfe Beobachterin der Menschen und der Natur, versteht sie mit klarer Ueberlegung die Situationen, in welche ihre Heldin versetzt wird, zu schildern. Dabei kommt ihr eine knappe aber formvollendete und vom dichterischen Hauch belebte Sprache zu statten. So wirken auch in dieser Erzählung die Schilderungen des Landlebens auf dem wohlgeordneten Gute Hellborn und die Scenen aus dem Aufenthalte an der Ostsee überaus fesselnd und anziehend.

Sehr ernsthaft ist der Inhalt der Novelle „Maria Neander“. Mit feinen Zügen ist die Gestalt der so herb Getäuschten gezeichnet. Der Leser gewinnt die innigste Teilnahme für diese anmutige Maria, die unter dem unerträglichen Drucke ihrer geheimen Schuld so schwer leidet. Der Ausgang ist auch in dieser Novelle erfreulich, denn zuletzt schließen die durch so schwere Kämpfe geläuterten Herzen den ewigen Bund.

Wie vielseitig O. Verbeck veranlagt ist, ersehen wir noch aus einem anderen Buche, das sie geschrieben hat. „Allerleirauh“ heißt sein Titel und es enthält sieben reizende Tiergeschichten für Kinder. Dieselben wollen in den Kinderherzen Mitgefühl für die Tierwelt erwecken, was der Verfasserin in glücklichster Weise gelingt. Sie unterrichtet die Kleinen, wie sie auf die „Sprache der Tiere“ achten sollen. Ein Mensch, der Tiere lieb hat, versteht genau, was sie sprechen. Denn er hört, wenn z. B. so ein Hund bellt oder winselt oder schnauft, ganz deutlich, was dieses Bellen oder Winseln oder Schnaufen zu bedeuten hat. Er versteht es so genau, daß er sich all diese Töne in wirkliche Worte übersetzen kann, als wären sie gesprochen worden. Das Buch, gleichfalls im Verlage von Fr. Wilh. Grunow erschienen, ist mit 39 trefflichen Illustrationen von Ch. Botteler geschmückt. Von der Mutter vorgelesen, werden diese Tiergeschichten sicher in jedem deutschen Hause an den langen Winterabenden unter den Kleinen und Kleinsten eifrige und dankbare Zuhörer finden.

Die Maschinenphotographie. Bei der Wichtigkeit, welche die Photographie neuerdings in der Illustrationstechnik gewonnen hat, kann es nicht wunder nehmen, daß man die umständliche Arbeit des Kopierens, Entwickelns und Fixierens, welche bisher nach Vollendung der photographischen Aufnahme für jedes einzelne Positivbild erforderlich war, auch auf diesem Gebiete der Maschine zuzuwälzen sucht. Es giebt zwar eine Anzahl von sogenannten photographischen Druckverfahren, aber diese liefern vielfach nur ein mehr oder weniger deutliches Abbild der Photographie, ohne die Frische und den warmen Ton einer solchen in vollem Maße zu besitzen.

Ein neues, zuerst in Amerika und jetzt auch schon in Deutschland angewandtes Verfahren zur fabrikmäßigen Herstellung wirklicher photographischer Positive ist bestimmt, den älteren Methoden des Umdrucks Konkurrenz zu bereiten und die eigentliche Photographie dem Buch- und Zeitungsdruck dienstbar zu machen. Die dazu nötigen Vorrichtungen bestehen aus einer Kopiermaschine und dem ebenfalls maschinenartig bedienten Entwicklungs- und Fixierbad, an welches sich endlich eine Trockenkammer anschliesst. In allen Räumen wird unter Ausschluß des Tageslichtes bei künstlicher Beleuchtung gearbeitet.

Die Kopiermaschine enthält in einem horizontalen Rahmen eine Reihe von nebeneinander liegenden photographischen Platten oder Negativen, die entweder alle nach einer Aufnahme gefertigt sind und alle denselben Gegenstand darstellen oder aber, wenn es sich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 839. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_839.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)