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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Eine Hohenzollernhochzeit im Jahre 1598. (Zu dem Bilde S. 844 und 845.) Die Festfreude des Mittelalters wußte bekanntlich sowohl geistliche als weltliche Anlässe trefflich auszunutzen, ihr Höchstes aber hat sie stets im hochzeitlichen Gepränge geleistet, mochte sich dasselbe nun als tagelanges Schmausen und Tanzen im Adels- und Bürgerhause oder als die große Prachtentfaltung einer sittlichen Vermählung darstellen. Manche von diesen Festen, so vor allem die glanzvolle brabantische Hochzeit Maximilians I. lebten noch jahrhundertelang im Volksmunde, auch die in unserem Bilde dargestellte Hohenzollersche Hochzeit zu Hechingen am 11. Oktober 1598 blieb in der Erinnerung von Kindern und Kindeskindern haften. Der Bräutigam, Graf Johann Georg von Hohenzollern-Hechingen, dem später Kaiser Ferdinand den Fürstentitel verlieh, gehörte den schwäbischen Linien des Geschlechtes an, von welchen heute nur noch die Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen bestehen. Seine Braut war Franziska, Gräfin von Salm, die Tochter eines bedeutenden und mächtigen Hauses.

Mit dem ganzen Geleit seiner edlen Gäste ritt in der Frühe des Hochzeitstages der junge Graf von Zollern aus dem Thore, um die herannahende Braut einzuholen. Volksjubel und Kartaunenknall begrüßten sie, darauf ging es ungesäumt zur Trauung in einem geschmückten Saale des Schlosses.

Nach derselben bewegte sich der Hochzeitszug in den Festsaal, welchen unser Bild in großer Lebendigkeit darstellt. Zuoberst thront unter seinen vereinigten Wappen das Brautpaar mit den nächsten Verwandten; rechts und links davon ziehen sich die Tafeln für die Gäste hin, welch letztere streng nach ihren Rangklassen geordnet sind: der hohe und der niedere Adel, Amtspersonen und Priesterschaft.

So viele und mannigfache Gerichte nun die Vorschneider zu zerlegen und die Diener darzureichen hatten: ein Hauptstück bei jeder damaligen Festtafel waren die sogenannten Schauessen, Konfektschalen mit künstlichen Darstellungen, oft von großem Wert. Die Stammburg Hohenzollern ziert den Tisch des Brautpaares; auf dem unteren befindet sich zwischen dem gesulzten Eberkopf und der schweren Marzipantorte, der heilige Georg mit dem Drachen kämpfend, dem Namen des Bräutigams zu Ehren. Auf der Tribüne spielt die Tafelmusik ihre lustigen Weisen, wie später zum Tanz. Man horcht auf sie zwischen den Späßen der Schalksnarren, die am Tisch ihr Wesen treiben, man läßt es sich dabei von Herzen schmecken, und ist nun, da der Nachtisch beginnt, voll Spannung, was für „Aufführungen“ ganz besonderer Erfindungen dieses prächtige Fest krönen sollen.

Und siehe da! herein tritt ein Wesen ganz seltsamer Art. Zwischen zwei kerzentragenden Pagen schiebt sich feierlich-steif ein lebensgroßes Fräulein mit Wachsgesicht und blonder Lockenperücke in den Saal, schreitet langsam nach dem Tisch des Brautpaares, verneigt sich zu wiederholten Malen und verläßt dann den Saal ebenso gravitätisch, als sie gekommen. Die Braut sieht etwas erschreckt auf die leblose Erscheinung, der Bräutigam aber scheint im Geheimnis zu sein und zu wissen, daß ein kleiner Page in dem hohlen Innenraum steckt und vermittels Schnüren Kopf- und Armbewegungen lenkt.

Am nächsten Tage, wo dem eigentlichen Hochzeitsmahle ein ebenso gediegenes Nachessen folgte, kam dieselbe Figur nochmals herein, aber nun trug sie zwei schöne Kindlein auf den Armen, als Zukunftsweissagung für das junge Paar. Bn.     

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Schneeschmelzmaschine in New York.

Schneeschmelzmaschine in den Straßen von New York. (Mit Abbildung.) In den Großstädten bringen starke Schneefälle lästige Verkehrshemmungen hervor und die Beseitigung der Schneemassen verschlingt Unsummen. Nach einem Schneesturm, wie sie in New York gar nicht selten sind, muß das Straßenreinigungsamt oft 75 000 bis 150 000 Dollar für das Wegschaffen des Schnees mittels der gewöhnlichen Abfuhr zahlen. Man hat deswegen dort schon im Winter Versuche mit Schneeschmelzmaschinen gemacht, die sich außerordentlich bewährt haben. Unser Bild zeigt uns eine solche, durch die „Snow and Ice Liquefying Company“ von Paterson (New Jersey) hergestellte Maschine in Thätigkeit. Sie ruht auf einem von zwei Pferden gezogenen vierräderigen Wagen; unter dem Kutschersitz liegt ein großes Naphthareservoir, zwischen den Vorder- und Hinterrädern ist der Dampfkessel mit dem Mechanismus aufgestellt, und nach rückwärts erstreckt sich der Schmelzkasten weit über die Hinterräder hinaus. Auf letzteren wird der Schnee mit Schaufeln geworfen, ein nach rückwärts gebogenes Schutzblech über den Hinterrädern verhindert, daß die Schneemassen mit dem Mechanismus in Berührung kommen. In der Mitte zieht sich längs eines durchgehenden Schlitzes im Verdeck des Kastens ein starkes Doppelgitter hin; zu dessen beiden Seiten sich die daraufgeworfenen Schneemassen verteilen. Nachdem das Naphthareservoir gefüllt ist, wird der Dampfkessel mit Holz angefeuert und der sich entwickelnde heiße Dampf in Rohrwindungen geleitet, die am Boden des Reservoirs angeordnet sind. Die Hitze bringt das Naphtha gleichfalls zum Verdampfen und treibt einen Teil in den am oberen Teile des Behälters befindlichen Separator. Von dort wird der Dampf unter den Dampfkessel geleitet, wo er als Heizmaterial dient. Uebersteigt der Druck des Dampfes einen gewissen Grad, so tritt nun ein Gebläse in Thätigkeit. Ein Teil der Luft, die diesem entströmt, mischt sich mit dem Naphthadampf im Heizraum des Dampfkessels, und dadurch steigert sich der Druck des Dampfes um das Doppelte; in dieser Stärke verharrt er dann, solange die Maschine in Thätigkeit bleibt. Soll nun die Arbeit des Schneeschmelzens beginnen, so läßt man den Naphthadampf aus dem Separator und den Gebläsewind zusammen in den unteren Teil des Schmelzkastens strömen, wo sie sich miteinander vermischen und entzündet werden. Der feurige Dampf schlägt zeitweilig durch den Schlitz zwischen dem Gitter in bläulich leuchtenden Flammen hoch empor. Es entwickelt sich dabei in dem Innern des Schmelzkastens eine so gewaltige Hitze, daß die aufgeschütteten Schneemassen in überraschend kurzer Zeit zum Schmelzen gebracht werden. Das Schneewasser fließt unten ab und kann durch Schläuche unmittelbar in die Straßenkanäle geleitet werden. E. M.     

Johanna Sebus. (Zu dem Bilde S. 853.) Als im verwichenen Sommer die furchtbaren Heimsuchungen weiter Landstriche durch Wasserkatastrophen das gesamte Vaterland in Trauer versetzen, wird gar manchem unserer Leser Goethes Ballade „Johanna Sebus“ im Gedächtnis lebendig geworden sein, welche das furchtbare Walten der über die Ufer getretenen Flüsse ergreifend wie kein anderes Gedicht schildert. Goethe dichtete die Ballade „zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten, aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgange des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging“. In der großen illustrierten „Prachtausgabe von Goethes Gedichten, ausgewählt von Karl Heinemann, mit Bildern nach Zeichnungen von Frank Kirchbach“, welche soeben im Verlage von Aldolf Titze in Leipzig rechtzeitig erschienen ist, um sich als kostbares Weihnachtsgeschenk darzubieten, hat auch diese Ballade eine wahrhaft künstlerische Illustration erhalten. Wir geben sie als Probe in verkleinertem Umfang wieder. Sie zeigt das edle Mädchen bei seinem heldenhaften Rettungswerk. Eben hat die Furchtlose die Mutter ans sichere Ufer gebracht, da wendet sie sich zurück, um auch der auf dem Bühl inmitten der Flut ihrer harrenden Hausgenossin samt ihren drei Kindern Hilfe zu bringen. Wir kennen ihr Schicksal. Wohl gelangt sie durch die hochgehenden Wogen zu den Jammernden, aber vergeblich:

Der Damm verschwand, ein Meer erbraust’s,
Den kleinen Hügel im Kreis umsaust’s.
Da gähnet und wirbelt der schäumende Schlund
Und ziehet die Frau mit den Kindern zu Grund …
Schön Suschen steht noch strack und gut:
Wer rettet das junge, das edelste Blut? …
Rings um sie her ist Wasserbahn,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
Da nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf.“ …

Die Darstellung der Scene durch Frank Kirchbach, dem die „Gartenlaube“ schon so manches schöne Bild verdankt, ist charakteristisch für die feine Empfindung und das reine Stilgefühl, mit welchen er die hohe Aufgabe zu lösen bestrebt war, der hinreißenden poetischen Bildersprache des Goetheschen Genius in dieser Prachtausgabe seiner Gedichte mit den Mitteln des Malers gerecht zu werden.


[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht transkribiert.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_856.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)