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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Tragödien und Komödien des Aberglaubens.

Klopfgeister.
Zum fünfjährigen Jubiläum des Tischrückens und des Geisterklopfens. Von Rudolf Kleinpaul.

Ein junger Schiffsarzt, der kürzlich von einer Reise nach Kamerun zurückkam, erzählte unter anderem auch von dem merkwürdige Fernsprechverkehr, in dem die dortigen Neger seit alten Zeiten stehen. An jedem Orte befindet sich eine Art Trommel, die aus einem hohlen Baumstamme gefertigt ist. Auf dieser Trommel wird mit zwei Stöcken förmlich gesprochen. Man hört die Schläge eine halbe Stunde weit, und so kann in kurzer Frist durchs ganze Land getrommelt und eine wichtige Nachricht weitergegeben werden. Die Könige erhalten dadurch ihre Meldungen und erteilen ihre Befehle auf weite Entfernungen. Die jungen Dualla lernen die Trommelsprache, wie die deutschen Kinder Englisch und Französisch, und zwar mit ebensoviel Mühe, denn sie ist keineswegs leicht. Diese geheimnisvolle Verständigung, von der man sich gelegentlich auf den Völkerwiesen in den Zoologischen Gärten überzeugen kann, existiert bei vielen Negerstämmen. In der Nähe haben sie noch andere Zeichen, die sie sich dadurch geben, daß sie sich auf die aufgeblasenen Backen klopfen.

Wir klopfen an die Thüre. Was ist da weiter zu verwundern? – Die Kameruner haben nur eine Sprache ohne Worte ausgebildet, die am Ende auch andere Leute besitzen und tagtäglich neben der gewöhnlichen anwenden. Es sind Lärmzeichen oder akustische Signale, wie sie im Militärdienst ebenfalls sehr häufig mit der Trommel, der Trompete und dem Horn gegeben werden; auf dem Turme bedient man sich der Glocke, im Hause der Klingel, im Hotel des Tamtams, an der Thüre eines eisernen Ringes oder Hammers – im gewöhnlichen Leben behilft man sich oft auch ohne Instrumente, man pfeift nur oder klatscht oder pocht mit dem Finger an. Auch glaube man nicht, daß wir diese einfachen Zeichen nicht ebenfalls entwickelt und zu einer mehr oder minder vollkommenen Sprache ausgebildet hätten.

Verweilen wir einmal bei einer so elementaren Kundgebung, wie das Anklopfen eine ist. Es kann sehr wohl bekannt sein wie einer klopft, es kann sehr wohl ausgemacht werden, wie einer klopfen soll. Weltberühmt ist das Wort Beethovens, mit dem er den ersten Satz der c-moll-Symphonie selbst charakterisiert hat: So klopft das Schicksal an die Pforte. Gemeint sind die vier Noten, welche kurz und bündig wie Hammerschläge in das Leben hereinhallen:

Das Motiv soll dem Komponisten eine Goldammer im Walde zugetragen haben, das klingt höchst unwahrscheinlich. Das Motiv konnte Beethoven vielmehr an jedem Thor hören, wenn er wollte. In Wien haben noch einzelne alte Paläste ihre eisernen Thürklopfer, in Rom und in London sieht man einen „Knocker“ an jedem Hause. In Rom klopft man soviel mal an die Hausthüre, als die Familie, die man sucht, Stock hoch wohnt; in London sind die Schläge in Häusern, die nur von einer Familie bewohnt werden, genau geregelt, so daß man den Stand des Besuchers daran erkennt. Ein Hausierer, ein Diener hat nur einmal zu klopfen. Ein Gentleman klopft zweimal, er macht den herkömmlichen Double-Knock, das heißt, zwei kräftige Schläge, zwischen die mehrere kurze Noten wie ein Tremolo eingeschoben werden.

Wenn man einen Besuch machen will und diese zarte Andeutung unterläßt, so kann es vorkommen, daß man warten muß. Der Bäcker klopft dreimal. Der Briefträger bringt, sobald er die Post in den Kasten geworfen hat, einen Jambus, das heißt, einen Versfuß hervor, der aus einer kurzen und einer langen Silbe besteht, also etwa so:

Dieser postalische Klopf, den auch der Telegraphenbote braucht, ist unter der Bezeichnung the Postman’s Knock bekannt und beliebt. Das Klopfen begünstigt eine solche Geheimsprache noch mehr als das Klingeln, obgleich auch die elektrische Klingel zu eingehenden Mitteilungen verwendet werden kann und wird.

Auch im Aberglauben spielt das Klopfen eine wichtige Rolle. Zu den verschiedensten Zeiten und bei den verschiedensten Völkern glaubte man, daß die Geister, wenn sie sich mit den Menschen auf Erden verständigen wollen, vorzugsweise dieses Mittel wählen. Auch die Geister sollen ja klopfen und uns damit von ihrer Anwesenheit wie ein Fremdling, der draußen steht, unterrichten.

„Wenn man einen Verstorbenen, der jetzt im Geistereiche weilt,“ sagt der amerikanische Spiritist Davis, „inbrünstig anruft und befragt, so erhält man eine Antwort, die geklopft wird. Durch eine willkürliche Entladung magnetischer Ströme sind die Geister imstande, ein Klopfen hervorzubringen. Das Klopfen erfolgt wie beim Telegraphen nach den Buchstaben des Alphabets.

Die Leute, die mit den Geistern verkehren und die Klopfsprache verstehen, nennt man in Amerika Spirit-rappers, wörtlich Geister-klopfer (to rap, klopfen). Wir drehen die Sache herum und reden rationeller von Klopfgeistern , wie wir von Poltergeistern reden.

„Geklopft“ hat es, wenn man den Gelehrten glauben will, schon im grauen Altertum. Aber verstanden worden ist die wunderbare Sprache erst vor fünfzig Jahren in Nordamerika, daher wir in der Zeit der Denkmäler und der Jubiläen willig das Jubiläum des Geisterklopfens feiern!

In dem Dorfe Hydesville in der Grafschaft Monroe wohnte ein gewisser Michael Weckman. Er hatte sich eben spät abends nach harter Arbeit zur Ruhe gelegt und gedachte gerade einen langen Schlaf zu thun, als er plötzlich wieder aufwachte. Es hatte geklopft. War jemand da? – Keine Menschenseele. Er ging also wieder zu Bett. Da klopfte es abermals und stärker. Wieder sah er hinaus, und wieder fand er niemand, auf der Straße war alles still. Und immer klopfte es wieder. Nun achtete der Mann nicht mehr darauf. Das ging eine Zeit lang so fort, er wurde das Gepoche nachgerade gewohnt und hörte es gar nicht mehr, doch wurde ihm die Sache am Ende unbequem. Und da auch sein Töchterchen einmal des Nachts entsetzlich zu schreien anfing, weil ihm eine kalte Hand übers Gesicht gefahren war, so kündigte Michael Weckman das Logis und zog aus.

Achtzehn Monate lang stand das Haus leer; dann wurde es an eine deutsche Familie, die Familie Fox vermietet, die es im Dezember 1847 bezog. Es waren Methodisten, Vater, Mutter und drei Töchter, der Mann hieß eigentlich Voß, er hatte sich aber verengländert und nannte sich Fox, was immer noch nicht so schlimm war, als wenn sich Herr Vogel in Amerika 'Bird' Herr Bernstein 'Amber' und Herr Feuerstein 'Flint' nannte, denn Fox ist ganz derselbe Name wie Voß, beides nur eine andere Form von Fuchs. Mit Fuchses ging nun das Klopfen eigentlich erst recht los, aber sie wußten es besser zu nehmen. Sie zeigten sich für etwas Höheres empfänglich. Es war im März des Jahres 1848, wiederum spät abends, die Eltern wollten sich eben zu Bett begeben, die Mädchen lagen schon drin, da klopfte es von neuem. Die drei „Grazien“ wurden aufmerksam, sie schnipsten mit den Fingern. Sieh da! es schnipste wieder. Sie fingen an, in die Hände zu klatschen und Eins, Zwei, Drei zu zählen – der Teufel zählte mit.

Nun fand die Frau Mutter für gut, von der Sache Notiz zu nehmen. „Zähle einmal bis Zehn, du lieber Geist!“ sagte Mrs. Fox zu dem unsichtbaren Dinge. Es klopfte zehnmal. „He, weißt du auch, wie alt meine Tochter Kitty ist?“ – Dreiundzwanzig Klopfer. Es stimmte aufs Haar. „Und Fanny, wie alt ist die?“ – Einundzwanzig Klopfer. „Cecilia?“ – Neunzehn Klöpflien, dazu noch ein Ansatz, als ob das Ding hätte sagen wollen, daß morgen der Geburtstag der Jüngsten sei. Das ging doch ins Aschgraue!

„Aber, wer in alter Welt bist du denn eigentlich? Nennt man dich ein menschliches Wesen?“ – Keine Antwort. „So bist du wohl ein Geist? Ist es an dem, so klopfe vernehmlich zweimal!“ – Und es klopfte wirklich zweimal.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 872. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_872.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)