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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Länderraubes hatte er im Einverständnis mit Talleyrand dafür gesorgt, daß sie für jede der neubefestigten deutschen Dynastien so ausfiel, um diese mit Neid und Eifersucht gegen die Nachbarn zu erfüllen. Der Bundestag in Frankfurt a. M. war von ihm als Centralorgan des Bundes so eingerichtet worden, daß Osterreich nicht nur das Präsidium hatte, sondern auch die Rivalität der übrigen Einzelstaaten zu seinem Vorteil gegeneinander ausspielen konnte. Die Mehrzahl der deutschen Fürsten, vor allem der König von Preußen, haaten vor dem Kriege ihren Völkern eine Verfassung und die Beteiligung an der Landesregierung durch Ständekammern verheißen – Metternich ließ es auch in der Bundesakte bei einem unbestimmten Versprechen bewenden, dessen Erfüllung er dann, wie er sie in Oesterreich versagte, auch in den andern Staaten mit vielem Erfolg zu hintertreiben bemüht war; in Preußen gelang ihm dies völlig.

Ernst Moritz Arndt.       Friedrich Ludwig Jahn.

Und als dann die Kämpfer von Leipzig und Waterloo enttäuscht ihre Stimme erhoben, als Arndts Lied „Was ist des Deutschen Vaterland?“ begeistert von Munde zu Munde klang, als die Burschenschaft sich zusammenthat mit der Losung „Deutschlands Wiedergeburt!“, als Fr. Ludw. Jahn seinen Turnern auch weiter die Pflege der patriotischen Ideale als höchstes Ziel vor Augen stellte – da dekretierte er: Es giebt kein Deutschland mehr, sondern nur einen völkerrechtlichen Bund der souveränen deutschen Fürsten! Und wer von den Unterthanen eines dieser Fürsten nach einem Deutschland verlangt, der begeht Landesverrat! Die Karlsbader Beschlüsse formten, nachdem Sands Attentat auf Kotzebue den gesuchten Vorwand dafür geboten, aus diesen „Grundsätzen“ ein „System“ der Volksunterdrückung.

Johann Georg Wirth.

Wer das schwarz-rot-goldne Band der Burschenschaft trug oder getragen, wer vaterländische Lieder gedichtet oder gesungen, wer als Professor oder als Schriftsteller den deutschen Gedanken gepflegt, wer in der Presse oder in Versammlungen an deutsche Volksrechte mahnte, der wurde verfolgt, verhaftet, zu Kerker oder Landesverweisung verurteilt. Die wenigen Verfassungen, die schon bestanden, wurden beschränkt, das Versprechen derselben in der Bundesakte dahin ausgelegt, daß die mittelalterliche Ständevertretung damit gemeint sei. Die Presse als Organ der öffentlichen Meinung wurde vernichtet, die Censurbehörden ermächtigt, auch alle Bücher unter 20 Bogen zu unterdrücken, die Universitäten polizeilich überwacht, das ganze Geistesleben der Nation unterbunden, derselben Nation, für die eben erst der Geistessegen des Dichtens und Denkens eines Schiller, Goethe, Lessing, Herder und Kant erblüht war! Und siegreich behauptete sich das System durch Jahre und Jahre. Jedes Aufflackern des Freiheitsverlangens und des nationalen Bewußtseins, jede Nachgiebigkeit eines aufgeklärteren Fürsten wurde mit einer Verschärfung der Bundesgesetze beantwortet. Das vernichtete Lebensglück Tausender schrie nach Rache, der Fluch der ganzen Nation lastete auf dem Urheber des unerträglichen Zustandes – Metternichs Herrschaft, die er als Haus-, Hof- und Staatskanzler des geistesschwachen Kaisers Ferdinand ausübte, blieb unerschüttert. Er hatte die Hand über ganz Europa und ganz Europa hatte Ruhe … die Ruhe eines Friedhofs. Das aber kümmerte ihn nicht; stolz fühlte er sich als Friedensfürst, als Wohlthäter all der undankbaren murrenden Völker, für deren Herrscher er das Behagen des Friedens über ein Menschenalter hinaus zu sichern verstanden hatte.

Wenn er im Sommer 1839 von der Dampfschiffstation in Oestrich auf sein Rheinschloß Johannisberg hinauffuhr und dabei dem gleich ihm gelandeten Gutsnachbar v. Jtzstein begegnete, mochte er mit spöttischem Mitleid auf den untersetzten stämmigen Mann herabsehen, der ihm aus den Berichten seines Gesandten am badischen Hof gar wohl bekannt war. In dem kleinen Großherzogtum da im südwestlichen Winkel von Deutschland mühte sich dieser „schönrednerische Volksaufwühler“ nun seit zwei Jahrzehnten schon ab, als Abgeordneter im Landtag wieder und wieder Volkswünsche vorzubringen, für deren Nichterfüllung er, Metternich, durch die geheimen Vereinbarungen zu Karlsbad, Wien und Frankfurt a. M. so klug und sicher gesorgt hatte. Früher hatte er vor dem gefährlichen Mann gewarnt. Jetzt spottete er dieser machtlosen Entfaltungen demagogischer Lungenkraft, die gerade in diesem undankbaren Baden leider immer wieder zur Geltung kamen! Ein Schatten flog aber doch über sein glattes Diplomatengesicht, wenn er dieses Landes gedachte, das vor allen anderen deutschen Ländern ein Herd demagogischer Umtriebe blieb und doch gerade durch seine Gunst erst zu der einheitlich umgrenzten Selbständigkeit gelangt war, die dem in der Rheinbundszeit so wesentlich vermehrten Umfang des Landes entsprach.

Der Zug auf das Hambacher Schloß.
Nach einem gleichzeitigen Bilde.

Der Mannheimer Hofgerichtsrat a.D., der seinem Gut Hallgarten zuschritt, mag dagegen nach solcher Begegnung das kluge Auge hoffnungsvoll ins Weite gerichtet haben, als sähe er den endlichen Sturz von Metternichs Herrschaft

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0013.jpg&oldid=- (Version vom 28.12.2016)