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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

den man mit Blumen schmückte; Jubelrufe und Reden der Verherrlichung umtönten den Pfahl der Schande: was sein Lied verkündet, geschah.

In jenen Stunden körperlicher Qual und seelischer Gehobenheit aber faßte Defoe einen Plan, der von weittragenden Folgen werden sollte. Er erkannte in der Presse das Mittel, welches allem Unrecht und aller Gewaltthätigkeit jederzeit ein ähnliches Schicksal bereiten könne, wie es sein Gedicht soeben seinen Verfolgern gethan. Aus dem Plan entstand die „Review“, eine politische Zeitschrift, welche als der Anfang des modernen Zeitungswesens zu gelten hat.

Die Einschiffung der nach China abgehenden Truppen auf dem Lloyddampfer „Darmstadt“ in Wilhelmshaven. (Mit Abbildung.) Am Morgen des 16. Dezember v. J. haben unter den Augen des Kaisers und unter Führung des prinzlichen Admirals die beiden Kreuzer den Kieler Hafen verlassen, die zur Verstärkung der in Ostasien zusammengezogenen deutschen Kreuzerflotte nach China gehen. Ihnen ist dann am 17. von Wilhelmshaven der Lloyddampfer „Darmstadt“ gefolgt, der das gleichfalls dorthin bestimmte Bataillon Marineinfanterie, die Pioniere, das Lazarett- und das Postpersonal mit Waffen, Munition und Ausrüstung an Bord genommen hat. Das gesamte Personal des mit der „Darmstadt“ abgehenden Transportes war bereits am Abend des 15. Dezember in Wilhelmshaven zur Stelle, wo der Dampfer im inneren Hafen bereit lag. Am nächsten Morgen begannen die rastlos geförderten Einladearbeiten. Unaufhörlich rollten Eisenbahnwagen und Frachtfuhrwerke hin und her, an dem Dampfer selbst standen auf dem Quai Abteilungen von Mannschaften und luden unter der Leitung von Offizieren eifrig ein, außerdem waren zwei mit Elektricität betriebene Winden den ganzen Tag über thätig, die in starken Seekisten verpackten Güter an Bord zu nehmen. Das erste, was verladen wurde, waren die zerlegbaren Baracken für das Feldlazarett nebst Krankenbetten, Möbeln, Badewannen etc., dann folgten die Feldbäckerei nebst Dampfbackapparat, die Infanteriemunition, die Post- und Telegraphenausrüstung der Feldpostabteilung etc. Am 17. begab sich die ganze Expedition, deren Führer Korvettenkapitän Truppel ist, an Bord, und um 5 Uhr nachmittags verließ der mächtige Dampfer den neuen Hafen, um sofort in See zu gehen. An den Seeschleusen war eine überaus zahlreiche Menschenmenge versammelt, deren lebhafte Hurrarufe vom Schiffe erwidert wurden. Dazwischen ertönten die Klänge der am Ufer aufgestellten Kapelle, welche Abschiedslieder für die nach dem fernen Ostasien dampfenden Wackeren spielte. Möge allen eine glückliche Heimkehr beschieden sein!

Einschiffung des Gepäcks der Marineinfanterie in Wilhelmshaven.
Nach dem Leben gezeichnet von A. Wald.

Wintervergnügen im Spreewalde. (Zu dem Bilde S. 20 und 21.) Jene von Hunderten sich verästelnder Kanäle durchzogene Spreeniederung zwischen Kottbus, Lübbenau und Lübben, der Spreewald geheißen, zeigt hinsichtlich ihres Landschaftsbildes und der damit eng verknüpften Kultur so viel Schönes, Eigenartiges und Anziehendes, daß sie als einzig dastehend in Europa, ja vielleicht der Welt, bezeichnet werden darf. Seit grauer Vorzeit haben in diesem Fluß- und Waldgewirr Wenden festen Fuß gefaßt, die in Sprache, Kleidung, Hausbau, Sitten und Gesängen sich zum größten Teil noch die Eigenart ihrer Vorfahren erhalten haben.

Derb zugehauene Blockhäuser, Kaupen genannt, erheben sich als Einzelgehöfte auf schilfumgürteten, wasserumspülten Inseln. Gurke, Kürbis und Pfeifenkraut umrahmen gar malerisch diese Hütten; hundertjährige Erlen neigen sich über dem Strohdache hin; die Fischnetze und der Bienenkorb fehlen fast nirgends. Das Innere umfaßt in der Regel Stube, Schlafkammer und „Hölle“, letztere für Küche und das Ausgedinge der alten Eltern bestimmt. Dann und wann schwingt sich ein luftiger Holzsteig über einen Kanal, den Verkehr von Ufer zu Ufer zu erleichtern. Sonst aber – und das bleibt das Eigenartigste am Spreewalde! – findet aller Verkehr nur zu Wasser statt, früher durch Einbäume (durch Feuer ausgehöhlte, zu Kähnen behauene Baumstämme), heute durch breite, lange Boote, die man, aufrecht stehend, mittels eines Ruders lenkt. Förster und Polizist, Briefträger und Hausierer, die Bauernfrau, welche den Heu wendenden Dirnen das Mittagsessen bringt: sie alle bedienen sich des Kahnes.

Wenn das Wasser beginnt, leis zu frieren, daß der Kahn nicht mehr geht, das Eis aber noch nicht trägt, dann kommt eine schlimme Zeit für den Spreewaldbewohner. Dann ist er oft für Wochen von jeder Verbindung mit der Welt da draußen abgeschlossen. Setzt aber Frost und Kälte ein, so jauchzt er auf. Nun bricht für ihn eine köstliche, lustige Zeit an. Schlittschuh und Stuhlschlitten treten in ihre Rechte. Besonders bei Burg, einem Hauptdorfe des Spreewaldes, entfaltet sich an hellen Wintersonntagen, wie unsere Ansicht vom Hauptkanal zeigt, ein reges, lärmendes Treiben, an dem gar oft und freudig Berliner Sonntagsausflügler Anteil nehmen.

Manch derbknochige Dorfschöne läßt sich dann im Stuhlschlitten mit Behagen und Stolz von ihrem Galan über die blinkende Eisbahn schieben. Die meisten aber, den mit einer Eisenspitze bewehrten hohen Stab in der Hand, sausen mit blitzenden Augen zwischen dem weitverzweigten

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0035.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2023)