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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

und Typen, die wieder in anderen Ländern angeschafft wurden; den Satz besorgte ein „Mitverschworener“, der Philologe A. Deeg. Als dann die nächsten Ständeversammlungen eröffnet wurden, da lagen, wie aus den Wolken geschneit, auf jedem Ministertische, auf jedem Abgeordnetensitze Exemplare der geheimen Konferenzbeschlüsse…. Und nun gingen die Führer der Volksbewegung daran, mit allem Feuer ihrer Beredsamkeit gegen diese Vergewaltigung des deutschen Volkes zu protestieren. Ganz ebenso wurden von Welcker die Aktenstücke aus den Prozessen gegen Weidig und Sylvester Jordan, für deren Familien Itzstein eine nationale Sammlung einleitete, in den Kämpfen der Volkskammern um Oeffentlichkeit der Gerichte verwertet. Anhaben konnten die Regierungen den unerschrockenen Rednern nichts. Als aber im Jahr 1845 die Zusammenkunft der Vaterlandsfreunde in Leipzig bei Blum stattfand und Itzstein und Hecker von dort nach Berlin reisten, da wurden sie hier sofort von der Polizei zwangsweise genötigt, die preußischen Staaten ungesäumt zu verlassen und sich auf dem kürzesten Weg nach der Heimat zurückzubegeben.

Wer von den damaligen Patrioten sich alles an den Zusammenkünften beteiligt hat, ist leider nicht nachzuweisen. Der Bericht Heckers nennt von den badischen Volksmännern neben Itzstein und Welcker noch Sander, Bassermann, Hecker, Mathy, Winter, Farnow, Rindeschwender, Deeg, aus Sachsen v. Dieskau, Blum, v. Watzdorf, aus Köthen die Brüder Alfred und Ottomar Behr, aus Nassau Hergenhahn und die Brüder Leisler, aus Württemberg Fr. Römer, aus Hessen Gratz, Dnpre. Von Bayern dürfen wir in dem Pfälzer Willich einen ständigen Teilnehmer vermuten. Aus Robert Blums Briefen an Johann Jacoby in Königsberg u.Lr. konnte des ersteren Sohn feststellen, daß später auch dieser ebenso wie Heinrich Simon in Breslau und die beiden schlesischen Grafen Reichenbach zu den Verbündeten zählten. Und als man sich im Herbst 1847 um Welcker und Itzstein zusammenfand, jetzt nicht mehr in Hallgarten, sondern in einem kleinen Orte zwischen Darmstadt und Heidelberg an der Bergstraße, zu Heppenheim im Gasthof zum „Halben Mond“, da galt es einer Aktion zu gunsten der Bundesreform, die nicht mehr geheim gehalten wurde. Hier waren auch Hansemann aus Aachen und Mevissen aus Köln anwesend, von Württembergern nennt ein Bericht neben Römer noch Federer, Fetzer, Goppelt und Murschel, von Badensern noch Buhl, Tennig, Kapp, v. Soiron und Weller; von Hessen Wernher und v. Gagern.

Metternichs „System“ kam endlich doch ins Wanken. Wie war aber auch durch sein langes Schreckensregiment der Bewegung vorgearbeitet worden, wie ward sie jetzt unterstützt von aufregenden Ereignissen, die alle die Unhaltbarkeit der herrschenden Zustände lehrten! Vor allem in Preußen, wo der neue König sich schließlich doch zur Einberufung eines Landtags für den gesamten Staat hatte entschließen müssen, aber durch die Art, wie er es that, sogleich einen scharfen Konflikt zwischen Fürst und Volk herbeiführte.



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In der Chemnitzer Koch- und Haushaltschule.

Von Alma Bauer.

Bernsbachplatz!“ verkündet die Stimme des Kondukteurs der elektrischen Bahn. Wir verlassen den Motorwagen und befinden uns gegenüber einem stattlichen Schulgebäude.

Es ist Sommerszeit, und wenige Minuten fehlen an der siebenten Morgenstunde. In Scharen strömen von allen Seiten Kinder der verschiedensten Altersstufen herbei, und wir sehen zur Linken die Buben, zur Rechten die Mädchen in den weitgeöffneten Pforten verschwinden.

Wir folgen den Mädchen, doch nur bis in den unteren Korridor. Dann öffnen wir die zum Hofe führende Thür, durchqueren den geräumigen mit Bäumen bepflanzten Platz und nähern uns einem schmucken einstöckigen Gebäude im Ziegelrohbau, dessen eigenartige Dachkonstruktion uns den Schluß gestattet, daß es einem ungewöhnlichen Zwecke dient.

Auch seine Pforten sind gastlich geöffnet. Doch nur eine beschränkte Anzahl halbwüchsiger Mädchen – offenbar der ersten Klasse angehörig – schlüpft hinein. Das Kennzeichen der Schülerin, die Schultasche, vermissen wir an ihrem Arme. Dafür trägt jede ein Körbchen oder Handtäschchen, in dem außer dem Frühstücksbrot ein mit Band eingefaßtes ledernes Vortuch und zwei saubere Topftücher eingepackt sind.

Mit diesen Mädchen überschreiten wir die Schwelle der geöffneten Thür und befinden uns in der Koch- und Haushaltschule, welche die Stadt Chemnitz vor sieben Jahren als eine der ersten in Deutschland zu Nutz und Frommen der Schülerinnen ihrer Volksschulen errichten ließ.

Nachdem wir in dem geräumigen Vorzimmer unsere Sachen abgelegt haben, betreten wir, von der Leiterin und ihren Gehilfinnen freundlich begrüßt, die saalartige, helle, blitzsaubere Küche, nehmen an einem günstig gelegenen Punkte Platz und betrachten das bewegte Bild, das sich vor unseren Augen entrollt. Als seien die Heinzelmännchen in all ihrer Betriebsamkeit wieder erwacht, so erledigen hier vierzig fleißige Mädchen eine Anzahl vorbereitender häuslicher Arbeiten. Die einen putzen flink und sauber die zehn Kochherde, setzen Wasser auf und zünden das Feuer an – mit wenig Spänen und wenig Lärm, wie wir vergnügt bemerken. Andere tragen die Aschkästen fort, holen Kohlen und füllen die Wassereimer. Eine dritte Gruppe reinigt Kartoffeln für die heutige Mahlzeit, eine vierte poliert das sämtliche Küchengeschirr und wischt die Töpfe aus.

Das alles währt nur kurze Zeit. Auf einen Wink der Lehrerin begeben die Mädchen sich geräuschlos an ihre Plätze, und glaubten wir vorher in einer Küche zu sein, so fühlen wir nunmehr uns in die Schule versetzt. An die letztere erinnern auch das Katheder, die beiden Wandtafeln mit dem Kochrezept des Tages, die Hausordnung, der Stundenplan und verschiedene Anschauungsbilder.

An mäßig großen Küchentischen nehmen auf Schemeln je vier Mädchen Platz, so zwar, daß alle die Lehrerin ansehen.

Nachdem mit Gesang und Gebet das Tagewerk begonnen, erhalten die Kinder zunächst eine in Frage und Antwort gefaßte Unterrichtsstunde über die Nahrungsmittel, deren Beschaffenheit, Wert für den Aufbau des menschlichen Körpers, Preis, Aufbewahrung, vorteilhaften Einkauf; und zwar wird in jeder Lektion das für die Speise des betreffenden Tages gebrauchte Hauptnahruugsmittel besprochen, also die Milch beim Milchreis, das Ei bei den Nudeln, die betreffende Fleischsorte bei einem mit Fleisch verbundenen Gericht.

Heute giebt es „Saure Kartoffeln“, eine Mahlzeit ohne Fleisch, und da die Kartoffel bereits in einer früheren Lektion behandelt wurde, so lautet das Thema des heutigen Tages: Das Fett. Mit Interesse folgen wir der Entwicklung des Lehrstoffes. Wir hören von pflanzlichen und tierischen Fetten, von der hohen Bedeutung gerade dieses Nahrungsmittels für die Volksernährung; wir erfahren, daß der im Freien arbeitende Mensch seiner in reicherem Maße bedarf als der in geschlossenen Räumen und in sitzender Stellung Beschäftigte, und, daß es Pflicht der Hausfrau ist, den Ihren nicht nur überhaupt eine Mahlzeit zu bieten, sondern gerade diejenige, die ihrer Lebensweise am besten entspricht.

Am Schlusse wird das Rezept des Tages durchgenommen und die Lehrerin erteilt sehr genaue Anweisungen betreffs seiner Bereitung.

Nun kann das Kochen losgehen. Die vierzig Schülerinnen sind in zehn Gruppen gegliedert, von denen jede auf einem besonderen Kochherd eine Mahlzeit für vier bis sechs Personen bereitet. Jede Gruppe besitzt auch ihre kleine Kücheneinrichtung für sich. Ein Tisch nebst Schemeln, Wasser und Scheuereimer, Scheuertücher, Geschirrtücher, Holzgerät, irdenes, eisernes und auch emailliertes Geschirr sind vorhanden, aber alles ist höchst einfach und auf das Notwendigste beschränkt in der Art, wie jedes


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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0064.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2023)