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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Lichtes, so wird er uns an den Brunnen auf seinem Hofe führen und auf den eisernen Behälter deuten, der wie ein umgekehrter Kessel mit der Oeffnung nach unten in den Wasserspiegel der Brunnenöffnung taucht und sich mittels Ketten und Rollen auf und nieder bewegen läßt. Die Quelle dieser ländlichen Luxusbeleuchtung ist sogenanntes Brunnengas, von dessen Brennbarkeit und Explosivität die Besitzer eines solchen Brunnens vor einigen Jahren auf unangenehme Weise überzeugt wurden. Daß aus dem Wasser der Gräben und der offenen, sogenannten Nortonbrunnen, durch welche im nördlichen Teil der Niederlande der Wasserbedarf auf dem Lande überwiegend gedeckt wird, häufig Sumpfgas entweicht, war den Anwohnern längst bekannt; man braucht z. B. im Winter auf solchen stehenden Gräben nur ein kleines Loch ins Eis zu schlagen, um das daraus entweichende Gas nach kurzer Zeit anzünden zu können. Durch Zufall lernte man auch die große Menge des Gases kennen, welches aus dem Wasser der offenen Norton- oder Abessynierbrunnen entweicht. Einige Knaben spielten am Rande eines solchen Brunnens mit Zündhölzern, das explosive Gemenge aus Luft und Sumpfgas, welches sich über dem Wasserspiegel in der Brunnenröhre gebildet hatte, wurde durch ein herabfallendes Streichholz entzündet, und einer der Knaben durch die emporschlagende Flamme schwerverletzt. Da das brackige, gelbe und salzhaltige Wasser der Nortonbrunnen als Trinkwasser höchstens für das Vieh gebraucht wird und von diesem ohne Schaden vertragen zu werden scheint, so verlor es auch nach der Entdeckung des Gasgehaltes nicht weiter an Wert. Dagegen kam ein Brunnenmacher aus Parmerend, Namens Lankema, auf den Gedanken, diese reichlichen Mengen von Brunnengas zur Beleuchtung zu benutzen. Zu diesem Zwecke werden in der oberen gemauerten Brunnenöffnung, in welcher sich das aufsteigende Wasser sammelt, die oben erwähnten Kessel oder Gasometer, deren Größe von einem bis zu mehreren Kubikmetern wechselt, an Ketten und Gegengewichten aufgehängt. In diesen Behältern hat das Gas, welches dem Brunnenwasser nur allmählich in kleinen Bläschen entweicht, am Tage und in der Nacht Zeit, sich zu sammeln, und beim Eintritt der Dunkelheit ist dann der dreiviertel oder ganz gefüllte Gasometer gebrauchsbereit. Ein Brunnen für 400 bis 1000 l stündlicher Wasserlieferung giebt in derselben Zeit 40 bis 200 l Gas ab, d. h. reichlich genug, um den Lichtbedarf eines Bauernhofes von 4 bis 5 Flammen und auch den Brennstoff für die meist noch daneben eingerichtete Gasküche zu liefern. Da das Sumpfgas an sich keine Leuchtkraft besitzt, sondern ähnlich wie ein Spiritusbrenner nur eine schwache blaue Flamme giebt, so bedient man sich zur Beleuchtung meistens der Glühstrümpfe, deren dünnes Gewebe auch durch lichtschwache Gase noch hinreichend in Glut versetzt wird. Das Kochen mit Gas dient neben seiner Bequemlichkeit und Sauberkeit und der Ersparnis an Brennmaterial dazu, den Gasbrunnen auch im Sommer, wenn es mit dem Lichtbedarf zu Ende ist, nicht unbenutzt zu lassen. Die Gasleitung vom Brunnen zum Hause besteht nur aus einem Hahn und einem darübergezogenen Gummischlauch, der den Bewegungen des Gasometers folgt und mit seinem anderen Ende auf ein dünnes zum Hause führendes Gasrohr gestreift ist.

In manchen Fällen wird das Gas, um seine Leuchtkraft zu verbessern, nach allen Regeln der Kunst karburiert, d. h. durch die Aufnahme lichtstarker Substanzen leuchtend gemacht, wie es auch in Gasanstalten häufig der Fall ist. Das geschieht einfach, indem man es vor der Benutzung durch einen Behälter streichen läßt, der zum Teil mit kleinen Stücken von Calciumkarbid oder mit Petroleumäther gefüllt ist. Durch die Vergrößerung der Brunnenanlage läßt sich auch die Gaserzeugung stark vermehren, und da man die letztere umsonst hat, die Anlage von Nortonbrunnen aber sehr billig ist, so werden in vielen Fällen Brunnen gebohrt lediglich zu Beleuchtungszwecken. Der erwähnte Unternehmer hat in Wieringerwaard einen Hof mit einem Gasbrunnen für 14 Flammen ausgestattet, und eine andere demnächst zur Ausführung kommende Anlage ist sogar bestimmt, 60 Flammen zu speisen. Bw.     

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Wohl bekomm’s!
Nach einem Gemälde von E. Rau.

Das Hofgestüt Lipizza. (Zu dem Bilde S. 57.) In der Grafschaft Görz und Gradisca liegt bei dem Dorfe Corgnale eine der interessantesten Gegenden des Karstes. Die Grotte von Corgnale zählt zu den großartigsten Höhlenbildungen Europas und östlich von ihr erstreckt sich die berühmte Höhle von St. Canzian. Nordwestlich von Corgnale aber grünt in der Fels- und Steinwüste eine frische und anmutige Oase, „das kaiserliche Hofgestüt Lipizza“. Dasselbe enthält ein ausgezeichnetes Pferdematerial, das sich durch seine schönen Formen, brillante Gangart und Ausdauer besonders auszeichnet. Hochedle spanische Pferde sowie solche aus der nahen Polesine bildeten die Stammeltern der heute als „Lipizzaner“ weltbekannten Rasse. Später brachte man arabisches Vollblut in das Gestüt. Unser Bild zeigt einige charakteristische rein Lippizaner Stuten und eine Vollblutaraberin. – Der Gestütmeister geht tags über wiederholt in Stall, Koppel und auf der Weide herum, um sich von dem Wohlbefinden seiner Schützlinge zu überzeugen. Die Pferde scheinen sich der Fürsorge ihres Herrn bewußt zu sein, denn sie folgen ihm, sobald er sich zeigt, auf Schritt und Tritt. *     

Cornelia, die Mutter der Gracchen. (Zu unserer Kunstbeilage.) Unter den großen Staatsmännern des alten Roms ragen die Gestalten der beiden Brüder Tiberius und Gajus Gracchus bedeutsam hervor. In den schweren politischen und socialen Kämpfen, welche am Ausgang des 2. Jahrhunderts v. Chr. in der römischen Republik tobten, waren sie Führer der Volkspartei; aber nur vorübergehend konnten sie Erfolge erzielen und beide fanden in Straßenkämpfen frühzeitigen Tod. Auch ihre Mutter Cornelia zählt zu den berühmtesten römischen Frauen. Sie war die Tochter des Scipio Africanus, die Gattin des Sempronius Gracchus und hatte nach dem Tode desselben die Hand des ägyptischen Königs Ptolemäos ausgeschlagen; sie wollte nicht Rom verlasssen, nicht an den fernen Nil gehen, sondern in ihrer Vaterstadt am Tiber sich ganz der Erziehung ihrer Söhne widmen. Das dankbare Rom hat später der „Mutter der Gracchen“ eine eherne Bildsäule errichtet. Dauernder ist das Denkmal, das sie sich durch den bekannten Ausspruch gesetzt hat, der als ein Zeugnis echten Mutterstolzes und unverderbten Römersinns von den Geschichtschreibern aufbewahrt ward. Das Bild von G. Biermann führt uns die Begegnung der Cornelia mit einer andern Römerin vor, die zu diesem Ausspruch Anlaß gab. Auf ihr prunkvolles Armband zeigt die andere in siegesgewisser Eitelkeit, mit der Frage, ob Cornelia etwas Aehnliches zur Schau stellen könne. Nur Hochmut und Genußsucht spricht aus ihren herzlosen Zügen: Ihr gegenüber tritt Cornelia, auf ihre beiden Söhne zeigend, von denen der jüngere, Gajus, sich an sie schmiegt, während sie den einen Arm auf die Schulter des älteren, Tiberius, legt. „Diese sind mein Schmuck,“ sagt sie mit edlem Selbstgefühl. Mutter und Söhne zeigen denselben Adel der Züge. Doch nicht ohne Wehmut ruht unser Blick auf den beiden prächtigen Knaben, denen so früh schon ein tragisches Schicksal beschieden war. †     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0068.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2020)