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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

erscheinen auch beliebte Sagen- und Opernfiguren, wie der Rodensteiner und Lohengrin, wie Don Juan, Faust und Mephisto, Vertreter der Narrenstädte Schilda, Dülken, Cochem u. a.

Den Triumphzug eröffnet die geschichtlich gewordene Figur des sogenannten Geckenbänchen, die, wie man glaubt, den Vortänzer bei Prozessionen in früherer Zeit darstellen oder auf David vor der Bundeslade anspielen soll. Unsere Abbildungen stellen zwei Gruppen des Kölner Karnevals dar. Das erste Bild (S. 72 und 73) führt uns eine Tanzscene auf dem Waidmarkt vor. Es ist ein Holzschnitt nach einem der Gemälde, die Chr. Heyden im Auftrage der „Großen Karnevalsgesellschaft“ gemalt hat und die den Sitzungssaal derselben schmücken. Auf dem Bilde von G. Franz (S. 77) sehen wir den Auszug der „Funken“ mit der Spitze des Zuges und einem als Schiff gestalteten Prachtwagen. Im Hintergründe erhebt sich die Apostelnkirche.

Es ist unmöglich, sich auch nur einen annähernden Begriff von dem Gewühl und dem tollen Treiben auf den Straßen, sowie von dem Jubel und den tausendstimmigen Zurufen aus den dichtbesetzten Fenstern der festlich geschmückten Häuser zu machen, wenn sich der buntschillernde Zug mit den hochaufgebauten Prachtwagen vorüberbewegt. Blumenbouquets und Confetti fliegen hin und wider, Fahnen flattern, Tücher wehen, Champagnerpfropfen knallen und ein sinnverwirrender, vieltöniger Lärm von Musik, Gejohle, Gelächter und Zurufen wie das übliche: „Geck, loß Geck elans!“ (d. h. Narr, laß Narr vorbei!) braust durch die Luft.

Nicht minder tumultuarisch geht es bei den Maskenbällen her, die früher besonders glänzend im Gürzenich zu Köln abgehalten wurden, jetzt zumeist in geräumigeren Lokalen, in Mainz in der überaus prächtig geschmückten Stadthalle stattfinden. Fast alle Jahre prangt das Innere dieses, soweit uns bekannt, nächst dem Wintergarten des Centralhotels in Berlin größten Gesellschaftslokals in eigenartigem karnevalistischen Schmuck. So trug die Ausstattung vorigen Jahres nach dem Entwurf des dortigen genialen Architekten C. Sutter das Gepräge einer mittelalterlichen Stadt, wobei, wie unsere Abb. S. 79 zeigt, den Thoren, Türmen und Pechnasen charakteristische Physiognomien aufgesetzt waren. Den Hintergrund des Karnevalpodiums schloß eine altdeutsche Burg ab. Von nicht geringerem malerischen Reiz ist das Getümmel von etwa 6000 Personen auf einem solchen Maskenball. Hier muß man sich unter das bunte Gewühl aller möglichen Charaktermasken stürzen, foppen, Abenteuer suchen oder sich necken lassen. Gar mancherlei seltsame Begegnungen und unverhoffte Überraschungen sind hier schon vorgekommen. Der Reiz dieses Vergnügens ist so groß, daß nach Saphir zu dieser Zeit der Himmel voll Geigen und die Erde voll Versatzzettel hängt.

Damit haben wir eine Nachtseite des Karnevals berührt, die Gefahr finanziellen und moralischen Ruins. Die Versuchung ist ja allerdings groß, lockt wohl aber auch zu anderen Festzeiten den Haltlosen, über die Schnur zu hauen. Anderseits weckt und hebt der Karneval Kunstsinn und Geschmack, fördert Witz und Geist, er schwingt die Geißel über Verkehrtheiten und sittliche Schäden, und keine Waffe wirkt erfolgreicher als der Spott. Endlich muß auch angeführt werden, daß die bedeutenden Überschüsse aus den Karnevalsbeiträgen den Stadtarmen zu gute kommen. Als 1857 zu Mainz die furchtbare Pulverexplosion einen Teil der Stadt in Trümmer legte, verzichtete die „Narrhalla“ nicht nur auf ihre Vergnügungen, sondern sie gab ihre Mitgliedsbeiträge mit Extrazuschüssen zur Linderung der Not. Aehnliches geschah bei den verheerenden Rheinüberschwemmungen. So zeigt der wahre Narrhallese, daß er nur zur rechten Zeit zu Scherz und Ausgelassenheit geneigt ist und daß in seiner sonst so lebenslustigen Brust doch auch ein fühlend Herz für das Unglück seiner Mitmenschen schlägt. Und hiermit bethätigt sich die Wahrheit des Horazischen Spruches: „Dulce est desipere in loco,“ d. h. „Schön ist Thorheit zur rechten Zeit!“




Maskiert!
Humoreske von Hans Arnold. Illustriert von F. Hlavaty.

„Nun, und wie hat sich die Verlobung schließlich so rasch gemacht?“ frug der Major und streifte die Asche behutsam von der Cigarre.

„Ich glaube, er hat die Großmama für sich zu gewinnen gewußt,“ bemerkte ein anderer aus dem kleinen Kreise, „die hat sich für ihn verwandt, und da war die Angelegenheit schon halb im reinen!“

„Also eine Gönnerin!“ sagte der Major und sah nachdenklich ins flackernde Kaminfeuer, „das kommt wieder auf meine Theorie heraus, – ich habe immer sehr viel auf Gönnerinnen gehalten und in jeder Garnison, wo ich war, immer ein paar im Vorrat gehabt. – Eine, die mir Pasteten und Kuchen backen mußte, eine, die mich mit Lektüre versorgte, und eine, der ich meine Geldsorgen und dummen Streiche beichtete – letztere freilich mit Auswahl, wie sich das von selbst versteht. Die Beichtgönnerin, oder Beichtmutter, wenn man mir den Ausdruck verstatten will, war übrigens in der sonst recht stattlich langen Reihe meiner Gönnerinnen nur ein einziges Mal vertreten. Denn zu solch einer Vertrauensrolle bei einem jungen, übermütigen Lieutenant, dazu gehört eine Person von Herz und Verstand nicht nur, sondern auch von einer gewissen Genialität – und derlei Leute wachsen nicht so oft am Wege. Diese also, meine einzige, erste und letzte Beichtmutter in Portemonnaie- und Herzensnöten hat mir zum Schluß ihrer ehrenvollen Laufbahn als Protektrice noch zu meinem Lebensglück verholfen – und den Streich danke ich ihr heute noch, wo die gute alte Seele längst nicht mehr auf Erden wandelt.

Das war noch ein Original,“ setzte der Major nachdenklich hinzu, „aber im besten Sinn des oft gebrauchten und noch öfter mißbrauchten Wortes! Ein baumlanges, knochiges Frauenzimmer, mit schon ziemlich angegrauten Haaren, die ihr etwas wirr um den Kopf saßen – mit einer tiefen Mannesstimme, die sich in Ernst und Scherz, im Sprechen und Lachen durch ihre herzhafte Lautheit wohl Gehör zu schaffen wußte – mit ein paar Händen wie die Wurfschaufeln und mit einem Gesicht, das wohl nie reizend genannt worden ist. Ein oberflächlicher Beurteiler wenigstens hätte es unbedingt so bezeichnet – ich und wohl jeder, der ihr nahe stand, fand sie nicht häßlich, denn aus dem grob geschnittenen und gefärbten Gesicht guckte so viel frische Herzensgüte und ein so kreuzfideler Sinn heraus, daß man bald aufhörte, sich zu fragen, ob sie die Nase anders in der Länge und den Mund anders in der Quere stehen habe wie sonstige Sterbliche. Ja, sie war bei ihren vorgeschrittenen Jahren so famos – so beneidenswert jung geblieben, daß man nie darüber nachdachte, wie alt sie eigentlich wäre, und bei ihr blindlings und mit Recht Verständnis und Humor für jede – mit Nachdruck sei’s gesagt! – harmlose Dummheit voraussetzte, eine Zuversicht, die mich wenigstens nie getäuscht hat. Kurz, um sie mit einem Wort zu charakterisieren, sie war eines der seltenen Frauenexemplare, die man mit Fug und Recht ‚einen netten Kerl‘ nennen kann.

Dies alte Fräulein – sie hieß Adelheid von Stettendorf – lebte in G..., wo ich damals als Lieutenant im xten Regiment stand. Wir hatten bald eine Verwandtschaft von Adams Gnaden herausklamüsert, und auf Grund und Rechnung dieser Verwandtschaft gewöhnte ich mir’s an, alle paar Tage nach ihrem netten Quartier hinaus zu gehen oder zu reiten, wie es Dienst und Zeit mit sich brachten, mir ein Frühstück auszubitten oder

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0080.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2019)