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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Die Frauen von Berghausen.

Die Berghauser Frauen sind flinker Hand
Und haben dabei auch geweckten Verstand;
Dies hat die rettende That bewiesen,
Für die sie werden noch immer gepriesen.

Die Kälte war streng, der Winter hart,
Das Wasser in Bächen und Brunnen erstarrt,
Sie aber wollten sich’s nicht ersparen,
Die tägliche Milch nach Speyer zu fahren.

Einst, als sie schon rollten nahe dem Thor,
Stieg qualmender Rauch vor ihnen empor:
„Es brennt im Gutleuthaus! Hin mit den Kübeln!
Die Kunden werden’s uns nicht verübeln.“

Und kaum, daß die Nächste den Schrei gethan,
So liefen schon alle beladen heran
Und steuerten sämtliche Milch zusammen,
Zu löschen des Feuers fressende Flammen.

Die Berghauser Frauen, sie sterben nicht aus,
Drum halten sie fest an dem jährlichen Schmaus
Und zeigen, daß denen sie nachgeraten,
Die einst sich verdienten den „Weiberbraten“.[1]

  Martin Greif.


  1. Der Brand des Hospitals „Gutleuthaus“, das zwischen Speyer und Berghausen lag, fand am 6. Januar 1706 statt. Das zur Erinnerung an die rettende That gestiftete Fest wurde ursprünglich alljährlich am 6. Januar abgebalten. Gegenwärtig ist es in die schöne Jahreszeit verlegt worden.

Wie das erste Deutsche Parlament entstand.

Ein Rückblick von Johannes Proelß. 0Mit Illustrationen nach gleichzeitigen Lithographien und Holzschnitten.
II.0 Der Umschwung in Preußen.

Wie die verbündeten Vaterlandsfreunde der süddeutschen Verfassungsstaaten und Sachsens für ihre geheimen Verabredungen am Rheinesufer eine entlegene Zufluchtsstätte fanden, so hatte des Rheinstroms leuchtende Schönheit auch die Folie gebildet für eine öffentliche glänzende Machtentfaltung des preußischen Königtums. Friedrich Wilhelm IV, der neue Träger der Krone Friedrichs des Großen, so starrsinnig er seinem Volke ein öffentliches Leben versagte, so streng seine Kabinettsregierung das Volk fernhielt von den Stufen des Thrones, fand an nichts eine größere Freude, als bei großem festlichen Anlaß selbst in voller Oeffentlichkeit zu seinem Volke zu reden. Die Fähigkeit, einem von vielen geteilten Hochgefühl in spontaner Erregtheit begeisterten Ausdruck zu leihen, war ja ein hervorragendes Talent dieses tragisch veranlagten Fürsten, der selbstzufrieden in dem Wahn sich wiegte, unabweisbare Forderungen der Zeit mit schönklingenden Worten beschwichtigen zu können, bis ihn die rauhe Wirklichkeit schonungslos anders belehrte. Wenn ihm bei solchen Gelegenheiten die festlich gestimmte Menge zujauchzte, vermeinte er, an der Spitze eines von ihm beglückten und zufriedenen Volkes zu stehen. Und nie hat ihn diese Selbsttäuschung stärker beseligt als an jenem sonnigen Septembertag 1842, an welchem er zu Köln die Grundsteinlegung zum Ausbau des alten hehren Doms vollzog, zu dem er schwärmerisch als zum Symbol altdeutscher Macht und Herrlichkeit aufsah. Von zahlreichen anderen deutschen Fürsten, seinen Generalen und Ministern umgeben, feierte er in glänzender Weiherede den „Geist deutscher Einigkeit und Kraft“ als Bauherrn des Unternehmens. „Die neuen Thore,“ rief er, „mögen sie für Deutschland durch Gottes Gnade Thore einer neuen großen guten Zeit werden! … Und das große Werk verkünde den spätesten Geschlechtern von einem durch die Einigkeit seiner Fürsten und Völker großen, mächtigen, ja den Frieden der Welt unblutig erzwingenden Deutschland!“

Der Jubel, den diese zündenden Worte bei den anwesenden Rheinländern weckten, war unermeßlich. Schon sah man im Geiste die verheißene „neue große gute Zeit“ tagen; man wähnte, der königliche Redner habe Großes im Plan, um dem kläglichen, zerrissenen Deutschland des Bundestags wieder „Einigkeit“, „Größe“ und „Macht“ zu verleihen.

Doch während der vom Reiz der Stunde hingerissene König also die allgemeine Begeisterung weckte, stand Fürst Metternich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0093.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2024)