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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

besten Liberalen aus allen Teilen Deutschlands dabei beteiligt, die Zeitung Mittelpunkt und Organ einer neuen Partei, die sich in jugendlicher Kraft rührte. Daß sie auf ganz Deutschland angelegt war und vom Süden aus vor anderem preußische Interessen besprechen sollte, war der größte Fortschritt.“ In dieser Richtung hat sie in jenem letzten Abschnitt der vormärzlichen Zeit Großes zur Versöhnung der partikularistischen Gegensätze und zur Anbahnung der Bundesreform auf Grund einer freien Verfassung geleistet. Aber wie ihre Redakteure zumeist Professoren waren, so blieb ihre Wirkung vornehmlich auf die Kreise von höherer Bildung beschränkt. Professoren und Studenten, liberale Beamte und Dichter waren ja die meisten Opfer der Demagogenverfolgung gewesen; so war es natürlich, daß auch die Gegenbewegung zum Sturze des Metternichschen Systems von solchen Männern ihren Charakter erhielt.

Karl Mathy.
Nach einer Lithographie von Ph. Winterwerb.

A. Schott.
Nach einer Lithographie von Schertle.

Doch die alterprobten Führer der badischen Opposition, welche bereits siegreich den Reaktionsminister Blittersdorf gestürzt hatten und sich gegenwärtig von seiten ihres einstigen Kampfgenossen, des Ministers Bekk, großen Entgegenkommens erfreuten, hielten auch jetzt noch an der bewährten Strategie, die einst in Hallgarten verabredet worden war, fest. Schon hatte Hecker im September in einer Volksversammlung zu Offenburg mit anderen demokratischen Forderungen die alte Welckersche einer Nationalvertretung aufgenommen und Robert Blum das sächsische Verfassungsfest in Leipzig mit begeisternder Wirkung zu demselben Zwecke benutzt. Da traten am 10. Oktober 1847 zu Heppenheim unweit Heidelberg wiederum zahlreiche Gesinnungsgenossen von Welcker und Itzstein zusammen, darunter Bassermann, Mathy, v. Soiron, Römer, Hergenhahn, v. Gagern, unter Beteiligung der neuen preußischen Landtagsmänner Hansemann und Mevissen. Man scheute nicht mehr die Oeffentlichkeit, und was man beschlossen, ging bald danach durch die Presse. Da erfuhr man denn – auch im Königsschloß zu Berlin – daß jeder der Teilnehmenden es übernommen hatte, bei jedem Anlaß dahin zu wirken, daß die Einheit Deutschlands „nur durch die Freiheit und mit derselben“ errungen werde. Wohl waren die Meinungen darüber geteilt gewesen, ob der politische Ausbau des Zollvereins, den Hansemann und Mathy befürworteten, oder eine Nationalvertretung am Bundestag nach Welckers altem Plan der bessere Weg zum Ziele sei. Einig aber waren alle darin, daß vom Bundestag selbst, wie er bestehe, nichts mehr zu hoffen sei. Und wie immer das Ziel erreicht würde: unerläßlich sei die Mitwirkung des Volkes durch gewählte Vertreter, unmöglich bei dem Entwicklungsgang des Jahrhunderts und Deutschlands die Einigung durch Gewaltherrschaft. Voraussetzung sei die Entfesselung der Presse, ein wahres konstitutionelles Leben, Oeffentlichkeit der Gerichte, überhaupt die Gewähr aller vernünftigen bürgerlichen Freiheitsrechte.

Das hatte den König in Berlin zu schleuniger Antwort herausgefordert. Die frechen „Mannheimer und Heppenheimer“, die sich herausnahmen, ihn, den preußischen König, über seine Aufgabe zu belehren, sollten erfahren, was in Wirklichkeit Preußens Beruf in Deutschland sei. Er sah in den Männern der „Deutschen Zeitung“ nur Gegner und wurde darin bestärkt, als im gleichen Verlag, bei Bassermann in Mannheim, jene geistreiche Satire des kühnen schwäbischen Bibelforschers David Friedr. Strauß erschien, die unter dem Titel „Der Romantiker auf dem Throne der Cäsaren“ in dem Bilde des römischen Kaisers Julian mit unverkennbarem Hinblick auf den Zollernthron den Nachweis führte, „daß jeder auch noch so begabte und mächtige Mensch, der eine ausgelebte Geistes- und Lebensgestalt wiederherzustellen oder gewaltsam festzuhalten unternimmt, gegen den Genius der Zukunft unterliegen muß“. Aber gerade in des Königs romantischer Geistesart wurzelten auch edlere Antriebe, die ihn in seiner Unnachgiebigkeit bestärkten. Wie ihn bei dem Verfassungswerk sein dynastisches Pflichtgefühl gegen die ererbte Krone verhindert hatte, der Freiheit ein herzhaftes Zugeständnis zu machen, so fand nun sein guter Wille, die deutsche Einheit zu fördern, eine unübersteigbare Schranke in seinem feudalistischen Treugefühl für Oesterreich und die anderen Bundesfürsten. Nur innerhalb der gegebenen Verhältnisse im „Deutschen Bund“ als einem Fürstenbund, dessen Spitze das kaiserliche Erzhaus in Wien, wollte er reformieren. Die Mahnung „Los von Oesterreich!“, die ihm aus geheimen Denkschriften des Fürsten Karl v. Leiningen und des englischen Prinzgemahls Albert von Koburg entgegenklang, wies er entrüstet als Verlockung zum Treubruch von sich. Ein Triumph der Legitimität sollte seine Bundesreform werden, genau wie sein „Vereinigter Landtag“. Mit einem jener geheimen Vertrauten, mit denen er über die Köpfe seiner Minister hinweg Politik trieb, seinem einstigen Studiengenossen in der Kronprinzenzeit, dem General v. Radowitz, verabredete er seinen Plan. Als außerordentlicher Gesandter an den Höfen in Karlsruhe, Darmstadt und Nassau hatte dieser in den letzten Jahren sich genaueste Kenntnis von den Absichten der süddeutschen Liberalen erworben. Radowitz war der Einzige, von dem sich der König willig beeinflussen ließ. Für die romantischen Ideen, die in ihm gärten, fand er in diesem geistreichen Gesinnungsgenossen einen scharfsinnigen Systematiker von bestechender Ausdrucksweise. Der war jetzt sein Mann! Radowitz mußte das gemeinsam Durchdachte in einer Denkschrift für den Wiener Hof ausarbeiten. Diese fußte mit ihren Vorschlägen für eine Bundesreform auf dem Bekenntnis, daß der Deutsche Bund seit den 32 Jahren seines Bestehens für Deutschlands Kräftigung und Förderung absolut nichts gethan habe. „Die gewaltigste Kraft der Gegenwart, die Nationalität, ist die gefährlichste Waffe in den Händen der Feinde der öffentlichen Ordnung geworden.“ Die Vorschläge selbst waren unklar. Sie forderten Kräftigung der Wehrhaftigkeit des Bundes – doch ohne Aenderung der bestehenden elenden Wehrverfassung, sie forderten Einheit des Strafrechts, des Handelsrechts, des Heimatrechts – doch ohne eine Volksvertretung für diese Gesetzesreform, sie verlangten Förderung der materiellen nationalen Interessen, insonderheit durch Ausdehnung des Zollvereins auf den Bund – eine hoffnungslose Sache, denn die bestehende und von ihm festgehaltene Bundesverfassung gab Hannover und den übrigen Seehafenstaaten vereinigt mit Oesterreich die Macht, in der Abschließung vom Zollverein ihren Vorteil zu suchen. Mit diesen Vorschlägen entließ Friedrich Wilhelm gegen Ende November 1847 seinen Vertrauten in geheimer Sendung nach Wien.

D. F. Strauß.

Metternich aber schüttelte den Kopf über die „pläneschmiedende Planlosigkeit“ seines königlichen Freundes. Nur jetzt keine Reformen! Ruhe brauchte er in Deutschland, Ruhe gerade jetzt, wo Ungarn gegen ihn aufsässig wurde, in Italien die Revolution direkt gegen Oesterreich das Haupt erhob und in der Schweiz das Prinzip der Revolution über das Prinzip der Legitimität zu siegen drohte. Und zur Aufrechterhaltung der Ruhe bot ja gerade der „Bund“, wie er war, bot sein „System“ die bewährtesten Mittel.

Doch sie verfingen auch in Deutschland nicht mehr. Nach wenigen Wochen hatte in Palermo, Neapel, Florenz, Turin die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0111.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2020)