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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

sie nicht in ihren Kabinetten belästigen, die Kabinettsminister sollten den Verkehr mit der Unterthanenschaft auch weiter vermitteln. Das aber lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit gerade auf den Punkt, dessen Durchführung nun zur Hauptsache wurde.

Uebungen der Hanauer Turner.

Diese Minister trugen ja die Schuld, daß die Fürsten in Unkenntnis von den Bedürfnissen und Leideil des Volks dahinlebten, sie waren ja die eigentlichen Organe der Reaktion gewesen: man forderte jetzt Beseitigung der mißliebigen Minister und deren Ersatz durch Männer des allgemeinen Vertrauens. Auch diese Forderung erklang in der Karlsruher Kammer zuerst.

Wohl zeigte sich hier der leitende Minister sowie der Landesherr den Reformen geneigt; aber noch befanden sich im Ministerium Männer, die früher Jahre hindurch der Reaktion gedient hatten und deren plötzlich hervortretende liberale Gesinnung unmöglich für echt angesehen werden konnte; Welcker, Itzstein und Hecker betrieben mit Eifer ihren Sturz und erreichten denselben. Schon am 5. März waren in Baden die beiden Reaktionsminister durch liberale Vertrauensmänner, Brunner und Hoffmann, ersetzt.

O. v. Wydenbrugk.
Nach der Lithographie von F. Hickmann.

C. Wippermann.
Nach der Lithographie von Schertle.

In anderen Staaten, wo die Kammern nicht tagten und die feindlichen Minister deren stürmisch verlangte baldige Einberufung hintertrieben, ließ sich der beabsichtigte Ministersturz keineswegs so glatt ausführen. Dort mißbrauchten die in ihrer Stellung Bedrohten das Vertrauen ihrer Fürsten, um sie in ihrer Hartnäckigkeit zu bestärken, ja um sie aufzureizen, daß den „Empörern“ mit Waffengewalt entgegengetreten werde. An hohen Offizieren fehlte es nirgends, die in dieser Richtung gleichfalls ihren Einfluß zur Geltung brachten. Der sächsische Kabinettsminister veranlaßte sogar, als die Ablehnung der ersten Leipziger Deputation unter Biedermann dort starke Erregung hervorrief, daß preußische Truppen in der Nähe Leipzigs an der Grenze aufgestellt wurden, um die aufrührerische Stadt einzuschüchtern. Das Gegenteil aber wurde damit bewirkt; der Volkswille siegte. In einer großen Volksversammlung verwies Robert Blum die tobende Menge auf die Verantwortlichkeit der Minister des Königs, und noch war die von ihm vorbereitete Massendeputation nicht zur Abreise nach Dresden gekommen, da hatte der König nachgegeben, die „Reform“ bewilligt und hatte die „Märzminister“ Braun, v. d. Pfordten, Georgi und Oberländer (letzteren für den ablehnenden v. Watzdorf) in die Regierung berufen. Auch in Württemberg, wo sich der König persönlich den zuerst von Römer formulierten Wünschen des Volkes geneigt zeigte, rief die Zähigkeit, mit der sich Schlayer und Maucler im Amt zu erhalten wußten, eine bedrohliche Spannung hervor, die erst wich, als den altbewährten Kämpen der Volksrechte G. Duvernoy, Friedrich Römer, Paul Pfizer und Goppelt das Staatsruder anvertraut wurde.

Fürst Karl von Leiningen.
Nach der Lithographie von Schertle.

König Maximilian von Bayern.
Nach dem Gemälde von Franz Krüger.

Dasselbe Schauspiel vollzog sich in Hessen-Darmstadt, wo das auf seinen Karneval verzichtende Mainz sehr kräftig unter der Führung von Zitz in die Bewegung eingriff und Th. Reh im Landtag die Mannheimer Forderungen begründete; hier wurde Heinrich von Gagern, der wie Römer und Goppelt in Heppenheim mitgetagt hatte, der Nachfolger seines alten Gegners, des starrsinnigen Reaktionärs du Thil. Auch in Nassau führte einer der „Heppenheimer“, Hergenhahn, die Volksbewegung zum Siege. Eine Massenversammlung auf dem Theaterplatz in Wiesbaden nahm eine um so drohendere Haltung an, als der Herzog abwesend war. Da er gerade in Berlin weilte, so verbreitete sich das Gerücht, er wolle dort bewaffnete Hilfe erbitten. Doch nach seiner Heimkehr kam alles in glattes Geleis. Hergenhahn wurde Minister. In Weimar war es der Rechtsanwalt v. Wydenbrugk, welcher Führer und Herr der Bewegung blieb; nach einem Tumult vor dem Schloß wurde die Adresse dieses Abgeordneten angenommen und er selbst mit dem Ministerium betraut. Auch in den anderen thüringer Staaten, in Braunschweig, in den beiden Mecklenburg, in den freien Reichsstädten war der Verlauf ähnlich; Oldenburg, das einzige Land, das noch überhaupt keine Verfassung besaß, hatte den Märzstürmen eine solche zu danken.

Einen viel stürmischeren Charakter aber nahm die Bewegung in Kurhessen an, wo Marburg sehr energisch vorging, ja die Stadt Hanau und ihr Bezirk einen förmlichen Kriegszug ausrüstete, um ihren abgewiesenen Forderungen in Kassel Nachdruck zu verleihen. Schon

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0150.jpg&oldid=- (Version vom 11.6.2020)