Seite:Die Gartenlaube (1898) 0164.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

kleineren Gesellschaften leben, im Hochsommer aber zuweilen in großen Scharen beobachtet werden. Im Winter steigt er aus dem Hochgebirge herab zu den mittleren Lagen, wo er schneefreie Stellen findet. Sein Ruf ist ein tiefes grunzendes Blöken, in der Erregung schnauft er laut durch die Nase. Er gilt als sehr gefährlich und soll, gereizt, den Menschen angreifen. Die über das Mischmiland nach Oberassam kommenden Felle sind dunkler als die von Moupin nach Paris gelangten Häute und deshalb glaubte A. Milne-Edwards, daß der osttibetanische Takin zu einer zweiten Art, Budorcas tibetana, gehört. Dieser geographischen Abart ist auch das Berliner Exemplar zuzurechnen. Matschie.

Ein Bildnis Wielands. Das Originalgemälde, welches wir nebenstehend abbilden, galt bis in die neueste Zeit für verschollen. Es stammt von Georg Oswald May und aus demselben Jahre 1779, in welchem der Künstler das später berühmt gewordene Bild des dreißigjährigen Goethe malte. Beide Bilder, die als Pendants zu einander entstanden, wurden von May im Auftrag der Herzogin Elisabeth Friederika Sophia von Württemberg, einer geborenen Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth, ausgeführt, welche bald nach Vollendung derselben, im Jahre 1780, verstarb. Lange Zeit wußte man nicht, wo diese trefflichen Bildnisse hingeraten waren. Das Bild von Goethe tauchte in den dreißiger Jahren in Stuttgart auf, wo es August Lewald, der Herausgeber der „Europa“, bei einem Trödler entdeckte und um billigen Preis erwarb. Im Jahre 1841 ging es in den Besitz des Freiherrn v. Cotta über, was von der eifrigen Goetheforschung nicht unbemerkt blieb. Daß auch das gleichzeitige Bildnis Wielands in den Besitz der Cottaschen Familie überging, wurde erst neuerdings von P. Weizsäcker, dem Verfasser einer besonderen Schrift über die Bildnisse Wielands (Stuttgart 1893, W. Kohlhammer), festgestellt. Ein Stich, den schon 1782 der bekannte Kupferstecher Bause nach Mays Gemälde ausgeführt hatte, erwies sich beim Vergleich mit dem Original als keine getreue Wiedergabe. Eine solche bieten wir nun, mit freundlicher Genehmigung der Besitzerin des Gemäldes, Freifrau v. Cotta in Stuttgart, in unserem Holzschnitt.

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0164.jpg

Ein wiedergefundenes Bildnis Wielands.
Nach dem Gemälde von G. O. May.

Dieses Bild des Oberondichters ist nach dem Urteil P. Weizsäckers eines der besten, die von ihm überhaupt existieren. Es stellt den Dichter im Alter von 46 Jahren in noch ziemlich jugendlichem Aussehen dar. Die Gesichtsfarbe ist frisch, das Gesicht voll und nahezu faltenlos. Nur die später so charakteristisch hervortretenden zwei senkrechten Wangenfalten sind bereits in ihrer Entstehung zu erkennen. Wieland war nicht schön und offenbar schwer zu treffen. In seinen Briefen finden sich wiederholt Klagen über mißlungene Bilder. Dieser Umstand verleidete es dem Dichter auch später, sich malen zu lassen, und so kommt es, daß von Wieland in Anbetracht seiner außerordentlichen Berühmtheit verhältnismäßig wenige Originalaufnahmen vorhanden sind.

Ein marokkanischer Scherif. (Zu dem Bilde S. 161.) „Scherif“, d. h. erhaben, wird von den Arabern ein Nachkomme des Propheten Mohammed genannt. Er erfreut sich im allgemeinen eines besonderen Ansehens, wird „Sidi“ oder „Mulei“, was so viel wie „mein Herr“ bedeutet, tituliert und hat das Recht, den grünen Turban zu tragen. Marokko ist besonders reich an „Schürfa“ (Mehrzahl von Scherif). Die Kaiser jenes Landes sind Nachkommen des Propheten und Schürfa findet man in allen Lebensstellungen; sie haben sich derart vermehrt, daß in manchen Or[t]en die gesamte Bevölkerung fast ausschließlich aus ihnen besteht. Es giebt darunter arme Teufel, die wenig geachtet werden; viele aber gelten als besonders heilig und wunderthätig, und ihnen naht das Volk mit besonderer Ehrfurcht, um ihren Segen zu erflehen.

So angesehen muß auch der Scherif sein, den unser Bild darstellt, sonst hätte die junge Mutter ihr Töchterchen nicht veranlaßt, den Saum seines Gewandes zu küssen. Er ist aber auch sonst eine prächtige Gestalt, in der die Eigenart seines Stammes trefflich zum Ausdruck gelangt.

Das Lied. (Zu unserer Kunstbeilage.) Polyhymnia und Erato im Gewande neuer Zeit glaubt man vor sich zu sehen, die beiden Musen des ernsten Gesanges und des süßen Liebesliedes. Dunkellockig die eine, den schwärmerischen Blick nach oben gerichtet, blondhaarig und blauäugig die andere, eine himmlische Trösterin, deren holde Weisen wie Sonnenstrahlen in bedrückte Menschenherzen eindringen. Die Lorbeerwand im Hintergrunde, wie der zu den Füßen des göttlichen Schwesternpaares hingestreute Zweig vollenden die Allegorie, welche uns hier der Künstler in ernstlieblicher Gestalt verkörpert hat.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0164.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2019)