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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

erhalten dabei nie abgerundete Formen, sondern sind, nahe besehen, staffelförmig im Umriß. Sieht man sie aber aus der Ferne, so treten die kleinen Ecken mehr und mehr zurück, dann ist die Wirkung der Teppiche, besonders wenn man sie länger anschaut, eine ganz bedeutende. Bei der Gobelinweberei werden die Formen der Bäume, Tiere etc. gerundet, dieselben werden überhaupt jede für sich zuerst vollendet und dann Unter- und Hintergrund nachgefüllt, ähnlich wie bei einer Stickerei.

Um das ganze Unternehmen pekuniär sicher zu stellen, wurde eine Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht gegründet. Jedes Mitglied zahlt einen Beitrag von 100 Mark.

So ist nun diese Webschule, deren volkswirtschaftliche Bedeutung der königl. Oberpräsident in Schleswig durch Verleihung einer Subvention von 1000 Mark anerkannt hat, im guten Aufblühen begriffen. Sie bildet Lehrerinnen für andere Städte aus neben den Schülerinnen, welche die Weberei als eigenen Erwerb betreiben wollen. Im Interesse aller Beteiligten liegt vor allem die Erschließung eines Absatzgebietes nach Süden. Es werden deshalb Ausstellungen der Schularbeiten in besuchten Bädern und Sömmerorten, sowie Verkaufsstellen in großen Städten zu errichten sein. Einstweilen sollen diese Zeilen die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das für die ganze deutsche Frauenwelt wichtige Unternehmen lenken. H. P.     


Die Veteranen der Paulskirche.

Zum Jubiläum der Eröffnung des Frankfurter Parlaments.
Von Johannes Proelß.
(Mit den Bildern S. 301 und 305.)

Als am 18. Mai vor fünfzig Jahren das erste Deutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche eröffnet ward, leuchtete manch weißes und graues Haupt Ehrfurcht gebietend zwischen den blonden und dunklen Scheiteln in der Versammlung auf, und mit Stolz blickten die Vertreter eines jüngeren Geschlechts auf diese Veteranen der nationalen Freiheitsbewegung. „Mein Kopf ist voll und mein Herz möchte zerspringen in meiner Brust,“ schrieb in heiß aufwallender Begeisterung einer aus dieser Jugend am folgenden Tag in die Heimat. „Die Männer, deren Wirken ich durch die Jahre angestaunt, die mir auf den hehren Höhen der Wissenschaft wie in den blumigen Auen der Dichtkunst Gegenstand der Verehrung und Quelle freudiger Erhebung waren, diese Männer stehen mir nun Aug’ in Auge gegenüber; ich spreche sie in vertraulicher Unterredung, ich höre sie, wenn das begeisternde Wort ihren Lippen entströmt.“

Die damaligen „Veteranen der Paulskirche“, deren Ruhm so viel dazu beitrug, der „Verfassunggebenden Nationalversammlung zu Frankfurt a. M.“ das ihr zunächst überall in so hohem Maße eingeräumte Ansehen zu sichern, hat die „Gartenlaube“, mit Arndt und Jahn anfangend, in den Aufsätzen „Wie das erste Deutsche Parlament entstand“ durch Wort und Bild ihren Lesern vergegenwärtigt. Dort sind den letzteren auch die tonangebenden Führer der großen Volksbewegung vors Auge gestellt worden, deren höchster Erfolg dies Parlament und sein von sämtlichen deutschen Regierungen bestätigtes Recht war, für das neu zu gründende Reich eine freie Verfassung zu schaffen. Sie alle sind nun längst dahingegangen und die unvergängliche Spur von ihren Erdentagen gehört ganz der Geschichte an. Von jener Jugend aber, die zu ihnen damals in der Paulskirche mit Verehrung emporschaute, hat ein freundliches Geschick eine kleine Schar am Leben erhalten. Ihnen, als den uns überbliebenen unmittelbaren Zeugen, die für uns heute die „Veteranen der Paulskirche“ sind, sei nun zum Erinnerungstag der Eröffnung des Parlaments ein Gedenkblatt gewidmet. Was diese Männer dem Vaterlande und dem Deutschtum damals und später geleistet haben, ist gar gut imstande, uns von der geschichtlichen Bedeutung der Frankfurter Nationalversammlung einen lebensvollen Begriff zu geben. In der Reihe dieser Hochbetagten, deren jüngster 75 Jahre alt ist, deren ältester schon im 89. Jahre steht, finden wir die Hauptparteien der Nationalversammlung vertreten und ihre Mehrzahl gehört den beiden Großstaaten an, deren unversöhnlicher Rangstreit das Verfassungswerk der Paulskirche um seine Verwirklichung brachte.

Die Lose dieses Verhängnisses hatte das Schicksal bereits unter den Stürmen der Märzbewegung geworfen. Bis zu Metternichs Sturz war Oesterreich das stärkste Hindernis der „Heidelberger“ Reform des „Deutschen Bunds“ in freier Verfassung gewesen. Weil Oesterreich mit seinem überwiegend außerdeutschen Länderbesitz den Schwerpunkt seiner Politik in das Ausland verlegte, gerade deshalb war geplant worden, das fast reindeutsche Preußen zur Vormacht in dem neuen Bundesstaat zu machen. Dann aber hatte der Sieg der Märzbewegung in Wien, das kluge Einlenken des Erzhauses den Forderungen des Volks gegenüber, die alten natürlichen Sympathien der süddeutschen Stämme für Oesterreich mächtig belebt, während der unheilvolle Verlauf der Märztage in Berlin die Gagernsche Politik zu Gunsten der preußischen Führung scheitern machte. Gagern selbst und die Mehrzahl der „Heppenheimer“, welche im Parlament den Kern des Centrums bildeten, gaben ihre preußenfreundliche Politik zwar nicht auf, aber sie hielten mit derselben zurück, so lange sich unter ihren Gegnern der preußische König selber befand. Dahlmann hatte in seinem Verfassungsentwurf für die Siebzehner-Kommission des Bundestags noch vor Eröffnung des Parlaments einen deutschen Fürsten als erbliches Reichsoberhaupt vorgeschlagen und in einem Briefe an Friedrich Wilhelm IV näher begründet, warum nur das mächtigste reindeutsche Fürstenhaus zu dieser führenden Stellung berufen sei. In seiner Antwort erklärte der König bestimmt, die neue deutsche Kaiserkrone gebühre allein dem jedesmaligen Haupte des Erzhauses Oesterreich, doch fügte er später hinzu: wenn Oesterreich durch feierliche Zurückweisung der „teutschen Krone“ klar bekenne, daß Metternichs Geist in ihm noch herrscht, dann werde er es für Pflicht halten, „diese Schmerzenskrone“ anzunehmen, ja nach ihr zu greifen.

Aus dieser Erklärung Friedrich Wilhelms IV erklärt sich die Politik, welche die führenden Geister der Bundesreform im Parlament dann einschlugen und innehielten, bis Oesterreich sich wirklich auf den Boden von Metternichs undeutscher Bundespolitik wieder stellte. Auf ihr beruhte der erfolgreiche „kühne Griff“, den Heinrich v. Gagern als erster Präsident der Nationalversammlung unternahm, indem er den Erzherzog Johann unter Zustimmung Preußens für die Wahl des Reichsverwesers in Vorschlag brachte, auf ihr beruhte, daß er und sein Anhang die Wahl Schmerlings zum Reichsministerpräsidenten unterstützte, auf ihr ferner Dahlmanns Idee, in der Reichsverfassung des Parlaments den selbständigen Eintritt von Deutschösterreich in den neuen Bund vorzusehen, während die nichtdeutschen Staaten der Habsburgischen Monarchie nur noch in Personalunion, d. h. durch den gemeinschaftlichen österreichischen Kaiser mit Deutschland verbunden bleiben sollten. Welckers „Trias“ mit ihrem Direktorium der drei mächtigsten deutschen Fürsten, sein „Turnus“, nach welchem der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen alle sechs Jahre in der Centralgewalt abwechseln sollten, waren Versuche, Oesterreich für den reindeutschen Bundesstaat zu gewinnen.

Während aber die Abgeordneten der Paulskirche bis in den Herbst des Jahres 1848 eifrig dabei waren, der im März errungenen Freiheit in den „Grundrechten“ des deutschen Volks Gesetzesform zu geben, fand Oesterreich Zeit und Kraft, das erschütterte alte Regierungssystem wieder aufzurichten. Nach Windischgrätz’ Siegen über die Revolution in Prag und Wien sagte sich die Militärdiktatur des Fürsten Schwarzenberg von aller Rücksicht auf das Frankfurter Parlament los und verbat sich durch die Erklärung von Kremsier jede Bundesreform, welche die alten Vorrechte der österreichischen Krone in Deutschland irgendwie schmälern könnte. Nun bekam Gagern für seine Politik freie Hand. Der Reichsverweser sah sich genötigt, das Ministerium Schmerling aufzugeben – Gagern trat an die Spitze eines neuen, während Simson das Präsidium in der Paulskirche erhielt. Der neue Reichsministerpräsident wahrte mit Energie die Unabhängigkeit der Nationalversammlung von dem neuen Regimente in Oesterreich und gab die Losung aus, der neue deutsche Bundesstaat

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0300.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2024)