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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Eine Wanderung durch das Berliner Reichspostmuseum.

Von Gustav Klitscher.0 Mit Abbildungen von E. Thiel.

Schon gleich nach dem französischen Kriege hatte der geniale Begründer des deutschen Reichspostwesens den Plan gefaßt, eine Sammlung von Lehrmitteln zu vereinigen, welche geeignet wären, bei den Unterrichtskursen für Verkehrsbeamte, sowie für Studienzwecke allgemeiner Natur als Ergänzung des Lehrstoffs zu dienen. Aber erst im Jahre 1874 konnte nach Ueberwindung mannigfacher Schwierigkeiten mit der Einrichtung einer Plan- und Modellkammer begonnen werden. Den Grundstock dieser Sammlung bildeten die Gegenstände, welche die Reichspostverwaltung auf der Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 ausgestellt hatte. Inzwischen ist aus diesen bescheidenen Anfängen eine Sammlung hervorgewachsen, zu deren Registrierung ein Katalog von etwa 600 enggedruckten Seiten nötig ist, und die ein wohl hier und da noch lückenhaftes, aber doch weit umfassendes Bild nicht nur des Post- und Telegraphenwesens der Gegenwart und Vergangenheit, sondern auch des Schrifttums, des Nachrichtenwesens und der Beförderungseinrichtungen aller Völker und Zeiten bietet. Bis vor kurzem war noch dieses Reichspostmuseum in den engen Räumen des alten Reichspostamtes sozusagen vor den Augen allzu Neugieriger versteckt. Nunmehr aber ist es in die hellen, luftigen Säle des neuen Prachtbaues an der Ecke der Leipziger- und Mauerstraße gebracht worden und wird sich sicher der allgemeinen Aufmerksamkeit erfreuen. Und lehrreich und anregend ist in der That ein Gang durch diese Räume, denn er enthüllt in sinnlich anschaulicher Darstellung eine Geschichte des Verkehrs vor den Augen des staunenden Beschauers.

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0313 2.jpg

Chinesischer
Postreiter. 0

Indischer Eilpostbote
mit Schwimmapparat.

Die ältesten uns erhaltenen Schriftproben und Schreibgeräte stammen aus Aegypten und Assyrien. Von ihnen besitzt das Museum eine ganze Reihe in Original oder Nachbildung, darunter einen Gipsabguß des bekannten Basaltsteines von Rosette, der durch seinen Text in drei Sprachen zum ersten Schlüssel für die Entzifferung der Hieroglyphen wurde. Aus griechischer Zeit fällt besonders eine Skytala, der Stab für die Geheimschrift der Spartaner, und eine Schultafel in Wachs mit einem Versdiktat auf. Sehr hübsch sind die Bilder zweier Briefschreiberinnen, die in Pompeji und Portici gefunden wurden; das Briefschreiben muß danach schon damals den jungen Damen ebenso viel Kopfzerbrechen gemacht haben, wie es das heute auch noch thun soll. Für die Art wie man im Mittelalter schrieb, ist besonders die Hamiltonsche Sammlung wichtig geworden, deren Original sich im kgl. Museum zu Berlin befindet, und aus der das Postmuseum prächtig ausgeführte Reproduktionen besitzt. Aber auch aus den Schätzen anderer Sammlungen ist an Text wie Illustrationen eine gute Auswahl getroffen, in der man nicht allein die Schrift, sondern auch die Art wie man schrieb, die Form der Briefe, Bücher, Pulte und anderer Schreibgeräte, gut erkennen kann. Aus der neueren Zeit sind dann neben den handschriftlichen Proben auch die Erzeugnisse der frisch erfundenen Druckerkunst vorhanden; während aus dem 16. Jahrhundert nur erst eine geschriebene Zeitung erhalten ist, kommen später gedruckte Gazetten zu Tage. Aus dem 17. Jahrhundert finden sich schon gefaltete Briefe mit Portovermerk, Briefumschläge aus aller Herren Ländern, man merkt, daß man in das Zeitalter der regelmäßigen Posten gekommen ist.

Ursprünglich geschah die Beförderung von Nachrichten, mündlichen oder schriftlichen, zwischen räumlich voneinander entfernten Personen naturgemäß durch Boten, und zwar durch Boten zu Fuß, da der Mangel an gebahnten Straßen den Gebrauch von Reittieren im allgemeinen stark erschwerte. Eine Inschrift des Museums bezieht sich auf Philonides, den Eilboten Alexanders des Großen, von dem Plinius erzählt, daß er 1200 Stadien (etwa 200 km) in 9 Tagesstunden zurückgelegt habe, was man aber wohl dem guten alten Plinius nicht so ohne weiteres zu glauben braucht. Neben dem Stein befindet sich eine verkleinerte Nachbildung der Bronzestatue von Max Kruse in der Nationalgalerie, Philippides, den Siegesboten von Marathon darstellend, welcher vom Schlachtfelde in ununterbrochenem

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0313.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)