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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

glühenden Eisens, so soll sie der Richter fragen, wie sie die Frechheit haben könne, so etwas zu fordern, und ihr die Probe verweigern.“

Man ersieht aus diesen Mitteilungen, daß schon damals in Deutschland Mittel bekannt waren, mit welchen die Haut gegen die Einwirkungen hoher Hitze weniger empfindlich und bis zu einem gewissen Grade „feuerfest“ gemacht werden konnte. Solche Künste wurden aber nicht allein von europäischen Zauberern geübt. Im fernen Orient und in Asien hat es seit jeher wunderliche „Heilige“ gegeben, die durch Proben ihrer Feuerfestigkeit die Volksmenge in Erstaunen versetzten. Ja sie leben dort noch heute, und Reisende können in Aegypten und Indien oft derartige Vorführungen der Fakire mit eigenen Augen schauen. In Kairo leisten diese Leute bedeutend mehr, als ehemals bei dem Ordal der Feuerprobe verlangt wurde. Sie schreiten nicht nur über glühende Pflugscharen, sondern sie bleiben mit bloßen Füßen auf einer zur Rotglut erhitzten eisernen Schaufel stehen, bis diese dunkel geworden ist; sie tragen glühendes Eisen in der Hand und lecken sogar daran; sie nehmen glühende Kohlen in den Mund und halten brennende Fackeln an den bloßen Arm, ohne sich zu verletzen.

Vor etwa 30 Jahren wurden ähnliche Vorführungen in spiritistischen Cirkeln veranstaltet. In Kiesewetters „Geheimwissenschaften“ ist ein Bericht über die Wunderleistungen des Mediums Home abgedruckt. Derselbe nahm im Zustand der Verzückung eine glühende Kohle aus dem heißesten Teil eines hellen Feuers und trug sie rings im Zimmer umher, so daß jedermann sehen und fühlen konnte, daß sie eine wirkliche war. Aber noch weit seltsamer ist die Mitteilung, daß dieses Medium in seinem Verzückungszustand dieselbe Gabe bei anderen Personen entdecken oder dieselbe auf andere übertragen konnte. Er legte z. B. eine glühende Kohle auf das Haupt eines Herrn Hall und strich dann dessen weißes Haar zu einer Art Pyramide über der roten Kohle. Bei dieser Vorführung wurden weder Haut noch Haare der Versuchsperson im geringsten verletzt.

Daraus folgern nun die Anhänger der modernen Geheimwissenschaften, daß es eine Art „mediumistischer Widerstandsfähigkeit“ gegen die Verbrennung gebe. In dem Zustand der Verzückung soll dieselbe bei gewissen Personen sich einstellen. Man wird uns wohl nicht verargen können, wenn wir an diese Behauptung nicht glauben, bis diese Versuche durch einwandfreie Personen nachgeprüft worden sind. Wir wissen wohl, daß in dem sogenannten Zustand der Verzückung, wie in der Hypnose und bei gewissen Nervenleiden, die Empfindung für Schmerz aufgehoben werden kann. Dann fühlen solche Personen die Schmerzen der Verbrennung nicht, aber ihre Haut wird doch mit Brandwunden bedeckt. Ein Hypnotisierter oder Kranker, der eine Zeit lang keine Empfindung gegen den Verbrennungsschmerz besitzt, ist noch lange nicht feuerfest im Sinne der Feuerprobe.

Die Hexen und die Zauberkünstler pflegten die Mittel zur Hervorbringung ihrer Künste geheimzuhalten; redseliger waren schon die Gaukler, die zu verschiedenen Zeiten durch das Bestehen mannigfacher Feuerproben das Publikum gewerbsmäßig unterhielten. Durch sie hat man denn auch erfahren, wie es möglich sei, einzelne Körperteile bis zu einem gewissen Grade gegen die Verbrennung zu sichern. Eins dieser Kunststücke wurde schon im 17. Jahrhundert gelegentlich des Auftretens eines englischen Tausendkünstlers Namens Richardson bekannt. Dieser Mann legte eine glühende Kohle auf die Zunge, fachte durch den Atem die Glut an, briet dann auf der Kohle ein Stückchen Fleisch und verschlang alles. Sein Diener erzählte, daß Richardson durch Bestreichen mit einer Säure seine Zunge gegen glühende Gegenstände unempfindlich mache. Gründlicher wurde noch die Sache aufgeklärt, als ein spanischer Tausendkünstler, Lionetto, im Jahre 1809 in Neapel auftrat und durch ähnliche Feuerkünste Aufsehen erregte. Ein Professor Sementini untersuchte die Sache und stellte verschiedene Versuche an. Durch entsprechende vorsichtige Behandlung der Handhaut mit Alaun gelang es ihm, dieselbe in hohem Grade gegen rotglühendes Eisen unempfindlich zu machen. Er konnte nun auch glühende Schaufeln anfassen, ohne die Hand zu verbrennen. Er fand ferner, daß durch eine Salbe, in der gleichfalls Alaun enthalten war, die Zunge derart präpariert werden konnte, daß sie durch siedendes Oel nicht verbrüht wurde. Natürlich durfte die Berührung erhitzter Gegenstände, wie dies auch bei der Feuerprobe der Fall war, nur kurze Zeit dauern.

Wenn wir nun bedenken, daß man schon im Altertum den Alaun benutzte, um Holz unverbrennbar zu machen, daß z. B. die alten Griechen ihre Schlachttürme zu diesem Zwecke mit einer Alaunlösung bestrichen, so wird man zugeben, daß findige Köpfe, die an Gaukeleien Gefallen fanden, auch Versuche angestellt hatten, mit demselben Mittel ihre eigene Haut schwer verbrennbar zu machen. Wir haben schon erwähnt, daß im „Hexenhammer“ von natürlichen Mitteln, Kräutersäften u. dergl. gesprochen wird, vermöge deren man sich gegen Verbrennungen und Verbrühungen bei der Feuerprobe schützen könne. A. de Rochas veröffentlichte vor einer Reihe von Jahren in der „Revue scientifique“ eine ganze Anzahl von Rezepten, die im Mittelalter zum Feuerfestmachen empfohlen wurden.

Für die Gegenwart haben sie keine praktische Bedeutung. Nur das eine möchten wir hervorheben, daß die Veranstaltung solcher Versuche nicht gefahrlos ist. Mitunter versagen die Mittel und dann erfolgen schlimme Verbrennungen, die langwierige Leiden und selbst den Tod nach sich ziehen können. Auf diese Weise sind schon Tausendkünstler und Fakire, die gegen das Feuer gefeit zu sein glaubten, verunglückt. Ferner ist das Präparieren der Haut durch scharfe Salben zu verpönen, indem dieselben Hautentzündungen und Vergiftungen nach sich ziehen können, noch gewagter ist es, die Zunge einer solchen Behandlung auszusetzen. Wir müssen darum unsre Leser eindringlich warnen, solche Versuche anzustellen, die um so zweckloser sein würden, als durch sie nur das bestätigt werden kann, was den Gauklern und Tausendkünstlern seit Jahrtausenden bekannt war.

Schließlich sei noch erwähnt, daß nicht jede Haut sich zu derartigen Kunststücken eignet. Die Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Menschen ist verschieden; das gilt auch der Hitze gegenüber. Leute, die viel mit heißen Gegenständen hantieren, haben eine weniger empfindliche Haut als solche, die ihre Hände schonen. Mancher Mann, der im Bureau arbeitet, kann einen heißen Teller nicht angreifen, den seine in der Küche bewanderte Frau ohne jede Schmerzempfindung festhält. Noch abgehärteter ist die Haut von Menschen, die in Schmieden und Metallgießereien beschäftigt sind. Diese können mitunter Proben von Feuerfestigkeit geben, die geradezu unglaublich erscheinen. Wiederholt wurde von Arbeitern berichtet, die ihre Hand einen Augenblick in geschmolzenes Kupfer oder Eisen tauchen konnten, ohne sich zu verbrennen. Das sind erst recht gewagte und gefährliche Kunststücke, die niemand nützen können. Die Feuerprobe ist längst ein überwundener Standpunkt; was schon den Hexenrichtern nicht mehr imponieren konnte, sollte in unserer aufgeklärten Zeit selbst als Spielerei nicht geduldet werden. M. Hagenau.     



Blätter und Blüthen.


Gustav Unkart †. (Mit dem Bildnis S. 323.) Die Wahrheit des Goetheschen Spruches: „Wie fruchtbar ist der kleinste Kreis, wenn man ihn wohl zu pflegen weiß“, hat gewiß jeder schon im Leben beobachten können. Wie aber durch eine solche rechte Pflege, durch unablässiges, zielbewußtes Streben aus einem kleinen Kreise ein großer, weltumfassender zu werden vermag, das zeigt so recht das Wirken Gustav Unkarts, der am 22. Februar 1898 in Hamburg aus dem Leben geschieden ist. Zweiundzwanzig Jahre hindurch war er Vorsitzender des „Vereins für Handlungscommis von 1858 in Hamburg“, der unter ihm einen ungewöhnlich hohen Aufschwung genommen hat. Als Unkart im Jahre 1870, nachdem er bereits sieben Jahre dem Verein angehörte, in seinen Vorstand – die „Verwaltung“, wie er sich nennt – aufgenommen wurde, zählte der Verein 3000 Mitglieder, was für die damaligen Verhältnisse bereits eine stattliche Zahl war. Wenn er heute aber bis auf 55000 Mitglieder gestiegen ist, so verdankt er das neben dem gewaltigen Aufschwung, den Handel und Industrie Deutschlands im allgemeinen und Hamburgs im besonderen seitdem genommen hat, in erster Linie dem nun seiner langjährigen, verdienstvollen Thätigkeit Entrissenen. Gegenwärtig ist der Hamburger Verein in seiner Art das größte kaufmännische Institut der Welt, dem nur wenige andere Vereine an Mitgliederzahl und umfassendem Wirken nahe kommen. Er war der erste, der die Stellenvermittelung in solchem Umfange in die Hand nahm und dadurch eine neue und hochwichtige Art sozialpolitischer Hilfsthätigkeit schuf. Der deutsche Kaufmannsstand besitzt jetzt eine ganze Reihe mustergültig

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0322.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2020)