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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Vasco da Gama, der Entdecker des Seewegs nach Ostindien.

Von Paul Holzhausen.

Vielen meiner Leser und Leserinnen dürfte Meyerbeers große romantische Oper „Die Afrikanerin“ bekannt sein. Aus ihr erfährt man, daß der kühne Seeoffizier Vasco da Gama, der mit dem Admiral Bartholomeu Diaz nach dem Kap der Guten Hoffnung gefahren war, eine schöne Negerkönigin, Selika, von den afrikanischen Gestaden als Sklavin mit nach Lissabon gebracht hat, die den jungen Helden leidenschaftlich liebt und ihm schon einmal das Leben gerettet hat. Sie begleitet ihn auf seiner großen Expedition nach Ostindien, rettet ihm an der afrikanischen Küste zum zweitenmal das Leben, und als der Treulose sie um einer jungen Portugiesin willen verläßt, atmet sie, von den Palmen ihrer südlichen Heimat umrauscht, den Duft des giftigen Manzanillobaumes, um sich zu töten.

Die Dichtung spiegelt in romantischer Umrahmung eine große Wirklichkeit wieder, wie sie die Welt nur in wenigen Zeitaltern gesehen hat. Jahrhundertelang war der Handel mit den köstlichen Gewürzen des Morgenlandes in den Händen der Araber gewesen, die sie über Aegypten den Venetianern und Genuesen zugeführt hatten. Jahrhundertelang hatten die reichen Kaufherren am Canale Grande ihre Speicher mit den Früchten Asiens gefüllt, und noch heute zeugen die prächtigen Paläste der „Königin der Adria“ von dem Reichtum, der aus ihrem Handel geflossen. Dagegen hatte das kleine, aber damals mit der Schwungkraft der Jugend begabte Volk der Portugiesen sein Augenmerk auf die nahegelegene Küste Afrikas gerichtet, deren südliche Umseglung – so durfte man hoffen – einen Seeweg nach dem fabelhaften Gold- und Gewürzlande Indien eröffnen werde. Die Azoren, Madeira, die Inseln des Grünen Vorgebirges und Guinea waren entdeckt worden, und im Jahre 1486 wurde der kühne Seefahrer Bartholomeu Diaz nach der Westafrikanischen Küste geschickt, um die öfters versuchte Umschiffung des riesigen Kontinents endlich zu bewerkstelligen. Diaz folgte der Küste bis zu der heutzutage von den Engländern besetzten Walfischbai und steuerte dann in das offene Meer hinaus, bis die Kälte des Wassers und die immer wachsende Größe der Wogenberge des Oceans ihn auf den Gedanken brachten, daß er über die Südspitze des Festlandes hinausgelangt sein müsse. Nun richtete er seinen Kurs nach Osten, und siehe! die Küste blieb bei einer Fahrt von mehreren Tagen immer im Nordwesten! Man hatte Afrika umschifft! Aber die zagende Mannschaft drängte, wie die Gefährten des Kolumbus, zur Heimkehr! Im Dezember 1487 war Bartholemeu Diaz wieder in Lissabon.

Zehn Jahre später segelte eine neue Flotte in die afrikanischen Gewässer. Sie stand unter dem Befehle des Helden, an dessen Namen die Geschichte die Entdeckung des Seewegs nach Indien geknüpft hat. Vasco da Gama war um das Jahr 1469 zu Sines, einem Städtchen in der portugiesischen Provinz Alemtejo, geboren. Er stand also zu jener Zeit in der Blüte der Jahre. Voll Unternehmungsgeist und Wagemut, tapfer und entschlossen, dabei nicht ohne einen Anflug edler Ritterlichkeit, so lebt der große Portugiese im Gedenken der Nachwelt. Die Flottille bestand aus drei Fregatten und einem Lastschiffe. Ihre Mannschaft belief sich auf 148 Mann. In einer feierlichen Versammlung nahm der König von Portugal, Manuel der Große, von Vasco den Huldigungseid entgegen und legte mehrere Schreiben an die Fürsten Indiens, insbesondere an den Herrscher von Calicut, das man schon als eine große Seehandelsstadt kannte, vertrauensvoll in seine Hände. Eine kirchliche Feier gab dem Unternehmen die Weihe, und nachdem Vasco unter dem Andrang einer großen Menschenmenge von seinen Freunden einen rührenden Abschied genommen hatte, gingen die mutigen Seefahrer am 8. Juli 1497 in Lissabon unter Segel.

Drei Monde lang hatten sie an der afrikanischen Westküste mit den Elementen zu kämpfen, die ihnen den Kampfpreis des gewaltigen Unternehmens entreißen zu wollen schienen. Am 7. November erreichte Vasco am Kaplande die St. Helenabucht; am 18. erblickte man die Südspitze Afrikas. Unter hellem Jubel und Trompetenschall wurde das Vorgebirge umsegelt. Am Weihnachtsfeste gelangten die Portugiesen an eine schöne Küste, die sie, dem heiligen Tage zu Ehren, Costa da Natal („Weihnachtsküste“) benannten, ein Name, den sie bis zum heutigen Tage behalten hat. Als man sich dem Festlande näherte, zeigte sich eine große Anzahl Männer und Frauen, alle von schönem schlanken Körperbau. Die Fremden fanden eine gastliche Aufnahme und nannten das Land Agoada da boa Gente, den „Wasserplatz der guten Leute“. Am 23. Januar erreichte Vasco eine der Mündungen des großen Flusses Zambezi. Hier traf er eine schwarze, kraushaarige Bevölkerung an und erfuhr von einem Neger, daß nach Osten hin weiße Menschen leben sollten, die mit Schiffen, ähnlich den seinen, an diese Küste kämen. Er hatte die Schwelle des Morgenlandes überschritten und nannte dankbaren Sinnes den Zambezi den Fluß der guten Vorbedeutung. Ueberall, wo er landete, ließ er, nach der Sitte der Portugiesen, Wappenpfeiler am Meere errichten, um die Herrschaft seines Königs zu verkünden.

Eine fünftägige Fahrt brachte die Seefahrer vor den Hafen von Mozambique. Hier aber änderte sich das Bild. Die Stadt war von Arabern gegründet worden, und sogleich bei dem ersten Zusammentreffen mit den Portugiesen zeigte sich das Mißtrauen und der Haß dieses Volkes gegen die abendländischen Fremdlinge, in denen die Araber instinktmäßig die Feinde ihres ausgedehnten Orienthandels zu wittern schienen. Jahrzehntelang haben die beiden Völker um den Besitz der indischen Gewässer gerungen, und weder List noch Grausamkeit sind auf beiden Seiten in diesem blutigen Ringen gespart worden, bis sich die Schale des Sieges dem höher civilisierten Volke, den Portugiesen, zuneigte. Eine Ladung aus grobem Geschütz belehrte den Scheik von Mozambique über die Kriegsbereitschaft Vascos. Dann fuhr dieser wieder ab und erreichte, nachdem ihn die verräterischen Lotsen der Araber verschiedenemal in die Irre geführt hatten, am 7. April das entfernte Mombas, dessen hellschimmernde Häuser und flache Dächer die Portugiesen an die Städte ihrer fernen Heimat erinnerten. Hier wurden die kühnen Fremdlinge freundlich empfangen; aber einer noch besseren Aufnahme erfreuten sie sich in Malinde, einer großen Stadt mit schönen Straßen, in einer fruchtbaren Ebene, die bei vortrefflichem Trinkwasser und gesunder Luft einen großen Reichtum an Früchten und Lebensmitteln zeigte. Der König dieses Landes war der einzige Maure, der den Portugiesen mit ehrlicher Freundschaft entgegenkam und in richtiger Ahnung des weltumwälzenden Ereignisses, das sich vor seinen Augen hier abspielte, zu dem fernen Westlande in Beziehungen trat. So gewannen die Portugiesen eine wichtige

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0337.jpg&oldid=- (Version vom 24.4.2024)