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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

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Das Kaprunerthal.

Von Prof. Dr. Theodor Petersen.
Mit Illustrationen nach Photographien von Würthle u. Sohn in Salzburg.
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Zell am See. 0 Zell am See und Steinernes Meer.

Unter den österreichischen Alpenländern ist die Landschaft Salzburg von besonderer Schönheit und Mannigfaltigkeit. Früher begnügte man sich wohl damit, die herrlich gelegene Landeshauptstadt und deren nähere Umgebungen zu besuchen, aber immer, zahlreicher drang das reiselustige Publikum die Salzach aufwärts und in ihre Nebenthäler ein, deren Erschließung ganz besonders dem erfolgreichen Wirken des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins zu verdanken ist.

Die lange Kette der Hohen Tauern mit ihren ausgedehnten Gletschern, aus denen sich prachtvolle Hochgipfel, wie die schlanke Pyramide des Großglockners und der breite Rücken des Großvenedigers, erheben, begrenzt das Salzburgische Land im Süden. Eine Reihe von mächtigen Wildbächen hat sich von dorther einen Weg zu dem Hauptthale gebahnt und hochromantische Gebirgsthäler gebildet, von welchen das Gasteinerthal längst Berühmtheit erlangt hat. Reich an prächtigen Wasserfällen, von denen die Krimmler zu den schönsten in den ganzen Alpen zählen, besitzen diese Nebenthäler auch großartige Felsenengpässe. In ihrer Tiefe verlischt das Tageslicht, und über wildbrausenden Gewässern kann der Wanderer nur auf kühn gebauten Stegen vorwärts dringen. Die Liechtensteinklamm und die Kitzlochklamm sind von ihnen die bekanntesten, beide vom Alpenverein erschlossen. Sehr bedeutende Arbeiten hat dieser Verein in den letzten Jahren auch im Kaprunerthal verrichtet.

Wenn man den Pongau und die Mündungen der eben erwähnten Seitenthäler der Salzach passiert hat, weitet sich das Hauptthal zum vielgepriesenen Pinzgau. Gleich an dessen Anfang hat der reizende Zellersee in einer Seitenbucht Platz gefunden. Auch Zell am See verdankt seine heutige Bedeutung zum großen Teil dem Alpenverein, denn das von der Natur so reich ausgestattete Stückchen Erde, die „Perle des Pinzgaues“, ist durch ihn in den weitesten Kreisen bekannt geworden. Auf der aussichtsreichen Schmittenhöhe erbaute der Verein ein jetzt bedeutend ausgewachsenes und bequem zugänglich gemachtes Alpenhotel, von welchem Punkte sich die herrliche Gegend und der interessante geologische Aufbau des umliegenden Teiles der Alpen vorzüglich übersehen läßt. Von nicht minder großem Reiz ist die Rundschau vom See aus; sie kann während einer Rundfahrt auf zierlichem Dampfboot bequem genossen werden. Im Norden präsentieren sich die schroffen Kalkwände des Steinernen Meeres, am schönsten, wenn der Purpur des Abendrotes an ihnen verglüht; nach Westen erstreckt sich das schiefrige Mittelgebirge mit den Häusern der Schmittenhöhe; östlich ziehen saftig grüne Matten, mit zahlreichen Heustadeln besetzt, zum Hönigskogel hinan und im Süden jenseit des Pinzgaus erhebt sich das alte krystallinische Centralgebirge, ganz nahe das schlanke Kitzsteinhorn und der Hohe Tenn im strahlenden Eismantel. Zwischen beiden schaut man in das geheimnisvolle Kaprunerthal hinein.

Obgleich so nahe bei Zell gelegen, war das Kaprunerthal doch bis in die neueste Zeit nur wenig besucht wegen der schwer zugänglichen Felsenenge in seinem unteren Teil. Aber die rührige Alpenvereinssektion Zell am See, von weiland Vater Riemann gegründet und gegenwärtig unter der Leitung des

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Das Kaprunerthal gegen die Schmittenhöhe mit Kesselfallalpenhaus.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0339.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2023)