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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

für Lungenkranke. Die Heilanstalt in Görbersdorf in Schlesien in einer Höhe von 560 Metern hat lange bestanden und gute Erfolge geliefert, bevor man daran gedacht hat, die Lungenkranken nach Davos zu schicken. Und ähnliche geschlossene Anstalten, die vortrefflich wirken, bestehen in Deutschland in großer Zahl. Man hat in den letzten Jahren in allen deutschen Staaten begonnen, auch für minderbemittelte oder ganz unbemittelte Lungenkranke Heilstätten und Heimstätten zu errichten; und auch dabei wird Württemberg nicht zurückbleiben. In Schömberg im Schwarzwald, etwa zwischen Liebenzell und Wildbad, in einer Höhe von 650 Metern, haben wir schon eine Anstalt, in der außer den wohlhabenden auch weniger bemittelte Kranke aufgenommen werden. Und der Verein zur Errichtung von Volksheilstätten für Lungenkranke in Württemberg, dem auch ich angehöre, ist eben im Begriff, mit einem Aufruf zu Sammlungen an die Öffentlichkeit zu treten.[1] Hoffen wir, daß es recht bald möglich werde, in Württemberg und in ganz Deutschland noch recht viele solcher Anstalten ins Leben zu rufen. Die Zahl der Lungenkranken ist so außerordentlich groß, daß die Heilstätten nicht zahlreich genug werden können; sie werden immer voll und übervoll besetzt sein. Und sie werden segensreich wirken, auch wenn sie nicht in so bedeutender Höhe liegen; die sorgfältige Pflege und die zweckmäßige ärztliche Behandlung wird manches ersetzen, was ihnen an natürlichen klimatischen Vorzügen abgeht. Und auch daran darf wohl erinnert werden: wenn es möglich wäre, einen großen Teil der Lungenkranken in solchen Heilstätten unterzubringen, so wäre dies nicht nur ein Vorteil für die Kranken, sondern auch für die Gesunden; die Schwindsucht würde sich weniger ausbreiten, sie würde bald weniger häufig werden.

Nun kann es nach allem, was ich heute ausgeführt habe, wohl keinem Zweifel unterliegen, daß eine Anstalt im eigentlichen Hochgebirge, in der Höhe von 1560 Metern, fast 1000 Meter höher als die Anstalten in Deutschland, doch noch viel günstigere Aussichten für die Heilung bietet. Es kommt ja vor, daß ein Kranker auch zu Hause geheilt wird. Es werden auch bei uns in gut geleiteten Anstalten gute Erfolge erreicht. Aber im Hochgebirge werden sie leichter und häufiger erreicht. Wer viele Kranke zu sehen bekommt, die aus den deutschen Heilstätten zurückkehren, und auch viele, die aus dem Hochgebirge zurückkehren, der überzeugt sich bald, daß im Hochgebirge die Heilungen und namentlich die dauernden Heilungen häufiger erreicht werden. Und für die unglücklichen Kranken ist doch gerade das beste gut genug. Darum wollen wir sorgen, daß recht bald in Davos eine deutsche Heilstätte für weniger bemittelte Kranke errichtet werden kann. Sie wird ja unter allen Umständen leider nur eine beschränkte Zahl von Kranken aufnehmen können, und sie wird unsere Volksheilstätten nicht überflüssig machen. Es gilt eben auch hier, das eine thun und das andere nicht lassen. Die werkthätige Menschenliebe wird ausreichen, um für beides die Mittel zu gewähren.


  1. Der Aufruf ist inzwischen erschienen, und die Sammlungen nehmen einen erfreulichen Fortschritt. D. Red.     


Blätter und Blüten.


Das letzte Gastmahl der Girondisten. (Zu dem Bilde S. 384 und 385.) „Die Revolution verschlingt wie Saturn ihre eigenen Kinder“ – nie hat sich dieser Ausspruch mehr bewährt als beim Untergang der Girondisten, dieser feurigen Vorkämpfer der politischen Freiheit, welche der „Bergpartei“ und ihrer Schreckensherrschaft im blutigsten Jahre der französischen Umwälzung zum Opfer fielen. Sie hatten ihren Namen von der Gironde, jener von der Garonne durchströmten weinreichen Provinz Südfrankreichs, der die meisten entstammten, darunter besonders die Advokaten aus Bordeaux Vergniaud, Guadet, Gensonné. Im Jahre 1791 wurden sie in die Gesetzgebende Versammlung gewählt, wo sie durch ihre Beredsamkeit eine führende Stellung einnahmen; in Paris schlossen sich die Anhänger des Journalisten Brissot und des späteren Ministers Roland an sie an. Gegen das Königtum führten sie einen leidenschaftlichen Kampf und haben im Verein mit den Jakobinern dessen Sturz herbeigeführt. Doch wiedergewählt in den Nationalkonvent, suchten sie vergeblich den von ihnen selbst entfachten Volksleidenschaften in die Zügel zu fallen. Nach schwungvollen Verteidigungsreden für den König stimmten sie doch selbst für seinen Tod, teils in der Ueberzeugung, die Berufung an das Volk werde diesen Beschluß wieder umstoßen, teils aus Furcht für ihr eigenes Leben. Dies schwankende Benehmen verschaffte der „Bergpartei“, dem unerbittlichen, aber konsequenten Robespierre und dem grimmen Marat, den sie vergeblich in Anklagestand zu setzen versuchten, den Sieg. Zweimal drangen die Pariser Volkshaufen in den Konvent und verlangten die Ausstoßung der Girondisten, das zweite Mal, am 31. Mai, mit Erfolg. Ein Teil hatte sich in die Provinzen gerettet und erregte diese zum Aufstand gegen den Pariser Pöbel. Doch die Energie des Konvents schlug alle diese Versuche zu Boden, durch welche der Untergang der in Paris gefangenen Girondisten nur beschleunigt wurde. Vor das Revolutionstribunal gestellt, wurden sie zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Als das Urteil verkündet wurde, zog einer der Verurteilten, Dufriche-Valazé, einen verborgenen Dolch aus dem Gewande und stach ihn sich ins Herz. In seiner rohen Grausamkeit beschloß jedoch das Gericht, daß dieser Selbstmord Valazé nicht vor dem Schafott retten dürfe. Die Leiche sollte das Schicksal der lebenden Genossen teilen. Sie wurde daher mit ihnen in das jetzt noch vorhandene große Gefängnis der Conciergerie gebracht, wo es den Verurteilten erlaubt wurde, ihre letzte Nacht gemeinsam zuzubringen. Bailleuil, ein Parteigenosse, dem es gelungen war, sich vor der Verurteilung in Paris zu verbergen, hatte seinen unglücklichen Freunden versprochen, ihnen das letzte Mahl im Kerker zu liefern, sei es, daß es ihrer Freilassung oder ihrer Hinrichtung vorausgehen sollte. Es gelang ihm, Wort zu halten, und so setzten sich die einundzwanzig Verurteilten in der Nacht vom 29. auf den 30. Oktober 1793 an eine festlich geschmückte und reich besetzte Tafel, neben der freilich die Bahre mit der Leiche Valazés stand, die mehr als alles andere die Festgäste daran mahnte, daß sie ihren eigenen Totenschmaus abhielten. Die Verurteilten hatten sich jedoch bereits völlig gefaßt und dachten nur daran, als Männer zu sterben und ihre letzten Stunden philosophischen Betrachtungen zu widmen. Die jüngsten unter ihnen, Ducos, Fonfrède und Antiboul, machten zwar den Versuch, in ausgelassener Fröhlichkeit dem Schicksal zu trotzen, aber Vergniaud, den auch hier seine feurige und zum Herzen gehende Beredsamkeit nicht verließ, bannte gar bald den künstlich angeschlagenen frohen Ton des Zechgelages und begann ein Gespräch über den Opfertod des Heilands und über die höchsten Ziele der Menschheit. Brissot prophezeite mit richtigem Blick in die Zukunft, daß die Erwürgung der Gironde die Rückkehr der Monarchie zur Folge haben werde. Gegen Morgen glaubten mehrere Tafelgenossen, daß sie dem Tode gefaßter entgegen gehen würden, wenn sie sich einige Stunden der Ruhe gönnten, und legten sich auf die den Wänden entlang angebrachten Matratzen. Die Mehrheit, dreizehn von einundzwanzig und darunter die bedeutendsten Führer, beschloß jedoch, sich gegenseitig wach zu halten, und setzte das Gespräch fort. Um zehn Uhr morgens erschienen die Sendboten des Tribunals, um die Opfer abzuholen, deren Namen der Reihe nach verlesen wurden.

Dies ist der Augenblick, den L. Flameng zum Gegenstand seines vortrefflichen, für das Museum des Luxembourg angekauften Gemäldes „Das letzte Gastmahl der Girondisten“ gewählt hat. Im Vordergrund des Bildes sehen wir neben dem Abhub der Tafel die aufgebahrte Leiche des Selbstmörders Valazé. An der Mitte des Tisches stehen nebeneinander die Führer Vergniaud und Brissot, der erstere mit aufgestemmten Händen und den beredten Mund zu einem letzten Protest geöffnet, der letztere in stummem unbeugsamen Trotze. Auf seine Schulter stützt sich stillgefaßt der lahme Slllery, der am Tage zuvor bei der Verkündigung des Todesurteils seine Krücken mit dem Ausrufe von sich geworfen: „Das ist der schönste Tag meines Lebens.“ Nur ein einziger Girondist ist haltlos zusammengeknickt. Wir sehen sein Gesicht nicht, dürfen aber annehmen, daß es Fonfrède ist, der sich in diesem Augenblicke seiner jungen Gattin und seiner kleinen Kinder erinnert. Sein neben ihm stehender Freund Ducos, der am Vorabend mit ihm heitere Witzworte zu wechseln versucht hatte, scheint auch einige Mühe zu haben, sich zu fassen, und ein dritter der jungen Generation bricht am andern Ende des Tisches in leidenschaftliche Verwünschungen aus. Es ist jener Boileau, der die Schwäche gehabt hatte, vor Gericht die Gironde zu verleugnen und sich als Mitglied des „Bergs“ zu bekennen, ohne dadurch sein Haupt retten zu können. Der ehemalige Bischof Fauchet ist als einer der ersten aufgerufen worden und wandelt in würdiger Fassung durch die Reihen der bewaffneten Schergen hindurch dem Gitterthore zu. Mit strenger Miene verliest der Kommissär seine Liste. Wie das irregeleitete Pariser Volk, betrachtet augenscheinlich auch er die Girondisten als Vaterlands- und Freiheitsverräter. Der Maler hat uns hier ein erschütterndes und historisch ziemlich richtiges Bild von den schrecklichen Folgen der Parteiwut und des von ihr entfesselten Bürgerkrieges gegeben, welchem so oft die edelsten Patrioten zuerst zum Opfer fallen. †     

Ein geschecktes Reh. (Zu dem Bilde S. 386.) Das im Bilde vorgeführte märchenhaft ausschauende Reh, ein weibliches etwa 11/2 Jahre altes Tier (Schmalreh), wurde vor einiger Zeit auf einer Treibjagd bei Elbingerode im Harz erlegt und gehörte zu einem vier Stücke starken Sprunge; die anderen drei Rehe waren von normaler Färbung. Bei unserem Tiere sind die Stirn, die unteren Teile der Läufe und die große Platte auf der Seite von reinstem Weiß und zeichnen sich in scharfen Linien von der an den übrigen Körperteilen natürlichen Färbung der Decke ab. Auf der dem Beschauer nicht sichtbaren rechten Seite läuft die schneeweiße Platte unter dem Leibe entlang, bis hinter das Blatt, und verengt sich hier zu einem schmalen Streifen, welcher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0383.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2022)