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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

unweit des Rückens endet. Oberhalb der rechten Keule befindet sich ein schmaler, länglicher, weißer Fleck. Die Lichter (Augen) haben natürliche Färbung. Dagegen sind Nase und Oberlippe, die beim Reh sonst von sammetschwarzer Farbe sind und dem Gesichte desselben das ausdrucksvolle, reizende Ansehen geben, ebenfalls weiß, mit einem Schein in grau. Dadurch büßt das Gesicht an Schönheit ein und verliert etwas den Rehtypus. Die Schalen an den vier weißen Läufen – sonst schwarz – erscheinen graugescheckt, die Oberrücken (Oberklauen) ganz weiß.

Der Stand der Haare ist, sowohl an den Stellen, welche normale Färbung haben, wie auf den milchweißen Platten, durchaus gleichmäßig, und Abweichungen in der Struktur der weißen Haare sind dem bloßen Auge nicht sichtbar. Auch die äußere und innere Haut zeigt überall gleiche normale Farbe. Das durch die grelle weiße Färbung weithin sichtbare gescheckte Reh war natürlich in der Umgebung von Eibingerode bekannt und der erfolgte Abschuß desselben erregte allgemeines Bedauern. Der Besitzer hat es ausstopfen lassen.

Wenn die wunderbare Färbung dieses Rehes auch zu den größten Seltenheiten gebört, so ist sie als einzig dastehender Fall doch nicht zu bezeichnen. In den Sammlungen des Provinzialmuseums zu Hannover, in denen des Grafen Arco in München und der des Fürsten Pleß auf Schloß Pleß sollen präparierte gescheckte Rehe, und in der Sammlung des Fürsten Salm-Salm auf Schloß Anholt ein ausgestopfter ganz weißer Rehbock vorhanden sein. Ein Albino (vollständig weißer Rehbock mit roten Lichtern) führt unter dem Namen „Märchenprinz Mazzy“ im Zoologischen Garten zu Frankfurt am Main ein beschauliches Dasein. In Ermangelung einer weißen Ricke ist ihm eine ebenfalls abnorm gefärbte, glänzend schwarze Ricke beigegeben, die den Namen „Prinzessin Lulu“ führt und die im vorigen Jahre ein ebenfalls schwarzes Bockkitz gesetzt hat. – Außerdem sind noch bleifarbige und höchst selten silberfarbene Rehe beobachtet worden. G. Hentze.     

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Ein geschecktes Reh.
Nach einer Skizze von G. Hentze gezeichnet von M. Schneider.

Das Raimund-Denkmal in Wien. (Zu dem Bilde S. 357.)

„Brüderlein fein, Brüderlein fein,
Mußt mir ja nicht böse sein!
Scheint die Sonne noch so schön,
Einmal muß sie untergeh’n! …“

Dieses Lied wird gesungen allüberall, wo die deutsche Zunge klingt, und sein Dichter Ferdinand Raimund, der nicht bloß die Worte, sondern auch die Melodie dazu gefunden, lebt noch mit seinen dramatischen Märchen und Volksstücken auf allen deutschen Bühnen, insbesondere mit seinem „Verschwender“, aber auch mit seinem „Bauer als Millionär“, worin dieses Lied von der „Jugend“ gesungen wird, mit dem „Alpenkönig und Menschenfeind“, mit der kürzlich erst zu neuen Ehren gekommenen „Gefesselten Phantasie“. Dem Duft von Poesie und Schönheit, der auf Raimunds lebensvollen Allegorien und idealen Verkörperungen volkstümlicher deutscher Charaktere lagert, haben die Jahrzehnte nichts anhaben können. Sie sind unvergänglich. Ihm ist nun am 1. Juni d. J. in seiner Heimatstadt Wien, vor dem Deutschen Volkstheater, ein schönes Denkmal errichtet worden. Es ist zugleich das erste öffentliche Denkmal, das ein deutscher Schauspieler erhält; denn Raimund war nicht bloß der Dichter, sondern auch der erste und beste Darsteller seines Rappelkopf, Wurzel und Valentin. C. L. Costenoble, der bei der Erstaufführung des „Verschwenders“ zugegen war, schrieb am 15. März 1834 in sein Tagebuch: „So wie Raimund ist kein jetzt lebender Schauspieler ins menschliche Herz gedrungen, und keiner hat das Vermögen, das Aufgefaßte in so hoher Vollendung wiederzugeben.“

Der Wiener Bildhauer Franz Vogl hat nun diesen Dichter in kongenialer Weise aufgefaßt, indem er ihn so, von der Phantasie belauscht, die sein Genius und sein Dämon zugleich war, darstellte: mitten im Walde, von der schönen Natur umgeben, die Raimund so leidenschaftlich liebte, auf einer Bank ruhend, in stilles Sinnen träumerisch verloren. Nur aus der liebevollsten Vertiefung in das Gemüt und die Persönlichkeit des Dichters konnte diese originelle Auffassung entstehen. Sie wirkt daher auch ganz unmittelbar auf uns. Diesen Eindruck hatten auch die Preisrichter, als sie über die Entwürfe zu entscheiden hatten, die nach einer zum hundertsten Geburtstage Raimunds (1. Juni l890) ausgeschriebenen Preiskonkurrenz in größerer Anzahl eingelaufen waren. Vogls Entwurf erhielt den ersten Preis. Mit einem Aufwand von 32 600 Gulden wurde er in Laaser Marmor ausgeführt; aus einem der größten Marmorblöcke, die je nach Wien geschafft worden sind. Das nötige Kapital wurde durch Spenden von Kunstfreunden, an deren Spitze der Kaiser selbst mit einer Gabe von 2000 Gulden stand, und durch Musteraufführungen Raimundscher Werke aufgebracht. Besonders verdient ums Denkmal machten sich Geheimrat Nikolaus Dumba und Regierungsrat Dr. Karl Glossy, Obmann und Schriftführer des Denkmalkomitees.

Als Franz Vogl diesen ersten Preis errang, war er schon, ungeachtet seiner Jugend – er wurde am 4. April 1861 in Wien geboren – ein anerkannter Künstler. Seine Lehrzeit hatte er an der Wiener Akademie und dann im Atelier des Meisters Weyr durchgemacht. Als er 1885 bei der Konkurrenz für die plastische Ausschmückung des Deutschen Theaters in Prag einen Preis erhielt, wurde er selbständig. 1886 gewann er den ersten Preis in der Konkurrenz für die Ausschmückung des Deutschen Volkstheaters in Wien durch seine originelle Giebelgruppe (Bacchuszug); er hat sie dann mit noch vielen anderen Figuren, die das Haus schmücken, ausgeführt, und sein älteres Werk wird nun auf sein neuestes, das Raimund-Denkmal, herniederschauen. Auch für die Theater in Zürich und Wiesbaden war Meister Vogl hervorragend beschäftigt, und ganz jüngst noch hat er mit seinem anmutigen „Radl-Madl“ für den Wiener Bicycleklub eine rasch populär gewordene Figur geschaffen. Moritz Necker.     

Fantasia. (Zu dem Bilde S. 361.) „Fantasia!“ Das ist ein Wort, bei dessen Klang der Orientale sich über des Lebens Notdurft hinwegsetzt. Den Blumenschmuck im Haar der Frauen, die Verzierungen an seinen Waffen nennt er „Fantasien“. Ebenso heißen Gesänge und Tänze der Alméen, und mit dem Namen der „Fantasia“ wird auch das Tummeln des Rosses, werden Scheinkämpfe der Reiter bezeichnet.

Am beliebtesten sind die letzteren bei den Arabern Nordafrikas. Jedes Fest, jedes besondere Ereignis wird von den Reiterscharen mit „Fantasien“ gefeiert. Unser Bild führt uns eine derartige „Fantasia“ vor.

Alt und jung strömt vor die Thore von Tripolis, denn durch die Straßen hat sich die Kunde verbreitet, daß eine Karawane aus dem fernen Sudan angekommen sei und daß der Gouverneur beschlossen habe, sie festlich zu empfangen. Auf dem Platze vor dem Thore steht die irreguläre Kavallerie, der Oberst in der türkischen Uniform vor der Front, in schnurgerader Linie. Erwartungsvoll schaut alles in die Ferne, bis auf dem nahen Höhenzuge eine Reiterabteilung erscheint: die Deputation der Karawane.

„Jalla ia Uled!“ („Auf Söhne!“) ruft nun der Oberst, und wie ein elektrischer Funke zuckt es durch die buntgewandeten Reiter und ihre Pferde. Im Sturme sprengt die Schar den Fremden entgegen. „Halt!“ – und eine dröhnende Salve grüßt die Wüstenreisenden. Mit Flintengeknall erwidern diese den Gruß und ziehen weiter, umsprengt von den Reitern, die ihre Kunststücke zeigen. Von Augenblick zu Augenblick wächst die Begeisterung. Empfangende und Empfangene bilden zuletzt vor der Stadt einen wirren Knäuel, aus dem Flinten- und Pistolenschüsse fallen, als ob eine Schlacht geliefert würde. „Jalla ia Uled!“ Jubelnde Rufe erschallen aus der Zuschauermenge, denn es wird ja die „Fantasia“ geritten, bei der dem Araber das Herz aufgeht.

So weit der Einfluß des Arabers und sein Roß gekommen sind, kennt man diese „Fantasia“. Sie wird auf den weiten Flächen vor den Thoren der Wüstenstädte geritten, und man kennt sie am Hofe der Sultane jenseit der Wüste in dem fernen Sudan. Freilich nicht immer sind die Reiter schmuck, die Rosse schön und edel – aber die Begeisterung bei diesem Festreiten bleibt immer dieselbe. *     

Milchmarkt am Singel zu Amsterdam. (Zu dem Bilde S. 373.) Ein Stück holländischen Lebens führt uns der Maler in seinem Bilde vor. Wir blicken auf einen der alten Deiche an dem Singelkanal, der im fünfzehnten Jahrhundert die äußerste Grenze der Stadt bildete. Der Damm fällt nach dem Wasser zu schräg ab. Zwischen den beiden Häusern links zeigt sich der Eingang zu der alten schmalen Straße des Nieuwen Dijk, und im Hintergründe ragt die Kuppel der Neuen evangelisch-lutherischen Kirche empor. An dieser Stelle erscheinen die Bauern aus der Umgegend, um von hier aus ihre Milch in Karren zu ihren Kunden zu bringen. Es stehen täglich viele Hunderte der blau angestrichenen Kübel auf dem Markt und geben im Verein mit den blauen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0386.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2022)