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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Kitteln der Bauern dem Platz ein charakteristisches Gepräge. Die Milch, die hier „verzapft“ wird, steht im Rufe einer besonderen Güte; sie kommt ja von den trefflichen holländischen Kühen, die auf den herrlichen Weiden der Niederlande prächtig gedeihen. *     
Benjamin Vautier †. (Mit Bildnis.) Ein reichgesegnetes Künstlerschaffen, das im höchsten Sinne echt volkstümlich war, hat am 25. April einen jähen Abschluß erfahren: an diesem Tage ist in Düsseldorf, der Stätte seiner langjährigen, von Ruhm und Erfolg gleichmäßig begünstigten Wirksamkeit, der Maler Benjamin Vautier gestorben. Von Geburt ein Sohn der französischen Schweiz, hat Vautier von 1850 an mit wenigen Unterbrechungen andauernd in Düsseldorf gelebt, hier rang er sich aus seinen schüchternen Anfängen schnell und sicher zur vollen Meisterschaft empor, und im deutschen Volksleben, das er am Rhein wie am Neckar, im Schwarzwald wie in Westfalen mit dem gleichen liebevollen Verständnis studierte, haftete seine Kunst mit starken festen Wurzeln und in ihrem innersten Wesen. Zwei deutsche Maler waren es auch, die auf ihn den größten Einfluß ausübten: sein Lehrer Rudolf Jordan in Düsseldorf und Ludwig Knaus, der mit seinen ersten großen ländlichen Genrescenen gerade Aufsehen erregte, als Vautier noch Schüler von Jordan war.

Vautier kam am 27. April 1829 in Morges am Ufer des Genfer Sees als Sohn eines Pfarrers zur Welt. Die erste Kunstunterweisung empfing er bei einem Emailmaler in Genf, bei dem er Uhrgehäuse, Broschen u. a. zu malen hatte. Der Genfer Kunstmaler van Muyden wurde aber rechtzeitig auf das junge Talent aufmerksam; ihm hatte Vautier den Rat zu danken, der ihn nach Düsseldorf führte. Unter dem Eindruck der „Kirmeß“, der „Spieler“ und ähnlicher Bilder von Ludwig Knaus folgte er dessen Beispiel und ging nach Paris, um seine malerische Technik zu vervollkommnen. Hier entstand sein erstes größeres Genrebild „Die Kirchensänger“, das auf der großen Münchner Ausstellung von 1858 glänzende Ausnahme fand. Schon im Jahre vorher hatte er sich aufs neue in Düsseldorf niedergelassen, wo nun unter seinem Pinsel eine ganze Reihe größerer Bilder in schneller Folge hervorging, deren Stoffe sämtlich dem geselligen Leben des Volkes und der Familie entnommen waren. Die seltene Vereinigung von gemütvoller Auffassung mit kraftvoll scharfer Charakteristik, die in ihnen hervortrat, gewann diesen Bildern und den ihnen nachfolgenden Meisterwerken Vautiers eine außerordentliche Volkstümlichkeit, welche mit der Verbreitung Schritt hielt, die ihre Reproduktionen in allen Schichten der Bevölkerung fanden. Die „Gartenlaube“ hat sich angelegen sein lassen, an der Verbreitung der edlen Wirkungen von Vautiers Kunst immer regen Anteil zu nehmen; von seinen bekanntesten Bildern sind viele in den älteren und neueren Jahrgängen erschienen; wir erinnern an die lebensvollen, von feinem Humor durchwürzten Darstellungen „Ein neuer Weltbürger“, „Die Ueberraschung im Wirtshaus“, „Auf dem Standesamt“, „Ein Botaniker auf Reisen“, „Der teure Wein“, „Belauschte Werbung“. Auch direkt für den Holzschnitt hat Vautier gearbeitet. In seinen Illustrationen zu Immermanns „Oberhof“ und Auerbachs „Barfüßele“ finden sich alle Vorzüge seines liebenswürdigen Talents in reichster Fülle entfaltet; mit wunderbarer Anempfindungskraft ist er auf den Geist dieser echt poetischen Dorfgeschichten eingegangen, deren Gestalten heute so, wie er sie gezeichnet, im Volk weiterleben.

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Benjamin Vautier †.
Nach einer Photographie von Konstantin Luck
in Düsseldorf.

Heimfahrt. (Zu dem Bilde S. 377.) Abendfrieden liegt über dem See; leise nur plätschern die Wellen, welche der kräftige Ruderschlag der heimkehrenden Landleute erregt. Ueber die hohen waldbewachsenen Berge, die den Brienzer See umgeben, breitet die Dämmerung ihre Silberschleier. Durch die Stille aber tönt hell und jauchzend der Gesang der Kinder, welche der Abend mit Vater und Mutter und den älteren Geschwistern wieder vereinigt hat. Auf hoher Bergalm haben diese dort die letzten Tage zugebracht, um am schwindelnden Hange das Wildgras zu mähen. In mächtigen Bündeln ward es dann auf den großen geschmeidigen Karren geladen, den die schweizer Wildheuer mit ihrer Last so kühn und schnell hernieder ins Thal zu lenken verstehen. Am Ufer harrten ihrer die Kinder im Kahn. Und nun geht’s heim. Die frische Seeluft labt die von der schweren Arbeit im Sonnenbrand erhitzten Gesichter und Glieder. Und bald vereinigt froher Gesang die Alten mit den Jungen, welche oben auf dem gewaltigen Heuhaufen vergnüglich lagern … Ein freundliches Bild aus dem Volksleben der Schweizer, das in schöner Harmonie zu der Feierabendstimmung steht, welche die Landschaft beseelt!

Wohnt hier die Hexe? (Zu dem Bilde S. 381.) Ein tiefinniger Zusammenhang besteht zwischen unserer deutschen Märchenwelt und der poetischen Stimmung, die jung und alt im deutschen Walde ergreift. Es ist kein Zufall, daß die schönsten und beliebtesten der alten Volksmärchen, die sich durch die Jahrhunderte von Mund zu Mund vererbten, im Walde ihren Schauplatz haben. Als sie entstanden, gab es noch keine Städte, und das Volk, das im Schutz der Burgen das Feld bebaute, hatte mühsam den Boden dem Wald abzuringen, der oft ohne Unterbrechung ganze Länderstrecken bedeckte. Alles Schauerliche und Liebliche, was dem Menschensinne auch heute noch „der Wald erzählt“, fand damals poetischen Ausdruck in den Märchen vom Schneewittchen, vom Rotkäppchen, von Hänsel und Gretel und wie sie alle heißen. Daher wiederholen sich immer aufs neue alle wirklichen Vorgänge, welche diesen Märchen zu Grunde liegen. Und auch heute noch treibt es unbewacht spielende Kinder heimlich in den Wald, wenn sie erst einmal in dessen lauschigem Schatten Blumen gepflückt und Beeren gesucht haben. Sie aber begleitet die schlummernde Erinnerung an die gruselig schönen Waldmärchen, die gar schnell wach wird in den Kinderköpfen, wenn irgend ein befremdlicher Eindruck an eines derselben mahnt. So geht es auch den kleinen barfüßigen Mädchen auf unserem Bilde beim Anblick der einsamen düsteren Köhlerhütte. – „Wohnt hier die Hexe?“ – Sie werden nicht lange auf Antwort warten, sondern baldigst kehrt machen und nach Hause eilen, wo sie dann der Mutter mit fliegendem Atem erzählen, das Hexenhaus im Walde liege ganz in der Nähe.

Gebirgsbach. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die Touristen, die durch das schöne Kärnten wandern, verweilen gern in dem Marktflecken Eisenkappel. In diesem freundlichen Orte mit überwiegend deutscher Bevölkerung finden sie nicht nur gute Verpflegung, sondern auch reiche Gelegenheit zu allerlei schönen Ausflügen und interessanten Gebirgstouren. Von Eisenkappel, das etwa 20 Kilometer von der Südbahnstation Völkermarkt-Kühnsdorf entfernt ist, führt ein bequemer Weg zum Gipfel des 2141 m hohen Hochobirs, auf dem sich eine meteorologische Station befindet. Von seiner Höhe genießt man eine überaus malerische Aussicht; zwischen Bergzügen leuchten die Seen hervor und ziehen sich grüne Thäler mit zahlreichen Ortschaften.

Aber auch die nächste Umgebung von Eisenkappel ist reich an landschaftlichen Reizen. In das Thal von Eisenkappel münden vier Seitenthäler oder „Gräben“, der Loibnig-, der Lopein-, der Remschenniggraben und das Ebriachthal. Sie führen der Vellach klare, rauschende Gebirgsbäche zu und bieten in ihrem Verlaufe eine Fülle reizender, stets wechselnder Aussichten. In einem dieser Thäler, dem Loibniggraben, hat E. v. Lichtenfels das Motiv zu dem stimmungsvollen Bilde gefunden, das unsere Kunstbeilage im Holzschnitt wiedergiebt. *     

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Castillo del Morro am Eingang des Hafens von Havanna.

Der Krieg um Cuba. (Mit Abbildungen.) Nach der Vernichtung der spanischen Flotte bei Manila ist auf dem Kriegsschauplatze bei den Philippinen ein Stillstand in den Operationen eingetreten. Kommodore Dewey hat nicht genügend Landungstruppen zur Verfügung; er ist darum nicht in der Lage, seinen raschen Sieg auszunutzen, und es wird noch einige Zeit vergehen, bis die erforderlichen Truppen von den Vereinigten Staaten eintreffen. So werden die nächsten entscheidenden Kriegsereignisse voraussichtlich auf dem westindischen Kriegsschauplatze stattfinden. Die Stellung der Spanier auf Cuba selbst scheint ziemlich fest zu sein. Der Ausbruch des Krieges hat das Ansehen der Regierung im Lande selbst gestärkt. Es wurde durch ihn das spanische Nationalbewußtsein geweckt; die Scharen der Aufständischen haben sich nicht vermehrt, wohl aber schließt sich die Mehrzahl der Bevölkerung um so entschiedener an den General Blanco, der als Oberbefehlshaber die Verteidigung der Insel leitet. Gleich beim Beginn der Feindseligkeiten sind an der Küste Cubas amerikanische Kriegsschiffe, die Flotte unter Befehl des Kommodore Sampson, erschienen, aber es gelang ihnen zunächst nicht, nennenswerte Erfolge zu erzielen. Havanna, die Hauptstadt der Insel, mit etwa 200000 Einwohnern, hat einen wohlgeschützten Hafen. Er besteht in einer Bucht, die zunächst eine schmale Einfahrt aufweist und sich dann kleeblattartig erweitert. Auf der westlichen Halbinsel zwischen der Bucht und dem Meere liegt die Stadt, deren Gesamtansicht unser Bild S. 388 wiedergiebt. Die Einfahrt in den Hafen wird durch starke Festungswerke verteidigt. An der Spitze der östlichen Halbinsel erhebt sich das Castillo del Morro mit einem Leuchtturm; südöstlich davon zieht sich längs der Hafeneinfahrt das Castillo de la

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0387.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2023)