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Nach einer Aufnahme der Graphischen Kunstanstalt von F. Kuranda in Wien.

Jugendhalle. Brauherren[?]in. 0 Avenue der Ernährung. Bosnische Ausstellung.     Rotunde.
„Urania“ Bäckereiau[sste]llung. Fesselballon. Pavillon der Stadt Wien.
Die Jubiläums-Ausstellung in Wien.



einziger schöner Traum. Von dem dunklen Hintergrunde der einsamen gramvollen letzten Jahre heben sich die lebensfrischen Kinderköpfchen zauberhaft ab. Und Christel giebt sich ganz dem neuen Glücke hin, das doch nur ein erborgtes ist, sie opfert sich wahrhaft auf in der Sorge für die kleinen Geschöpfe.

Nach einigen Tagen hängen die Kinder schon an ihr, als habe sie dieselben seit Anbeginn gepflegt und gewartet. Die „Erben“, wie Frau Wendlandt im Gespräch mit andern die Pflegekinder ihrer Schwester nennt, wachsen fest in dem Herzen der Rödershofschen, so fest, daß ein Losreißen, das ja unvermeidlich ist über kurz oder lang, blutige Wunden bedeuten würde. Mit Spannung durchsucht Christel die Zeitung nach den Gesundheitsberichten aus Dresden, mit Spannung erwartet sie den Briefträger, der Nachricht bringen soll von dem Ergehen der kleinen Frau Heine. Und eines Tages liest sie:

„Meine Frau ist heute zum erstenmal wieder aufgestanden; ich denke, in etwa vierzehn Tagen werden wir Sie von der Last befreien, Frau Christel, werde ich die Kinder holen können.“

Sie ist so erschüttert darüber, so verzweifelt, daß sie nach ihrer Schlafstube flüchtet und in heiße Thränen ausbricht. Noch nie war sie so glücklich wie in den letzten vier Wochen. Sie hat das Gefühl, als müsse sie denjenigen, der ihr die Kinder nehmen will, wie eine gereizte Löwin anspringen. Warum darf sie sie nicht behalten? Was haben die Heines für ein Recht auf sie? Keins! – Nur daß der Vater sie ihnen übergab, ja, ja, das ist’s!

Sie geht umher, als sei ein ihr teures Leben dem Tode verfallen; die Kinder sehen ihr scheu in die Augen. Sie will sich zusammennehmen, sie schilt sich selber aus, sie hat’s ja doch gewußt, daß ihr nur auf kurze Zeit die Freude gegönnt sei, und bricht dann wieder zusammen unter dem Schmerz, sie hergeben zu sollen.

„Vielleicht verkauft er sie dir,“ sagt Frau Wendlandt, die doch sehr bald wiedergekommen ist zu Christel, „frag’ ihn doch? Da er jetzt doch nichts mehr besitzt, sind Erben überflüssige Gegenstände, und du hast ja nun wohl wieder ein bißchen, was du vertrödeln kannst für andere?“

Christel antwortet ihr nicht. Die Schwester ist kaum zu ertragen mit ihrem hämischen Spott und stellt ihre Geduld auf eine harte Probe. Christel sitzt unter ihren Lieblingen in der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0400.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)