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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Stellers Seekuh.

ausgerottet. Das letzte Borkentier wurde 1767 oder 1768 getötet. Zwar berichtet Nordenskjöld, daß noch eins im Jahre 1854 gesehen worden sein soll. Das betreffende Tier scheint aber nach allem, was man darüber weiß, ein Narwal gewesen zu sein.

Daß die Seekuh so schnell verschwinden konnte, erscheint uns nicht weiter wunderbar, wenn wir hören, daß nicht mehr als 1500 oder 2000 Seekühe bei der Beringsinsel zur Zeit von deren Entdeckung gewesen sein sollen, und daß die Tiere nicht mehr als 15 zugängliche Futterplätze an den Küsten dieser Insel fanden.

Die dritte der ausgerotteten Tierarten, von der wir dem Leser erzählen wollen, war der Riesenalk, das größte Mitglied seiner Familie, und nicht bloß durch seine Größe, sondern auch, gleich dem Dronte, durch seine Flugunfähigkeit ausgezeichnet, durch diese um so mehr, als er auf der nördlichen Erdhalbkugel der einzige Vogel war, dessen Flügel nicht zum Fliegen gebraucht werden konnten.

Kopf, Hals und Rücken des Riesenalks waren schwarz, die Unterseite weiß; an jeder Seite der Stirn trug er einen großen weißen Fleck. Der Vogel ruderte mit Hilfe seiner Flügel sehr behende, im Wasser tauchend, umher und führte größere Wanderungen aus als mancher fliegende Vogel. Er lebte im Norden des Atlantischen Oceans. Sein Wohngebiet erstreckte sich an der europäischen Seite von Island bis zum Meerbusen von Biscaya, an der amerikanischen von Grönland bis nach Virginien. Indessen bezeichnen die genannten Oertlichkeiten nur die Endpunkte seiner Wanderungen. Grönland und Norwegen dienten dem Riesenalk nur in geringer Ausdehnung als Wohngebiete. Seine bekannten Brutplätze waren klein an Zahl. Am häufigsten brütete er in der Nähe von Island und Neufundland auf gewissen kleinen Inseln, die als isolierte und schwer zugängliche Felsen aus dem Wasser hervorragten.

Verhängnisvoll für den Vogel wurde seine Anhänglichkeit an die altgewohnten Brutplätze und seine gesellige Lebensweise, die den Fang sehr erleichterten. Der wichtigste europäische Brutplatz des Riesenalks, eine ungefähr 6 geographische Meilen von Island entfernte Insel, wurde im Jahre 1830 von einem Erdbeben heimgesucht, infolgedessen der Brutplatz in der See versank, so daß die Vögel genötigt waren, neue Nistgelegenheit zu suchen. Die meisten scheinen nach der kleinen Insel Eldey gezogen zu sein, und da diese dicht an der Küste lag und leicht zugänglich war, so wurden die wenigen damals noch lebenden Riesenalke im Laufe der folgenden 14 Jahre getötet. Das letzte Paar erbeutete man 1844.

In Amerika begann die Vertilgung der Riesenalke 1534. Am 21. Mai genannten Jahres landeten zwei Bootbesatzungen auf Funk Island und töteten in weniger als einer halben Stunde so viele, daß sie ihre zwei Boote damit füllen konnten. Was nicht frisch zu verspeisen war, nahmen sie eingesalzen in 5 oder 6 Tonnen mit. So ging es weiter.

Französische Fischer lebten in sehr ausgedehntem Maße von diesen Vögeln, und vorbeifahrende Schiffe hielten bei Funk Island an, um Proviant einzunehmen. Die Kolonisten salzten Riesenalke für den Winter ein, und der große Ueberfluß daran spielte eine Rolle bei der Aufmunterung zur Auswanderung nach Neufundland.

Der Riesenalk.

Obwohl der Riesenalk nur ein einziges Ei legte und sich deshalb nur langsam vermehren konnte, war er bei Neufundland anfänglich in so großen Scharen vorhanden, daß es mehr als zwei Jahrhunderte dauerte, ehe er dort ausgerottet war. Aber schließlich kam man auf die Idee, die Vögel auch der Federn willen zu verfolgen, womit ihr Schicksal besiegelt war. Millionenfach wurden sie erbeutet. Ihre Körper ließ man auf den Plätzen, wo man die Alke tötete und abbalgte, verfaulen. Ungefähr zu derselben Zeit wie in Europa war der Riesenalk auch in Amerika vertilgt, wenn man auch das Jahr nicht genau angeben kann.

Im Gegensatz zu dem Dronte und dem Borkentier, von denen man nur Bilder und Knochen besitzt, ist der Riesenalk in den Museen Europas und Amerikas durch eine Anzahl von Bälgen und Eiern vertreten. Aber solche Schätze sind kostbar. Der Balg eines Riesenalks kostet, falls er ja einmal auf den Markt gebracht wird, ungefähr 2400 bis 3000 Mark, während ein Ei mit dem doppelten Betrage bezahlt werden muß.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0416.jpg&oldid=- (Version vom 30.10.2019)