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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Hand, hinter ihm und langweilte sich, mit der Ergebung des echten Moslem.

Heute war die Sache anders. Am fernen Ende des Pflugapparates standen, etwas unruhig beim Keuchen und Raffeln der Dampfmaschinen, zwei prächtig aufgezäumte, milchweiße Araber.

Auf dem einen saß Rames Bey, der mir lebhaft winkte. Der andere war frei. Ich steuerte, nichts Gutes ahnend, mein etwas widerspenstiges Langohr querfeldein nach der gefährlichen Gruppe.

„Effendini will Sie sofort sprechen. Bitte, aufsitzen!“ stotterte der Tscherkesse höflich in seinem keineswegs musterhaften Französisch.

Ich hatte nun allerdings meine Bedenken. In meinem Leben war ich noch nie zwischen den Hörnern eines türkischen Sattels gesessen. Zum erstenmal sollte ich ein arabisches Pferd besteigen; ja, auch meine sonstigen Pferdebesteigungen ließen sich damals an den Fingern einer Hand aufzählen. Ich fühlte, daß ein kritischer Augenblick meines Lebens nahte; aber ich war entschlossen, dies vorläufig als Privatgeheimnis zu behandeln.

Die Uebersiedlung vom Esel aufs Pferd, ein an sich ermutigendes Omen, gelang über Erwarten, obgleich es keine Kleinigkeit war, nach europäischer Art des Aussteigens über das goldene Horn zu voltigieren, welches die Rücklehne des für mich bestimmten Prachtbaues bildete. Gewaltig aber stieg mein Vertrauen, als ich saß. Dieses herrliche, thronartige Sitzgeräte bot Anhaltspuntte, von denen man bei einem englischen Sattel nicht die Spur findet: links und rechts die Füße in einer Art von Panzerschiffen, hinten und vorn Schutztürme, über die man kaum mit Hilfe von Dynamit geschleudert werden konnte. Ich beschloß, was mir auch bevorstehen möge, einen derartigen sogenanntensattel unfreiwillig nie mehr zu verlassen.

Billardraum des Pavillons auf der Gabeleia bei Schubra.
Nach einem Aquarell von M. Eyth.

Rames Bey flüsterte, soviel ich bemerken konnte, ein kleines Gebet und blinzelte mit den Augen. Dies genügte, um die beiden Tiere wie Pfeile von einem unsichtbaren Bogen zu schnellen. Der Hintere Turm meines Sattels gab mir einen unerwarteten Stoß ins Kreuz, dann aber durchschnitten wir die Luft wie in einer geflügelten Zauberwiege. Es war herrlich. Sobald ich Atem holen konnte, fing ich an, mich neben meinem grünen Mamelucken stolz als Pascha zu fühlen. Zehn Minuten später blinzelte Rames Bey wieder. Mein Vorderturm gab mir einen Stoß in den Bauch. Es war dies auf arabisch das Zeichen, daß stillgehalten wurde und daß wir absteigen möchten. Das kurze Vergnügen, das meine Achtung vor mir selbst aufs höchste gesteigert hatte, der Ritt auf der Hamam (der Taube), einer der edelsten Stuten jener Tage im ganzen Orient, war zu Ende.

Wir traten durch das prachtvolle Parkthor, das, obgleich modern, in dem reizenden Arabeskenstil der besten Khalifenzeit gehalten ist (vgl. Abbildung S. 509). Bor demselben saß auf einem jämmerlichen, grüngestrichenen Holzstühlchen Halims erster Eunuche, ein schwarzer, gutmütiger Fleischklumpen, mit dem ich später sehr befreundet wurde. Langsam stand er auf, grinste mich an und salaamte. Ich that das Gleiche, so gut ich konnte.

Es ist in Aegypten nicht leicht, einen guten Park zu erhalten.

Die Luft ist zu trocken, so daß für ein üppiges Wachstum mancher Pflanzen selbst die reichlichste Bewässerung nicht genügt. Die Gärten von Schubra jedoch waren, damals wenigstens, als die schönsten des Landes berühmt und verdienten diese Bezeichnung.

Allerdings gab ihnen nicht bloß die Pflanzenwelt ihren eigentümlichen Reiz. In dem geheimnisvollen himmelblauen Palast am Nilufer, der sie nach der einen Seite begrenzte, ahnte man einen der schönsten Harims des Orients. Am entgegengesetzten Ende des Gartens liegt, von einer Säulenhalle umgeben, ein ebenso großartiges als zierliches Marmorbad. In der Mitte des Parks erhebt sich die sogenannte Gabeleia, zu deutsch das Bergchen, eine dicht bewaldete Erhöhung, deren Gipfel ein großer, orientalischer Pavillon krönt. Derselbe besteht aus einem Mittelsaal in bunter arabischer Ornamentik, unter dessen Kuppeldach ein Springbrunnen plätschert. Durch jede der vier Seitenwände führt ein Ausgang ins Freie, an welchen sich rechts und links je zwei kleine Zimmer anschließen, wahre Schatzkästchen, welche die Phantasie von „Tausend und einer Nacht“ ausschmückte. Rings um diesen Bau führt eine luftige marmorgepflasterte Veranda, in deren vier Ecken je ein kostbares französisches Billard stand (vgl. untenstehende Abbildung). Hier pflegte Halim seine Besuche zu empfangen. Von militärischen Wachtposten war nichts zu sehen, obgleich er damals Kriegsminister war; dagegen hatte man auf der schattigen Marmortreppe, die nach der Veranda hinaufführte zwischen zwei indischen Pantherkatzen, und weiter oben zwischen einem bengalischen Tiger und einem sudanesischen Löwen emporzusteigen, welche zum Glück kurz angebunden waren. Oben traf man ein halbes Dutzend junger Mamelucken in schwarzen Stambulröcken und roten Tarbuschs, die flüsternd unter sich oder mit einem persischen Zwerg, dem offiziellen Spielkünstler des Hofstaats, Schach spielten. Sonst herrschte eine tiefe, feucht-schwüle Sülle, wenn nicht der kleine Elefant hinter der Gabeleia trompetete, oder ein Kakadu im dichten Buschwerk von Bananen und Tamarisken krächzte, oder auch die Billardkugeln am entfernteren Ende des Pavillons zusammenschlugen.

Halim spielte nämlich nach seinem Morgenritt gerne eine Partie Billard, und bei dieser Beschäftigung traf ich ihn auch heute. Sein Gegner war ein Engländer Namens Roß, ein früherer Reiteroffizier, der den Krimkrieg und den berühmten Ritt bei Balaklawa mitgemacht hatte. Jetzt war er Direktor des ältesten ägyptisch-englischen Geschäftshauses Briggs L Co. in Alexandrien. Das Haus hatte die Agentur für Fowler übernommen. Ich kannte deshalb Roß gut, der mir eifrig „Guten Morgen“ zunickte.

„Bon ^’onr, Llonsisnr rief der Prinz. „Spielen Sie auch Billard?“

„Fast so gut, als ich reite,“ antwortete ich, denn wir hatten uns über diesen Punkt schon früher unterhalten. Er behauptete nämlich, ich sitze zu Pferd wie die alten Römer, und ich meinte, das könne nicht schlecht sein, denn sie pflegten ohne Bedenken vom Ebro bis an den Euphrat zu reiten. Ein paar kritische Billardstöße unterbrachen das Gespräch, das überhaupt nur stoßweise geführt wurde.

„Wie geht der Dampfpflug heute?“

„Nicht schlecht, Monseigneur! Wir kommen morgen in ein neues Feld, wenn es den Tag über so fort geht.“

„Juschallah! Ihr Holzhebel zum Seilwickeln ist eine großartige Erfindung, hat aber vorgestern einem meiner Fellachin durch einen Schlag den Arm gebrochen. „Malisch“ („es macht nichts“) sagte mir der Bursche heute früh. Er läuft schon wieder herum. – Was – Sie wollen uns verlassen?“

„Ich bin an die Jndier verkauft, Hoheit,“ sagte ich, wohlgemut.

„Wie – Sie gehen gern?“

„Nicht ungern, obgleich mir der Nil so lieb ist als der Ganges.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0508.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)