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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Das Friedrich Hofmann-Denkmal in Ilmenau. (Mit Abbildung.) Zehn Jahre sind dahingegangen, seit man in Ilmenau einen der alten Kämpen aus der Burschenschaftszeit, den Dichter Friedrich Hofmann, der unserem Blatt so nahe gestanden hat, zu Grabe trug. Der Thüringer Frühling hat jedes Jahr dies Grab mit Blumen geschmückt, und unvergessen lebt in vieler Menschen Herzen fort, der hier in der geliebten Waldesheimat die ewige Ruhe fand. Daß aber nicht nur die Erinnerung an das Gute und Schöne, an all die Liebe, die er gab, weiterlebt, daß auch die „alten, treuen Züge“ des Dichterkopfes unvergessen bleiben, dafür haben Dankbarkeit, Liebe und Freundschaft gesorgt.

„Er gab so viel!0 Mit seinen Herzensgaben 0
Verstand er es, zum deutschen Volk zu reden!“

Und das deutsche Volk schuf mit der Liebe Gaben ein Denkmal, so ganz nach dem Herzen des Dichters: an der Landstraße gelegen, wo der Wanderer vorüberpilgert, in idyllischer Einsamkeit, am Saum des dunklen Nadelwaldes, schlicht, dem Müden Ruhe und Labung spendend…

Wenn man durch das freundliche, an klassischen Erinnerungen so reiche Ilmenau wandert und den Weg nach dem Gabelbach einschlägt, liegt rechter Hand, wo der Tannenwald sich aufthut, gegenüber einem kleinen, in Wiesengrün gebetteten Teich, das Friedrich Hofmann-Denkmal.

Das Friedrich Hofmann-Denkmal in Ilmenau.

In einer hohen Sandsteinnische steht die wohlgetroffene von L. Weise in Ilmenau modellierte Büste des Dichters in Bronze, darunter in goldenen Lettern der Name. Schlanke Säulen steigen zu beiden Seiten auf. Unter der Platte, welche den Namen trägt, befindet sich ein Löwenkopf, aus dessen Rachen sich klares Bergwasser in ein Becken von Muschelform ergießt. Bänke stehen zu beiden Seiten des Denkmals, im Vordergrund zwei Linden, von denen einst die Kinder des verstorbenen Dichters ihrem geliebten Toten Zweige in die gefalteten Hände legten. Den Hintergrund des Denkmals bildet graues Felsgestein, auf dem sich höher hinauf der Nadelwald aufbaut.

Wenige Schritte oberhalb dieser dem „Gartenlauben-Hofmann“ geweihten Stätte liegt noch ein anderes Erinnerungsplätzchen. Es gehört dem Sohn, dem früh verstorbenen, des „Gartenlaube“-Begründers, und die schlichte Widmung auf der Marmortafel des Denksteins lautet: „Unserm heimgegangenen Alfred – die Armen von Ilmenau“. Der dunkle Tannenwald flüstert von Sterben und Vergehen, aber auch von Menschenliebe und Nimmervergessen derer, die zu den Guten, Besten ihrer Zeit gezählt.


Urwaldspuk. (Zu dem Bilde S. 545.) Wie mancher, der sich frei von Aberglauben weiß und ein mutiges Herz in der Brust hat, wird nicht auch heute noch von unheimlichem Schauer ergriffen, wenn er sich in einem pfadlosen dichten Walde verirrt hat und in dessen Finsternis, über Baumwurzeln stolpernd, von den geheimnisvollen Stimmen des Waldes geneckt und gehöhnt, von täuschenden Lichteffekten irregeführt, den Ausweg sucht. Kein Wunder, daß in der Vorzeit, als noch weite Gebiete deutschen Bodens von Urwald bedeckt waren und finsterer Aberglaube die Gemüter in Bann hielt, die Phantasie unserer Vorfahren den Wald mit unheimlichen Wesen, Gnomen, Zwergen, Alräunchen und Schrateln bevölkert hat, die darauf ausgingen, die Menschen irre zu führen, zu Fall zu bringen und zu verhöhnen. Unsere Sagenwelt ist reich an Ueberlieferungen dieser Art, und noch in unseren Tagen ist so manche besonders unheimliche Waldgegend verrufen, weil ein ganz bestimmter Kobold darin sein bedrohliches Wesen treibt. Durch Scheffels „Trompeter von Säkkingen“ ist als solch boshafter Waldgeist neuerdings zu besonderer Berühmtheit der „Meisenhart Joggi“ gelangt, der in den entlegenen Revieren des Hauensteiner Schwarzwalds nach dem Glauben der Anwohner der Urheber alles Unheils ist, das ihnen im Wald widerfährt. Mit vielem Humor hat Scheffel in seinen Reisebildern aus dem Hauensteiner Schwarzwald über diesen Kumpan geplaudert, „dessen amtliche Stellung im Geisterreich darin besteht, heimkehrende Biedermänner irre zu führen oder sonst durch mannigfachen Schabernack auf die Verwirrung ihrer Begriffe hinzuarbeiten.“ Hebel aber, als aufgeklärter Rationalist und genauer Kenner der vom Meisenhart Joggi heimgesuchten Bauernschädel, bat für den Ursprung dieser Art Gespensterseherei in seinem „Geisterbesuch auf dem Feldberg“ die rechte Erklärung gegeben: aus dem Weine stamme der irreführende Kobold. Ohne solche rationalistische Skepsis, vielmehr mit echt Scheffelschem Humor hat sich A. Schmidhammer in seinem Bilde „Urwaldspuk“ des Themas bemächtigt. Nichts Böses ahnend ist da ein harmloser Spielmann des Weges gekommen, und die über den Pfad sich schlängelnden Baumwurzeln haben ihn nicht gehindert, sich im Wandern mit sinnigem Flötenspiel die Zeit zu vertreiben. Dieses süße Getön ist offenbar gar nicht nach dem Geschmack des dort ansässigen Waldgnoms gewesen. Behend hat er sich auf einen starken Eichenast geschwungen, unter welchem der Weg des Spielmannes hinführt. Und gerade als der in schönen Weisen schwelgende Flötenbläser unter ihm angelangt ist, schlägt der Kobold ein schauriges Hohngelächter auf, so daß der Wanderer erschrocken innehält und entsetzt zu dem Ast emporblickt, von wo ihm das schadenfrohe Gesicht des Gnomen höhnisch entgegengrinst.


Petrarca und Laura. (Zu unserer Kunstbeilage.) Auch wer nicht die empfindungsvollen und formvollendeten Gedichte kennt, in denen Petrarca die Königin seines Herzens gefeiert hat, verbindet mit den Namen Petrarca und Laura die Vorstellung von einem idealen Liebesbund, den die Poesie für alle Zeiten verklärt hat. Von dieser Verklärung hat die mit Eifer betriebene Forschung nach den wirklichen Beziehungen des berühmten Liebespaars nichts zu rauben vermocht; so reich die Quellen fließen, die uns über den Lebensgang des großen Humanisten und Patrioten Francesco Petrarca, der zu Ostern 1341 auf dem Kapitol zu Rom feierlich mit dem Dichterlorbeer gekrönt ward, Auskunft geben, so spärlich sind die beglaubigten Nachrichten, welche die historische Persönlichkeit seiner Laura betreffen. Ob die von Petrarca Besungene wirklich eine Tochter des alten provençalischen Rittergeschlechtes de Noves war und der Dichter sie in Avignon kennen lernte, als sie bereits den edlen Hugo de Sade geheiratet hatte, darüber streiten sich noch heute die Gelehrten, nachdem beinahe sechs Jahrhunderte seit der Geburt jener Dame verflossen sind. Von Petrarca selber beglaubigt ist, daß er bald nach Beendigung seiner Studien und nachdem er am päpstlichen Hofe zu Avignon mächtige Gönner gefunden hatte, die ihn zum Eintritt in den geistlichen Stand bestimmten, in einer Kirche der damaligen Residenz des Papstes jene Dame zuerst erblickte, an die er sein Herz verlor und welche die Laura seiner Lieder wurde. Das Bild, das von ihr im Bewußtsein der Nachwelt lebt, stammt aus den Gedichten, in denen er die von ihm Geliebte, die ihm nur Freundschaft bot, besungen hat, in allen Tönen, welche innige Sehnsucht dem Herzen zu entlocken vermag, und in der Sprache des Volkes, deren Gebrauch er in seinen übrigen Dichtungen zu gunsten des Lateinischen verschmähte. Auch nach Lauras 1348 plötzlich erfolgtem Tod besang er sie. Fast alle diese Gedichte entstanden auf dem Landsitz, den Petrarca bald nach seiner Niederlassung in Avignon in dessen Nähe erwarb. Das Häuschen lag in Vaucluse zwischen herrlichen Gärten, dicht bei der von hohen Felsen malerisch umrahmten Quelle der Sorgue, die in kurzem stürmischen Lauf, schnell anschwellend, von hier der Rhone zueilt. Hier in Vaucluse verbrachte der Dichter seine fruchtbarsten Jahre. Hier entstand sein lateinisches Heldengedicht auf Scipio Africanus. Hier kämpfte er in der Einsamkeit gegen die Leidenschaft an, die ihn für die schöne tugendhafte Frau in der nahen Stadt erfüllte. Im Schattenthal von Vaucluse suchte er nach Lauras Tode Trost in dem poetischen Kultus, den er dem abgeschiedenen Geist der Geliebten als dem Inbegriff aller weiblichen Tugend widmete; aus der krystallklaren Quelle der Sorgue sah er ihr Bild aufsteigen, sah er sie leibhaftig sich ihm nähern in der jugendschönen Anmut, durch die sie ihn bei der ersten Begegnung entzückte, jetzt einen Lorbeerzweig in der Hand, als Symbol des Ruhmes, mit welchem sein Lied ihr irdisches Sein verklärte. Eine solche Vision ist der Gegenstand unseres Bildes.



Kleiner Briefkasten.

Der tiefen Trauer, in welche die gesamte Nation durch den Tod Bismarcks versetzt ward, haben wir gleich nach Empfang der erschütternden Kunde in einer außerordentlichen Beilage Ausdruck verlieben, die noch mit diesem Halbheft zur Versendung gelangen konnte. In dem nächsten Halbheft werden wir nun die Veröffentlichung einer eingehenden Schilderung von Bismarcks Lebensgang mit zahlreichen Bildnissen und anderen Abbildungen beginnen.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0548.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)