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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Schulter sinken, ,was für ein elendes Los suchst du dir aus! Du denkst doch nicht, daß ich dich glücklich machen könnte?‘

Sie strich ihm sanft das weiche helle Haar von der Stirn.

,Als ob es darauf ankäme!‘ sagte sie mit ihrer tapferen jungen Stimme, die nur ein ganz klein wenig zitterte, ,als ob es darauf ankäme! Und was nennst du denn glücklich? Für jeden Menschen hat das Glück ein anderes Gesicht! Glücklich sein heißt für mich, bei dir sein – dir notwendig sein – dir unentbehrlich sein, und werde ich das denn nicht werden, wenn du doch niemand anders hast?‘


Und nicht viele Wochen später stand ich mit Annies Mutter an einem stillen klaren schönen Tag am Strande. Wir sahen beide dem Schiffe nach, welches das eben getraute Paar übers Meer führte – unter eine heißere Sonne, von der wir hoffen durften, daß sie dem gelähmten Falken die Flugkraft wieder beleben werde.

Das Schiff schien am Horizont zu stehen – es wurde kleiner – und verschwand – da führte ich die alte Frau langsam vom Strande zurück in ihr einsames Haus.

,So!‘ sagte ich, ,nun wollen wir beiden Alten uns miteinander trösten und uns auf die Briefe freuen, die wir bekommen werden. Wie gut für mich, daß ich Sie hier habe – ich werde Sie sehr viel beanspruchen, wir haben ja beide ein Stück von unseren Herzen da mit hinaussegeln lassen!‘

,Sie guter treuer Freund!‘ sagte die alte Frau und faßte meine Hand, ,wenn es ein Glück auf Erden oder im Himmel giebt, da muß es Ihnen werden!‘

,Nein,‘ sagte ich mit tiefstem Ernst, ,nein, nicht mir, teuerste Freundin nicht mir! Aber dem tapferen Kinde, das da seiner schweren Aufgabe entgegenzieht, und das Gott segnen möge!‘“



Blätter und Blüten.

Die Trauerfeier in Friedrichsruh. (Zu den Bildern S. 553, 557, 578, 579 und 580.) Die tausendfältige Totenklage, welche der Trauer der Nation um ihren dahingeschiedenen Einiger herzergreifenden Ausdruck gab, hat bei allen Völkern der Erde das lebendigste Echo geweckt. Der Wiederhall von Bismarcks Ruhm erfüllte helltönend das Erdenrund, als abseits im stillen Sachsenwald, in dem schlichten Sterbezimmer zu Friedrichsruh, sein leiblich Teil von liebenden Händen dem Sarge zur ewigen Ruhe überantwortet wurde. In tiefer Stille und im engsten Kreise vollzog sich auch die Trauerfeier am Sarge, die sich nach den letztwilligen Anordnungen des großen Toten streng im Rahmen einer Familienandacht hielt und bei welcher allein das Kaiserpaar das trauernde Reich vertrat.

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Das Einliefern der Kränze.
Nach dem Leben gezeichnet von Willy Werner.

Gemäß der Sinnesart des Fürsten, die allem Schaugepränge zeitlebens abhold war, gemäß auch jener Stimmung seines Gemüts, die ihn in den acht Jahren seit seinem Rücktritt zum „Einsiedler von Friedrichsruh“ werden ließ, hatte er die Bestimmungen für sein Begräbnis getroffen. Vor allem aber war er dabei von dem Wunsche geleitet worden, mit seiner innig geliebten, ihm im Tode vorangegangenen Frau dieselbe Ruhestätte zu teilen. Als ihm am 27. November 1894 zu Varzin der Tod die treue Lebensgefährtin raubte – ein Verlust, den er niemals verwinden konnte –, da ließ er deren Sarg in einem zur Kapelle hergerichteten Gartenhäuschen im Park von Varzin beisetzen mit der Bestimmung, daß nach seinem Tod ein gemeinsames Mausoleum diesen Sarg und den seinen umschließen solle. Damals hatte er für die Errichtung des Mausoleums den Park von Schönbausen ins Auge gefaßt; inzwischen wählte er dafür einen Platz in der Nähe des Herrenhauses von Friedrichsruh: die diesem gerade gegenüber liegende waldumsäumte Anhöhe, auf welcher die prächtige Hirschgruppe Aufstellung gefunden hat, die als Geschenk von Anhaltiner Verehrern zum achtzigsten Geburtstag des Altreichskanzlers nach Friedrichsruh gestiftet worden war. „Hier ist’s wohl paßlicher,“ meinte er, „denn in Schönhausen bin ich doch eigentlich schon lange ein Fremder.“ Auch seine Grabinschrift hat der letzte Wille des Entschlafenen festgestellt, in Worten von lapidarer Einfachheit, die ein ergreifendes Bekenntnis bergen; sie lauten: „Fürst Bismarck, geboren 1. April 1815, gestorben .…., ein treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms des Ersten.“

In pietetvoller Erfüllung der Wünsche ihres heißgeliebten Oberhauptes hat die Familie sich an seine Anordnungen gehalten. Als in der Nacht vom 30. Juli der Tod für immer die mächtigen Augen geschlossen hatte, deren leuchtender Glanz im Leben Unzähligen Quell der Begeisterung war, als der treue Leibarzt Schweninger, der das kostbare Leben des großen Kanzlers der Nation so lange zu erhalten wußte, die furchtbare Gewißheit seines Hinscheidens festgestellt hatte, da wurden von Bismarcks ältestem Sohn, dem nunmehrigen Fürsten Herbert, sogleich die erforderlichen Schritte gethan, um die Ruhe des Toten vor jeder Störung zu bewahren. Forstbeamte von Friedrichsruh hielten abwechselnd am Sterbebette die Totenwacht, bis sie am 1. August von den Halberstädter Seydlitzkürassieren abgelöst wurden, welche auf Befehl des Kaisers zum Ehrendienst am Sarge ihres verstorbenen Chefs erschienen. Nur wenigen bewährten Freunden des Hauses, darunter dem Maler Franz Lenbach, der uns die Heldenzüge des Lebenden in immer neuer Auffassung so wunderbar lebensvoll dargestellt hat, und einzelnen Würdenträgern, war es vergönnt, das Antlitz des Toten zu schauen, dessen Anblick um so ergreifender wirkte, als ein täuschender Schein des Lebens seinen milden Ausdruck verklärte. Fürst Hohenlohe, der am Abend des 1. August aus Berlin eintraf, um dem von ihm so hoch verehrten Vorgänger zu huldigen, wurde Zeuge der Verlötung des Sarges, welche der Einwirkung der Luft auf die durch Geheimrat Schweninger und Dr. Chrysander einbalsamierte Leiche vorbeugen sollte.

Erst am dritten Tage nach Fürst Bismarcks Tode konnte Kaiser Wilhelm II in Friedrichsruh eintreffen. Als er die Nachricht von dem welterschütternden Ereignis empfing, befand er sich auf seiner Nordlandreise im Hafen von Bergen. Die Flagge der „Hohenzollern“ wurde sofort auf Halbstock gesenkt und der Befehl zu schleuniger Rückkehr gegeben. Unter dem Ausdrucke seiner tiefen Ergriffenheit eröffnete der Kaiser dem Fürsten Herbert telegraphisch, daß er beabsichtige, dem großen Toten im Dome zu Berlin an der Seite seiner Vorfahren die letzte Stätte zu bereiten. Gleichzeitig ließ er an das Reichsministerium des Innern die Weisung ergehen, eine große Trauerfeier auf dem Berliner Königsplatz ins Werk zu setzen, für welche auf dem Mittelrund der Auffahrt des Reichstagsgebäudes ein großer Katafalk hergerichtet werden sollte. Gegenüber den letztwilligen Verfügungen des Fürsten war dieser Plan, den großen Helden der Nation öffentlich im

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0578.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)